Merken

Überraschungsfund im Industriegebiet

Archäologen haben an der Glogauer Straße in Weida eine Entdeckung gemacht – unverhofft.

Teilen
Folgen
NEU!
© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Erst beim zweiten Blick fällt die unterschiedliche Färbung des Bodens auf: Aus dem Stand betrachtet bildet sie den rechteckigen Grundriss eines frei stehenden Hauses – etwa fünf Meter breit und sieben Meter lang. Ohne die grellgelben und roten Schnüre, die das Rechteck markieren, hätten die meisten ungeschulten Augen wohl darüber hinweggesehen. Nicht so die von Dr. Michael Strobel. Der Gebietsleiter des Landesamtes für Archäologie hat die Ausgrabung in die Wege geleitet – und das in denkbar „unmusealer“ Umgebung.

Dr. Michael Strobel zeigt, wie das in Weida entdeckte Haus einmal ausgesehen haben könnte.
Dr. Michael Strobel zeigt, wie das in Weida entdeckte Haus einmal ausgesehen haben könnte. © Sebastian Schultz

Der Dresdner Wissenschaftlicher steht am Rande des neuen Gewerbegebietes an der Glogauer Straße, das die Stadt Riesa derzeit herrichtet. Nebenan haben im letzten Jahr bereits Dekra und der Elektrogroßhandel Sonepar eröffnet. In Richtung Rostocker Straße ist der Riesa-Park zu sehen. Auf der Baustelle, auf der die Funde liegen, baut sich gerade die Riesaer Kommunikationstechnik-Firma Leichsner Kompro ein neues Domizil. Derzeit ist das Unternehmen noch an der Leutewitzer Straße zu Hause. Für Michael Strobel ist eine Baustelle natürlich ein ganz normaler Einsatzort – häufig werden Funde erst sichtbar, wenn schweres Gerät den Boden aufwühlt. Dass es in Weida „etwas zu holen gibt“, damit hätte er allerdings nicht gerechnet. „Der Fund war schon eine kleine Überraschung“, sagt er. Der Grund dafür ist ganz einfach: „Weida gehört nicht unbedingt zu den vorteilhaftesten Siedlungsgebieten in der Umgebung. Der Boden ist nicht so fruchtbar wie etwa in der Lommatzscher Pflege, außerdem ist das Gebiet vergleichsweise trocken.“ So lang es keine technischen Möglichkeiten gab, Wasser über größere Distanzen zu transportieren, hätten Menschen immer schon eher in der Nähe von Bächen oder Flüssen gesiedelt. Um das neue Industriegebiet fehlt davon jedoch jede Spur. „Das merken wir jetzt auch bei den Ausgrabungen. Der Boden ist steinhart und trocken.“

Bislang nichts aufgefallen

Archäologisch relevante Funde hat das Landesamt in Weida bislang also eher selten entdeckt. „Anfang der 70er Jahre haben Kinder eine Fundstelle mit Armreifen und zwei Beilen entdeckt. Ansonsten ist der Stadtteil bislang nicht aufgefallen“, sagt Strobel. Der Fund sei daher schon etwas Besonderes. Der Archäologe schätzt, dass die Erbauer des nun entdeckten Hauses schmale Gräben ausgehoben und darin senkrechte Balken versenkt haben, die die Wände bildeten. Für noch wahrscheinlich hält er aber die zweite Theorie: „In den Gräbchen könnten auch Holzschwellen gelegen haben, in die senkrechte Wandständer eingezapft waren.“

An einer Stelle ist der Grundriss unterbrochen. „Das muss der Durchgang gewesen sein“, erklärt Michael Strobel. „Die Bauweise ist typisch für die Zeit der jungen Bronzezeit, also um 1100 bis 1000 vor Christi.“ Durch Funde von Keramik hofft er, weitere Rückschlüsse auf die Bauzeit ziehen zu können.

Neben dem Gebäude ist ein Team damit beschäftigt, Vertiefungen auszuheben – ebenfalls an den Stellen, an denen die Erde eine andere Farbe angenommen hat. „Die Gruben wurden dazu benutzt, Vorräte zu lagern oder Lehm für den Bau zu entnehmen“, sagt Michael Strobel. Zeichnerin Karina Gebhardt überträgt die Erdstruktur in den Gruben mit Buntstiften auf Millimeterpapier. Alles feinsäuberlich im Maßstab 1:20. Obwohl die Sonne ohne Pause scheint, ist sie mit großem Eifer dabei. „Schlechtes Wetter gibt es für diese Arbeit nicht – nur schlechte Kleidung. Wenn es regnet, kommen wir eben mit Gummistiefeln und Regenschirm“, sagt sie.

Bis Ende des Monats ist das Team noch an der Glogauer Straße beschäftigt. Große Bauverzögerungen entstehen laut Strobel dadurch nicht. „Während wir hier graben, können die Arbeiten an dem künftigen Parkplatz weitergehen.“ Und danach? „Fundstücke kommen erst mal nach Dresden. Und auf dem Fundort wird eine Gewerbehalle gebaut.“ Die Dokumentation der Grabung sei das Entscheidende. Sie bilde einen weiteren Mosaikstein in der Besiedlungsgeschichte Riesas.