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Türöffner der Zukunft

Jens Schwendel von der Ibes AG erklärt, warum bei aller Technik Vertrauen in die Mitarbeiter immer wichtiger wird.

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© Ronald Bonß

Von Ines Mallek-Klein

Wieder eine neue Cyberattacke. Die Buchhaltungssoftware MedDoc wurde gehackt. Mehrere deutsche Firmen sind betroffen, darunter die Beiersdorf-Tochter Florena und der Paneelhersteller Kronospan aus Lampertswalde bei Meißen. Wenn Jens Schwendel solche Nachrichten hört, hält er kurz inne. Er ist Vorstand der Ibes AG in Chemnitz. Das Unternehmen ist auf das Thema Sicherheit spezialisiert, und das betrifft die IT genauso wie den Objektschutz und die Zugangskontrolle.

Eine tausendprozentige Sicherheit gibt es nicht. Das weiß auch Schwendel. Aber er und seine etwa 50 Mitarbeiter wollen es den Angreifern so schwer wie möglich machen. Egal, ob die real oder virtuell zuschlagen. Doch das geht nur, wenn man technologisch immer einen Schritt voraus ist.

Diese Stärke der Ibes AG weiß auch die Polizei in Brandenburg zu schätzen. Sie hat das Chemnitzer Unternehmen unlängst damit beauftragt, bis zum September 150 Standorte mit Online-Zugangskontrollen auszustatten. Es handelt sich um sicherheitsrelevante Standorte. Details darf das Unternehmen nicht verraten. Tobias Hübner, der das Projekt betreut, verrät immerhin, dass parallel drei verschiedene Merkmale zur Authentifizierung von Personen abgefragt werden. Die Polizei in Brandenburg investiert mehrere Millionen Euro in das Projekt. Sie setzt damit bundesweit ein Zeichen und hat die Ibes AG auch mit der Wartung beauftragt.

Firmenhistorie

Die Ibes AG wurde 1991 gegründet, damals als Softwarehaus. Einer der ersten Kunden waren die russischen Sparkassen, die sich mit Computern ausstatten ließen.

Heute beschäftigt das Chemnitzer Unternehmen 50 Mitarbeiter, ihr Durchschnittsalter liegt bei nur 30 Jahren.

Softwareentwickler sind gefragt. Um sie für einen Job in Chemnitz zu begeistern, zahlt die Ibes AG den Kindergartenplatz.

2015 fusionierte die Ibes AG mit der Inca GmbH, einem Anbieter von Technologien für die Zeiterfassung und Zugangskontrolle. In diesem Jahr peilt das Unternehmen einen Umsatz von fünf Millionen Euro an.

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Das Projekt hat Referenzcharakter. „Wir würden uns natürlich freuen, auch die Polizei in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Sachsen, mit dieser Technologie ausrüsten zu können“, sagt Jens Schwendel. Die Kombination der einzelnen Sicherheitselemente ist übrigens erst in Zusammenarbeit mit den Brandenburger Behörden entstanden. Am Anfang gab es recht vage Vorstellungen, wie die Zutrittskontrollen funktionieren sollen. Das Projekt ist unabhängig vom Umsatz interessant. „Es bringt uns in jedem Fall positive Aufmerksamkeit“, so Jens Schwendel.

Sicherheit ist ein wichtiges Thema, auch für Unternehmen. Das merkt Tobias Hübner unter anderem an der stetig wachsenden Zahl von Anfragen. Doch viele wollen sich erst einmal informieren. Investiert werde dann nicht selten erst, „wenn gerade etwas passiert ist“, so der Ibes-Verkäufer.

Das in seiner Ur-Form 1991 gegründete Unternehmen peilt in diesem Jahr einen Umsatz von fünf Millionen Euro an, gut 40 Prozent davon verdient Ibes mit Hard- und Software, die Unternehmen sicherer macht. Ein zentrales Thema sind dabei Zugangskontrollen. Der gute alte Schlüssel hat ausgedient. Türen werden heute elektronisch geöffnet. Nötig ist dafür ein Transponder, also ein kleiner Speicher, der ausgelesen wird. Die hinterlegten Daten entscheiden, ob sich die Tür öffnet, oder eben nicht. Die RFID-Technologie ist nicht neu. In ihrer jüngsten Generation sei sie aber absolut sicher, zumindest derzeit, sagt Tobias Hübner. Die Mitarbeiter eines Unternehmens brauchen also keinen Schlüsselbund mehr, sondern eine Karte oder einen Schlüsselanhänger, der die Form eines Einkaufschips hat. Es gibt ihn rund oder gewölbt, matt oder glänzend und in verschiedenen Farben. Mit oder ohne Firmenaufdruck. Alles eine Frage des Geschmacks.

