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…und es hat blitz gemacht

Raserei ist die Unfallursache Nummer eins. Doch für die Verkehrsüberwachung hat die Polizei immer weniger Zeit.

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© Andreas Weihs

Von Matthias Weigel

Grell blitzt das rote Licht auf. Es ist der Moment, den viele Autofahrer fürchten. Auch mich hat es an diesem Vormittag erwischt. 30 km/h zu viel. Das gibt Punkte und kostet. Doch warum ärgern? Umdrehen und gleich noch mal! Blitz.

Laserkamera LeivTec XV3 Das Gerät funktioniert wie eine Laserpistole, hat aber eine angeschlossene Kamera, die Bilder bei Überschreitung der eingestellten Geschwindigkeit digital speichert. Kann auch ohne Blitz und an schwierigen Stellen messen. Funktioni
Laserkamera LeivTec XV3 Das Gerät funktioniert wie eine Laserpistole, hat aber eine angeschlossene Kamera, die Bilder bei Überschreitung der eingestellten Geschwindigkeit digital speichert. Kann auch ohne Blitz und an schwierigen Stellen messen. Funktioni © Andreas Weihs
Das Radar Multanova 6F digital Polizeihauptmeister Bernd Großer muss nur Radar und Kamera im Kofferraum ausrichten, die Technik einschalten und den Computer einstellen. Dann kann geblitzt werden – bei fast jedem Wetter. Nachteil: Geeignete Stellplätze am
Das Radar Multanova 6F digital Polizeihauptmeister Bernd Großer muss nur Radar und Kamera im Kofferraum ausrichten, die Technik einschalten und den Computer einstellen. Dann kann geblitzt werden – bei fast jedem Wetter. Nachteil: Geeignete Stellplätze am © Andreas Weihs
Die Laserpistole LTI 20-20 Polizeihauptmeister Uwe Schneider kann mit einem Klick ein anvisiertes Fahrzeug messen. Die Pistole – aus dem Jahr 1992 – ist handlich, schnell und universell einsetzbar. Sie misst bis 250 km/h. Nachteil: Die Beweisführung geht
Die Laserpistole LTI 20-20 Polizeihauptmeister Uwe Schneider kann mit einem Klick ein anvisiertes Fahrzeug messen. Die Pistole – aus dem Jahr 1992 – ist handlich, schnell und universell einsetzbar. Sie misst bis 250 km/h. Nachteil: Die Beweisführung geht © Andreas Weihs

Die Szene ist nicht das Zeugnis eines verrückt gewordenen Redakteurs. Und im realen Straßenverkehr wäre das so nie passiert. Stattdessen hat die Polizei eine Blitzstrecke zu Demonstrationszwecken aufgebaut. Und da darf’s natürlich zum Ausprobieren einmal mehr sein, wo es doch nichts kostet – und obendrein bei eingestellten zehn km/h nicht schwer ist, auszulösen.

Mehr als eine halbe Stunde vor der Blitzerei hat Polizeioberkommissar Manfred Gill das Garagentor auf dem Gelände an der Stauffenbergallee in Dresden und den blauen Transporter geöffnet. Dort sind die Gerätschaften der ES 3.0 drin – einem von vier Blitzertypen, die bei der Polizeidirektion Dresden im Einsatz sind. Gill rollt Dutzende Meter Kabel ab. Hantiert mit Neigungswasserwaage, Entfernungsmesser und Kegeln, postiert Sensor, Kameras, Blitze, stöpselt die Stecker in die Geräte und an die Batterie, macht Probefotos, justiert die Parameter am Computerarbeitsplatz im Van. Alles soll präzise aus- und eingerichtet sein. Für Gill als Routinier aber kein Problem. Trotzdem ein enormer Aufwand.

Dafür kann das Gerät aber einiges: Fotos von vorn, hinten und der Seite und in beide Richtungen und auf mehreren Spuren. Motorräder? Kein Problem. „Und die Kameras können wir bis zu 20 Meter weg vom Sensor postieren. Wenn sie die entdecken, ist die Messung längst gelaufen“, sagt Gill. Bremsen? Sinnlos.

Im Einsatz ist die ES derzeit aber eher selten. Das liegt einerseits am Aufwand. Die Verkehrspolizei der Direktion betreut die Landeshauptstadt und die Kreise Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge – ein riesiges Gebiet zwischen Riesa und Altenberg, Nossen und Schmilka. Anfahrt und Aufbau kosten da schon viel Zeit. Anderseits kommt die Polizei allgemein kaum noch zum Blitzen. Das liegt vor allem am Einsatzgeschehen – Demonstrationen, Veranstaltungen, Fußballspiele. Der Personalabbau tut sein Übriges. Dabei ist überhöhte Geschwindigkeit Unfallursache Nummer eins. Muss die Polizei da zunehmend wegschauen? „Es ist ja nicht so, dass gar nicht geblitzt wird“, sagt Gill. Die Reviere hätten auch noch eigene Technik im Einsatz. Landratsämter und Kommunen seien außerdem sehr aktiv.

Von der „Jagd“ auf Raser will Gill sowieso nicht sprechen. „Wir berauschen uns nicht an Zahlen“, sagt er. Ziel seien nicht die, die mal unachtsam und wenige km/h zu schnell waren. Ziel seien die notorischen Raser mit deutlich zu viel auf dem Tacho. Da freue man sich natürlich auch über Erfolge. Klar kenne er Stellen, wo es immer klappt. Aber jeder Tag, jede Messung sei anders. „Und man sollte nicht vergessen: Die StVO gilt überall, also muss man auch überall damit rechnen, ertappt zu werden“, sagt er. Gerade an Gefahrenstellen, vor Schulen und Kitas oder bei Aktionen auf Bürgerbeschwerden hin stehe die Prävention im Vordergrund. „Die meisten reagieren vernünftig“, sagt Gill. Mancher kommt sogar zum Messwagen und begleicht die Strafe sofort.

Ärger gebe es meist nur mit den Pappenheimern, die schon Punkte haben oder denen ein Fahrverbot droht. Deswegen sind Gill und Kollegen an der Technik geschult, kennen deren Eigenheiten und Tücken. Auch Erfahrung ist wichtig. Präzision und Protokoll gehören dazu – um, wenn’s drauf ankommt, Beweis führen zu können. „Sicher sind auch wir nicht fehlerfrei“, sagt Gill. Trotzdem kann er nicht verstehen, dass es zum Sport geworden ist, Technik und Können der Beamten anzufechten. Immerhin löse man erst ab 14 km/h drüber aus, runde nach dem Komma ab und ziehe auch noch 3 km/h bzw. über hundert drei Prozent ab. „Das sind bei der präzisen Technik Toleranzen genug“, sagt Gill. In den meisten Fällen behalte man auch recht.

Ob er sich ärgert, wenn er nach einer halben Stunde mühsamem Aufbau seinen Blitzer im Verkehrsfunk hört? „Da bin ich drüber erhaben“, sagt Gill. Eher ärgere er sich über Leute, die am Blitzer bewusst langsam fahren und den Verkehr ausbremsen. „Damit helfen sie im Zweifel genau den Rasern, die für schwere Unfälle verantwortlich sind, davonzukommen.“