Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Über 100 Jahre Sportgeschichte

Dank Heinz Schrader und Werner Thomas liegt die sorgfältig recherchierte Weißkollmer Chronik in Sachen Sport vor.

 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ein Bild von 2010.  Heinz Schrader (damals 84), zeigte stolz das Kassenbuch von 1910.
Ein Bild von 2010. Heinz Schrader (damals 84), zeigte stolz das Kassenbuch von 1910. © Foto: Andreas Kirschke

Von Andreas Kirschke

Heinz Schrader gehört in Weißkollm zu den Urgesteinen. Im Sportverein SV Traktor Weißkollm – dem ältesten Verein in der Gemeinde Lohsa – ist der 92-Jährige heute ältestes Mitglied. Seit früher Jugendzeit trieb er Sport. Er spielte Feld-Handball und war später Radsportler. Bis ins hohe Alter kegelte er. Im Verein, dem er seit 1948 angehört, engagierte er sich lange Zeit als Kassenwart. Die Nachwuchs-Arbeit und die Zusammenarbeit mit der früheren Grundschule lagen ihm am Herzen. „Durch seine uneigennützige, hilfsbereite Einstellung genießt er heute hohe Achtung und Wertschätzung im Dorf“, bringt es der Weißkollmer Werner Thomas (87) bündig auf den Punkt. Dank Heinz Schraders jahrelangem Sammeln von Texten, Fotos, Urkunden und Dokumenten liegt nunmehr die Chronik des Sports in Weißkollm seit Gründung des Vereins 1910 vor. Werner Thomas stellte sie jetzt vor fast 100 Einwohnern im Gasthaus „Zur Friedenseiche“ vor. Leider konnte Heinz Schrader alters- und gesundheitsbedingt nicht selbst dabei sein, als sein Werk gewissermaßen das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Es begann mit Turnen in „Gut Heil“

Ursprünglich, um 1910, trieben außer den Landwirten und Eisenbahnern auch die Handwerker und Lehrer in Weißkollm Sport. Damals entstand der Sportverein „Gut Heil“. Alles begann mit Turnen. Erster Vorsitzender war Eisenbahner Traugott Sykor. Sein Stellvertreter war Schmied Karl Dubrau. Hauptlehrer Emmo Eichner war Turnwart. Der Verein gehörte zum Dachverband „Deutsche Turnerschaft“. Er pflegte die Ideen, Ziele und Prinzipien der Turnväter und Pädagogen Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) und Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839). Anfänglich turnten die Weißkollmer im Saal des Gasthofs Wilhelm Tillack. Der Vereinsvorstand kaufte Geräte wie ein Spannreck, einen hölzernen tragbaren Büchsenbarren und ein Sprunggestell mit Matratzen-Überzug. Später wurde ein Geräte-Turn-Pferd angeschafft. Die Aufzeichnungen dazu fand Heinz Schrader im ersten (noch erhaltenen) Kassenbuch des Vereins vom August 1910. „Die Finanzierung der Sportgeräte erfolgte durch die Beitragseinnahmen, durch Eintrittsgelder und Tanzgeld bei Vereinsvergnügen, beim Kegeln und Schießen durch Verkauf von Vereinsabzeichen und durch freiwillige Gaben von Mitgliedern und Freunden“, schreibt er in der Chronik. Außer Turnen betrieben die Weißkollmer auch Faustball und Leichtathletik im Freien. Eine enge Verbindung bestand zwischen Verein und Schule. Meist gehörte ein Lehrer dem Vorstand an. So mangelte es dem Sportverein nicht an Nachwuchs.

Der Erste Weltkrieg traf den Verein hart. Viele junge Mitglieder wurden eingezogen. Der Sport im Dorf kam zum Erliegen. 14 Sportfreunde starben im Krieg, auch der Vereinvorsitzende, Max Waurick. Ein Denkmal für die Gefallenen entstand daraufhin. Im Jahr 1920 wurde es eingeweiht. Der Sportverein spendete 300 Reichsmark für die Errichtung.

Der Gutsherr half dem Fußball auf

Erst nach und nach lebte der Sport im Dorf wieder auf. Ab 1924 gab es Vereins-Meisterschaften der Leichtathletik. Neue Sportarten im Verein kamen auf – wie etwa Kunst-Rad-Sport im Saal der Gaststätte und Rad-Wandern in der Natur. Im ganzen Kreis Hoyerswerda waren diese Aktivitäten geachtet. So fand 1928 in Weißkollm das Bezirks-Turnfest im Saal des Gasthofs statt. Seit 1929 verfügte der Verein über eine Fahne. Die Jugendlichen wollten auch Fußball spielen. Dafür fehlte zunächst ein geeigneter Platz, doch „... der Gutsherr unterstützte den Verein. Er stellte eine Fläche außerhalb des Orts unweit der heutigen Bahn-Brücke bereit. Die Sportler nahmen Hacke und Schaufel in die Hand. Sie schufen sich 1933 / 34 ihren Platz mit Fußball-Rasenfeld, Laufbahn und Sprung-Grube für Hoch- und Weitsprung in Eigeninitiative.“

Die Nazis untersagten 1933 den Dachverband „Deutsche Turnerschaft“. Sie ersetzten ihn durch den „Reichsbund für Leibesübungen“. Darin mussten alle Turnvereine Mitglied sein. Es waren die Jahre der Gleichschaltung. „Das Geräteturnen sowie der Saal-Radsport lagen noch am längsten in der Obhut des Sportvereins“, erläutert Heinz Schrader in der Chronik. „Die Rasensportspiele und auch die Leichtathletik gerieten immer stärker unter den Einfluss der SA und der Hitlerjugend. Diese waren nun meist Träger von Spielbetrieb und Wettkämpfen. Die besten Handballer und Fußballer spielten jetzt «Kampfball» – eine Art Rugby. Auch in die Leichtathletik zog eine neue Disziplin ein: der Keulen-Handgranaten-Wurf als Weit- und Zielwurf.“ Systematisch zogen die Nazis auch in Weißkollm viele Jugendliche zum Reichsarbeitsdienst ein. Seit 1939 mussten zahlreiche Männer zur Wehrmacht. So kam der Sport (wie 1914) erneut zum Erliegen. Der Verein beklagte 80 im Zweiten Weltkrieg gefallene Mitglieder.