Natürlich, auch ein Transponder kann mal verloren gehen, aber dann muss man nicht das ganze Schließsystem austauschen. Es reicht, ihn zu sperren. Gleichzeitig können Zutrittsrechte leichter vergeben oder gelöscht werden, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter die Abteilung wechselt. Und es gibt die Möglichkeit, zeitlich befristete Schließberechtigungen zu vergeben.

Da das elektronische Öffnen der Tür registriert wird, kann man anhand der Protokolle auch nachvollziehen, wer wann in welchem Raum war. Es sind vor allem die großen Unternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern, die bereits auf diese Zugangssysteme setzen. Und auch bei großen Zulieferern, zum Beispiel für die Autoindustrie, sind die Zugangskontrollen Pflicht. Im Mittelstand halten sie dagegen oft erst Einzug, wenn Zeiterfassungssysteme eingebaut werden.

Auch die hat die Ibes AG im Angebot. Die Motivation der Chefs für die Zeiterfassung ist dabei höchst unterschiedlich. Eine große Reinigungsfirma beispielsweise wurde vom Gesetzgeber quasi gezwungen, die Stunden ihrer Mindestlöhner exakt zu erfassen. Sie bat die Ibes AG um Unterstützung, und so entstand ein Gerät, das bei den Kunden der Reinigungsfirma fest installiert wird. Die Raumpfleger können so ihren Arbeitsbeginn und ihr Arbeitsende registrieren. In einem anderen Fall wollte ein Chef seinen rauchenden Mitarbeitern zeigen, wie viel Arbeitszeit sie durch ihre Zigarettenpausen verlieren. Ob danach die Zahl der Nichtraucher drastisch anstieg, ist nicht überliefert. Zeiterfassung ist ein wichtiges Thema, auch im Homeoffice. Die Zahl der Unternehmen, die ihre Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten lassen, wächst. Dort gilt der eingeloggte Rechner als Beweis für die Arbeit – und natürlich das Ergebnis im bearbeiteten Projekt. Die Technik ließe viel mehr zu. Kameraüberwachung beispielsweise. „Da stoßen wir an die Grenzen des rechtlich Möglichen und des gesellschaftlich Akzeptierten“, sagt Jens Schwendel. Kaum ein Mitarbeiter dürfte freiwillig bereit sein, sich auf den heimischen Schreibtisch schauen zu lassen und so wird die Vertrauensarbeitszeit wichtiger denn je – allen technischen Kontrollmöglichkeiten zum Trotz. Bei Außendienstlern, die einen festen Kundenstamm besuchen, haben sich Registriersysteme etabliert. Sie werden bei den Kunden installiert und dienen dazu, die Besuchszeit zu erfassen. Alternativ werden Firmenfahrzeuge mit GPS-Sendern ausgestattet. So lassen sich im elektronischen Fahrtenbuch die Routen speichern, was wiederum die Abrechnung der Dienstfahrten erleichtert. GPS-Sender werden auch immer öfter von Baufirmen nachgefragt, die ihre Bagger, Rüttler oder Lkws ausstatten, um sie im Falle eines Diebstahls orten zu können.

Die Kosten für Zeiterfassungssysteme und Zugangskontrollen variieren enorm. Entscheidender Faktor ist die Betriebsgröße und die Zahl von Ein- sowie Ausgängen. Hinzu kommt die Anzahl der Merkmale, die abgeglichen werden sollen. Während sich der Irisscan und der Fingerabdruckscan in Deutschland nach wie vor kaum durchsetzen, gibt es mit dem Handvenenscanner ein biometrisches Verfahren, das sich wachsender Beliebtheit erfreut. Der Venenverlauf in der Handfläche ist individuell. Er wird gespeichert und dann reicht es, die Hand vor die Kamera zu halten. Der Rechner vergleicht die Daten, und die Tür öffnet sich. Die berührungslose Zugangskontrolle boomt, auch in hygienisch sensiblen Bereichen, wie Kliniken oder Großküchen. Mittelfristig, ist Jens Schwendel überzeugt, wird das Handy zum Schlüssel werden. Technologische Lösungen gibt es, allerdings ist die Akzeptanz noch nicht allzu groß.

Die Schließsysteme funktionieren übrigens auch bei einem kurzen Stromausfall. Und der Weg nach draußen ist immer frei, um die Gebäude im Brandfall schnell verlassen zu können.