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Fächer-Abwahl ist abgeschafft

Geschichte und Geografie – beides ist jetzt für alle Oberschüler Pflicht. Wie wird das in Radeberg aufgenommen?

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© Thorsten Eckert

Von Luise Martha Anter

Radeberg. Demokratie heißt: Man hat die Wahl. Normalerweise. Denn für sächsische Oberschüler heißt Demokratie ab diesem Schuljahr: Schluss mit Entweder-oder. Zumindest, wenn es um die Fächer Geografie und Geschichte geht – beide Fächer sind seit dem laufenden Schuljahr in Klasse zehn Pflicht. Die Entscheidung ist Teil eines Maßnahmenkataloges, den das sächsische Regierungskabinett bereits im März beschlossen hatte. Dessen Ziel: Die Demokratiebildung stärken. „Sächsische Oberschüler sollen sich künftig noch mehr mit politischen und gesellschaftlichen Aspekten auseinandersetzen“, heißt es beim sächsischen Kultusministerium.

Bisher hatten sie in Klasse neun die Wahl, welches der beiden Fächer sie in ihrem letzten Schuljahr belegen wollen. Getreu dem Motto: Atlas oder Almanach? Diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr – jedenfalls für einen Großteil der Schüler.

Euphorie hält sich in Grenzen

Eine Ausnahme wird nicht nur an sportlich orientierten Oberschulen und der Palucca-Oberschule gemacht. Sondern auch bei Schülern, die mit Französisch eine zweite Fremdsprache belegen und somit ohnehin eine Mehrbelastung haben. Schülerinnen wie Anne Lene und Jenny, die beide die 10. Klasse der Pestalozzi-Oberschule in Radeberg besuchen: Sie hatten die Wahl.

Doch bei ihren Mitschülern hält sich die Euphorie in Grenzen. „Die meisten finden das nicht so toll, sie müssen halt noch mehr lernen“, erzählt Jenny. Ihre Freundin Anne-Lene ergänzt: Die Regelung sei „eher unpraktisch“. Grit Jäpel, Lehrerin für Geschichte und Gemeinschaftskunde an der Pestalozzi-Oberschule, bestätigt diesen Eindruck: „Als die Schüler von der Änderung erfahren haben, haben sie schon ein langes Gesicht gemacht. Viele hätten lieber einen WTH-Vertiefungskurs belegt.“ Den hatten sie sogar schon gewählt. „WTH“ steht dabei für „Wirtschaft-Technik-Haushalt“, ein Fach, das für die Schüler von der siebenten bis zur neunten Klasse im Stundenplan steht. Bisher haben sie dann in der zehnten Klasse einen der Teilbereiche vertieft – sogar eine Facharbeit musste angefertigt und verteidigt werden. Doch um das Mehr von zwei Wochenstunden zu kompensieren, ist das nun passé – zum Bedauern von Schülern und Lehrern gleichermaßen. Denn die Kurse dienten auch der beruflichen Orientierung, sagt Grit Jäpel.

Lehrer begrüßeen Neuregelung

Und doch: Die Lehrerin begrüßt die Abschaffung der Wahlmöglichkeit voll und ganz. „Das hätte nie anders sein dürfen“, unterstreicht sie. „Wer einen Realschulabschluss hat, sollte über ein gewisses Allgemeinwissen verfügen“, ist sie überzeugt.

Konfrontiert man sie allerdings mit dem erklärten Ziel des Sächsischen Kultusministeriums, Lehrern und Schülern mehr Raum für Diskussionen und politische Bildung zu geben, winkt sie ab. „Da sind mir durch den Lehrplan die Hände gebunden.“ Der nämlich ist streng durchgetaktet. Zwar würden beispielsweise im Fach Geschichte gerade die Themen der zehnten Klasse viel Raum für Diskussionen geben: Jugend in Ost und West beispielsweise oder – natürlich – Flucht und Vertreibung. Doch das zehnte Schuljahr ist kurz. Im März ist es vorbei. „Es gibt schon Raum für Aktuelles“, stellt Grit Jäpel fest. In Gemeinschaftskunde beispielsweise lasse sie die Schüler 14 Tage lang eine Zeitungsschau machen. Aber: „Für Diskussion bleibt wenig Zeit.“

Neben der Änderung der Lehrpläne sieht sie noch eine andere Variante, mit der politische Bildung an den Oberschulen gestärkt werden könnte: Das Fach Gemeinschaftskunde bereits ab Klasse acht einzuführen. So könnten Schüler langsam an politische Vielfalt und Meinungsbildung herangeführt werden, ist Grit Jäpel überzeugt, angefangen bei der Wahl von Klassensprecher und Schülervertretung. „Demokratie beginnt in der Schule.“