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Und dann kam dieser Sachse…

Auf der ausverkauften Jonsdorfer Waldbühne begeisterte die Uraufführung „Die Legende des Priber“ das Publikum.

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© Theater/Sosnowski

Von Rainer Könen

Ist dieser Mann eine Legende? Wird man zu einer, wenn man als romantisierender Sozialutopist einer indigenen Volksgruppe vermitteln will, dass das Erdendasein paradiesisch sein kann? Und: Wie kann ein Jurist aus dem Zittauer Gebirge eine Kolonialmacht wie das Britische Empire in seinen Grundfesten erschüttern?

Warum es den Anwalt Christian Gottlieb Priber im 18. Jahrhundert aus dem beschaulich-biederen Sachsen nach Amerika trieb, wo er einige Zeit bei den Cherokee-Indianern lebte, dazu möchte in diesem Sommer auch das Gerhart-Hauptmann-Theater Erhellendes beitragen. „Die Legende des Priber“ lautet das Stück, das auf der Jonsdorfer Waldbühne uraufgeführt wurde. Hier wird auf unterhaltsame Weise das Leben eines Mannes beleuchtet, der als Frühaufklärer gilt. Der Freidenker, ausgestattet mit einem Jura-Diplom der Universität Erfurt, floh 1735 aus seiner Heimatstadt, weil er der Obrigkeit mit seinen utopischen Ideen mächtig ins Auge stach.

Schauspielintendantin Dorothea Szalma ist auf der Suche nach einem regionalen Thema für die Waldbühne auf eine weitgehend unbekannte Persönlichkeit gestoßen. Ein Sachse, der seine neue Heimat bei Indianern gefunden hat, sich in die Häuptlingstochter verliebt und seinen roten Freunden Rechtsbeistand anbietet, auf dass diese nicht mehr von Briten übers Ohr gehauen werden. Priber, der 1697 in Zittau zur Welt kam, ist ein Mann, dessen Leben bis heute Fragen aufwirft. Biografische Freiräume, die es zu füllen gilt, wenn man seinem Wirken Eventcharakter geben möchte. Schauspieler David Thomas Pawlak gibt seinem Christian Gottlieb Priber, der die radikalen Strömungen der europäischen Aufklärungsphilosophie in die zivilisationsferne Prärie exportierte, dieses eifrige, missionarische Sendungsbewusstsein, das diesen Aufklärern oft so eigen ist. Sein Gegenpart ist der englische Colonel Fox, dargestellt von Marc Schützenhofer. Mit ihm gerät er in einer Londoner Hafenkneipe aneinander. Er wird zu seinem Erzfeind, der ihn bis nach Amerika verfolgt. Zusammen mit Martha Pohla als Häuptlingstochter Clogoittah und deren Vater Moytoy, dargestellt von Tilo Werner, bilden diese Figuren das Gerüst der Handlung, die von Beginn an zügig Fahrt aufnimmt. Von Zittau geht es nach London, wo Priber ein Schiff für die Überfahrt sucht. Die Fahrt über den Atlantik gerät selbstverständlich ebenfalls recht abenteuerlich. Piraten wollen das Schiff entern, da wird aus der Wald- kurzerhand eine Seebühne.

Regisseurin Julia Heinrichs hat ein Stück inszeniert, das alle Ingredienzen eines flotten Abenteuerspektakels enthält. Action, Pyrotechnik, Pferde, Stunts, farbenprächtige Kostüme und eine Menge Mitwirkende. Und immer mittendrin ist da dieses Buch, in dem der Zittauer Anwalt seine Ideen für eine gerechtere Gesellschaft sammelt. Die Inszenierung der reit- und kampfsporterfahrenen Rheinländerin Julia Heinrichs macht neugierig auf den Zittauer Prieber, der seinen Namen bei seiner Ankunft in der britischen Kolonie zu Priber anglisierte. Eine Neugier, die in diesem Sommer in Zittau und Umgebung sicher gestillt werden dürfte. Denn hier hat man den Priber-Sommer ausgerufen, kann man sich in den kommenden Wochen in Workshops, im Museum, in der Hillerschen Villa, in Ausstellungen und Lesungen einem Mann nähern, dessen Ideen für eine bessere Welt bis heute nicht eingelöst wurden: für eine Gesellschaft ohne Unterschiede, für eine, in der es keine Herrschaft und Landbesitz gibt. Da lässt der Sozialismus grüßen.

Das knapp zweistündige Stück enthält Szenen voll überbordender Komik. Als zwei Indianer über das Wesen des Krieges reflektieren, einer nicht mehr auf den Kriegspfad will, bekommt er von seinem Kollegen den Tipp, vorher eine Krankmeldung beim Häuptling einzureichen. Da gibt es Diskussionen über den Linksverkehr bei Sänftenträgern, zeigt sich der von Klaus Beyer in locker-witziger Form dargestellte englische Gouverneur von Georgia, James Oglethorpe, als Liebhaber von Quietschentchen. Das kommt beim Publikum an. Wie auch Pribers aufklärerische Ideen bei seinen neuen Freunden, den Cherokees, auf überaus fruchtbaren Boden fallen. Vor allem bei den indianischen Damen. Da werden die Geschlechterrollen neu definiert, wer wann fürs Essen zuständig ist, und wenn frau mit mann auch sonst nicht zufrieden ist, kann sie ihn entsorgen. Besonders originell sind die Kostüme der CIA, der Cherokee-Indianerinnen-Armee, die loszieht um Priber, der von den Engländern festgesetzt wurde, zu befreien. Strumpfhosenbewehrt erinnern die Damen in der Art, wie sie über die Waldbühne hüpfen, irgendwie an eine Schlumpfen-Kohorte.

Axel Stöcker hat ein Stück geschrieben, das aus Autorensicht eines ist, das die Kreativität mächtig ankurbelt. Denn fast alles, was der Zittauer während seiner Zeit in Amerika schrieb, ist verschollen. Seine legendäre Schrift „Kingdom Paradise“, in der er sein utopisches Paradies beschrieb, ging bei seiner Gefangennahme durch die Engländer ebenfalls verloren. Nur ein Totengedicht an seine Mutter ist noch enthalten.

Am Ende siegt dann natürlich wieder die allumfassende Liebe. Und was macht Pribers Ehefrau Christiane im heimischen Zittau? Auf einer überdimensionierten Uhr erfährt die von Maria Weber dargestellte Figur, was die Zeit geschlagen hat.

Es ist höchste Zeit. Denn am Schluss zucken Blitze über den Zittauer Himmel, öffnet der Himmel seine Schleusen, gibt es ein wahres Donnerwetter für diese mit viel Beifall bedachte Uraufführung.

„Die Legende des Priber“ wird auf der Jonsdorfer Waldbühne noch bis zum 31. Juli gespielt. Die nächsten Aufführungen finden am Dienstag, 21. Juni, Mittwoch, 22. Juni, und Donnerstag, 23. Juni, jeweils 10 Uhr statt. Karten gibt es unter Telefon 03583 770536 und 03581 474747. Autofahrer parken am besten auf dem Parkplatz Gondelfahrt.