1946 belebten die Weißkollmer den Sport neu. Ihr Verein hieß jetzt „Vorwärts Weißkollm“. „Damit war nicht nur ein neuer Name, sondern auch das künftige Programm gefunden. Es sollte wieder vorwärts gehen“, schreibt Heinz Schrader.

Ein neuer Sportplatz sollte entstehen. Wieder packten die Weißkollmer mit an. 1947 weihten sie den neuen Sportplatz offiziell ein. Weißkollm entwickelte sich zur Handball-Hochburg.

Der Deutsche Sportausschuss orientierte in den Kommunen auf die Gründung von Betriebssportgemeinschaften (BSG). Damit wurde Weißkollm zur BSG Traktor. Zunächst war sie Teil der Maschinen-Ausleih-Station (MAS), dann Teil der Maschinen-Traktoren-Station (MTS) und daraufhin Teil des Kreisbetriebs für Landtechnik (KfL). Die Weißkollmer Jugend wurde 1953 Ostsachsen-Meister im Feld-Handball. Die Männer waren in den 1950er-Jahren Bezirksmeister im Bezirk Cottbus im Feld-Handball. Weißkollm brachte immer wieder talentierte junge Sportler hervor. Bodo Herrmann zum Beispiel war in seiner Altersklasse im Raum Hoyerswerda Rekordhalter im Schlagball-Weitwerfen und Speerwerfen. Helga Petho gewann 1968 bei der Kinder- und Jugendspartakiade Gold im Weitsprung und Silber im Hürdensprint.

Rasen? Schotter musste es sein!

International wurde Handball auf Schotter gespielt. Doch Weißkollm hatte einen Rasenplatz. Damit war der Verein nicht wettbewerbsfähig. In Eigeninitiative gestalteten die Mitglieder den Platz um zum Schotterplatz. Die älteren Mitglieder orientierten sich auf Kegeln; zunächst in der Gaststätte Grundmann. Weil die dortige Bahn bald nicht ausreichte, entstand 1977 eine neue Kegelbahn am heutigen Sportplatz. Auch Frauen traten dem Verein verstärkt bei. Seit 1959 gab es die Gymnastik-Gruppe. Die trat sogar auf bei den Turn- und Sportfesten der DDR in Leipzig, ebenso beim Deutschland-Treffen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Berlin 1964.

1962 fand das letzte Feld-Handball-Spiel im Ort statt. Der Wunsch nach einer Sporthalle reifte heran. 1983 wurde die neue Halle eingeweiht. Damit ging ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung. Sportarten wie Volleyball, Turnen, Kegeln und Gymnastik erfuhren jetzt einen ungeahnten Aufschwung. Der Verein entwickelte eine neue Tradition. Regelmäßig lud er zu den „Turnhallen-Festen“ ein. Dort nahmen Ringer, Boxer, Handballer, Gymnastiker, Radsportler und sogar der Fanfarenzug Hoyerswerda teil. Dank Zusammenarbeit mit der Schule richtete Weißkollm jetzt viele Veranstaltungen aus: im Winter auf dem Dorfteich die Kinder- und Jugend-Spartakiade im Eisschnelllauf und Eishockey, im Frühjahr den Fritz-Kube-Gedenklauf als bezirksoffenen Lauf-Wettbewerb und sogar die Radsport-Spartakiade für den Landkreis.

Neue Wege nach der Wende

Der Einbruch kam mit der Wende 1989 / 1990. Zahlreiche junge Mitglieder zogen ausbildungs- und berufsbedingt von Weißkollm fort bis nach Westdeutschland. Der Verein musste neue Wege gehen. Unter anderem schlossen sich die Fußballer von Weißkollm und Lohsa zur Spielgemeinschaft Lohsa / Weißkollm zusammen. Seit der Schließung der Schule Weißkollm organisierte vor allem der Sportverein den Freizeitsport für die Kinder.“

Heute gehören 210 Mitglieder zum Verein. Sie treiben regelmäßig Sport: Fußball, Volleyball und Kegeln. Hinzu kommen im Bereich Kindersport die Vorschulgruppe, zwei Streetdance-Gruppen (Schüler von sechs bis 16 Jahren) und die Gruppe „Sportarten-Karussell“ (mit regelmäßigem Wechsel der Sportarten). Im Bereich Frauensport bestehen beim SV Traktor Weißkollm die Zumba-Gruppe und drei Gymnastik-Gruppen einschließlich der Senioren.

„Die Geschichte des Sports ist durch Heinz Schrader in einem Hefter vermerkt. Das verdient hohe Achtung und Anerkennung“, fasst Werner Thomas zusammen. Ortsvorsteher Thomas Rösler und Bürgermeister Thomas Leberecht übergaben jetzt Heinz Schrader eine von der Gemeinde gestaltete Plakette. Sie trägt die Aufschrift „Dank und Anerkennung“.