Merken

Unfall untern Tisch gekehrt

Der Angeklagte will nicht bemerkt haben, dass er mit der Kehrmaschine einem Auto den Spiegel abfuhr. Jetzt wird’s teuer.

Teilen
Folgen
NEU!
© Archiv/Sebastian Schultz

Von Jürgen Müller

Meißen. Ein Sperrmüllhaufen am Dobritzer Berg in Meißen wird einem Mitarbeiter des Bauhofes zum Verhängnis. Er ist mit einer Kehrmaschine unterwegs, will dem Sperrmüll, der bis auf die Straße ragt, ausweichen. Doch er hat Gegenverkehr. Statt zu warten, fährt er einfach weiter. Und touchiert einen VW-Transporter, fährt dessen Außenspiegel ab und beschädigt das Fahrzeug.

So weit, so schlecht. Die Sache wäre schnell zu klären gewesen, schließlich ist das Fahrzeug des Meißner Bauhofes versichert. Doch der Fahrer fährt einfach weiter. Kurz danach hält er an, die Geschädigte steigt aus, rennt zu der Kehrmaschine. Kurz bevor sie ran ist, fährt die wieder los. Das wiederholt sich noch ein weiteres Mal. „Er muss mich gesehen haben, ich habe gerufen, mit den Armen gefuchtelt“, sagt die Geschädigte aus der Gemeinde Käbschütztal.

3 000 Euro Schaden?

Doch der Fahrer will nicht nur sie, sondern auch den Unfall nicht bemerkt haben. „Es war laut in dem Auto, ich habe nichts mitgekriegt. Dass es einen Unfall gegeben haben soll, habe ich erst eine Woche später erfahren. Da war die Polizei da“, sagt der 53-Jährige.

Das Verfahren gegen ihn war schon einmal von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Doch dagegen hatte die geschädigte Autofahrerin Einspruch eingelegt. „Es liegt mir nichts daran, dass der Angeklagte bestraft wird. Er hat mich doch nicht totgefahren. Ich möchte lediglich meinen Schaden ersetzt haben“, sagt die 45-Jährige. Sie kann überhaupt nicht verstehen, dass die Stadt Meißen so lange wegen des Schadens streitet.

Deren Versicherung, der Kommunale Schadensausgleich (KSA), hat bis heute nicht bezahlt.

Nach Ansicht der Geschädigten muss sie der Fahrer gesehen haben. Auch den Unfall muss er bemerkt haben. „Es gab einen lauten Knall. Ich dachte, die ganze Seite des Autos sei aufgeschlitzt“, sagt sie. Die Werkstatt hatte einen Kostenvoranschlag gemacht, der einen Schaden von rund 3 000 Euro auswies. Nun, das hat die Werkstatt wohl ein bisschen großzügig kalkuliert und gleich noch ein paar Vorschäden mit berechnet.

Ein technischer Sachverständiger jedenfalls kommt zu einem etwas anderen Ergebnis. Er taxiert den Schaden auf 1 620 Euro. Der Gutachter kommt noch zu einem weiteren, eindeutigen Befund. Der Angeklagte muss zwingend den Unfall bemerkt haben.

Kein Fahrverbot

Richterin Ute Wehner gibt der Geschädigten den Tipp, sich einen Anwalt zu nehmen und die Stadt zu verklagen. Denn von einer strafrechtlichen Verurteilung hat die Geschädigte gar nichts, sie muss den Schaden zivilrechtlich einklagen. Immerhin deutet die Richterin damit an, wohin die Reise geht. Sie wird den Angeklagten schuldig sprechen. Das bringt diesen auf Anraten seiner Anwältin dazu, den Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Höhe der Strafe zu beschränken.

Damit gibt er zu, dass er Unfallflucht begangen hat, und wird zu einer Geldstrafe von 1 200 Euro verurteilt. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens, also auch für das Gutachten, tragen. Hinzu kommen drei Punkte in Flensburg. Erspart bleibt ihm das dreimonatige Fahrverbot, wie es im Strafbefehl stand. Staatsanwältin Yvonne Birke hatte zwar einen Monat Fahrverbot gefordert, doch die Richterin verzichtet ganz darauf. Die Tat liege lange zurück, außerdem sei der Mann bisher nicht durch Straftaten auffällig geworden, begründet sie.

Der KSA wird nun hoffentlich nach eineinhalb Jahren den Schaden begleichen. Und sich wohl das Geld von dem Angeklagten zurückholen.