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Warum macht Stefan Raab immer noch so viele verrückt?

Viele glaubten erst an einen Aprilscherz. Aber Stefan Raab zieht es offensichtlich zurück in die Öffentlichkeit. Im September will er gegen Regina Halmich boxen.

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2007 standen Regina Halmich und Stefan Raab schon einmal im Boxring.
2007 standen Regina Halmich und Stefan Raab schon einmal im Boxring. © Rolf Vennenbernd/dpa

Düsseldorf/Karlsruhe. Knapp zehn Jahre nach dem Bildschirm-Abschied von Stefan Raab deutet alles auf seine Rückkehr ins Rampenlicht - es werden Tickets für einen Schau-Boxkampf mit ihm verkauft.

Am Dienstagmittag wurden auf der Webseite des Dienstleisters Eventim Karten für "The Final Fight" gegen Ex-Profiboxerin Regina Halmich am 14. September im Düsseldorfer PSD Bank Dome in Aussicht gestellt. Zuvor hatte Halmich in einem dpa-Interview eine Ankündigung von Raab bestätigt. Weil dessen Video auf Instagram am 1. April veröffentlicht worden war, hatte es erst Zweifel an der Veranstaltung gegeben. "Er ist der Meister der Show, der Inszenierung. Ich glaube, dass da was ganz Großes kommen wird", sagt Halmich.

Der frühere TV-Moderator (57, "TV total") hat gegen die Ex-Profiboxerin Halmich (47) aus Karlsruhe in den Jahren 2001 und 2007 schon zwei Niederlagen in Schaukämpfen kassiert. "In den ersten zwei Kämpfen habe ich ihm gezeigt, wo es langgeht, habe ihm sogar die Nase gebrochen", so Halmich. "Ich denke, er spekuliert jetzt vielleicht, dass ich nicht mehr so fit bin und dass er jetzt die besseren Chancen hat, gegen mich zu gewinnen. Aber ich muss sagen, da werde ich ihm einen Strich durch die Rechnung machen."

Warum macht Stefan Raab immer noch so viele verrückt?

Im Jahr 2015, als Stefan Raabs Abschied vom Fernsehbildschirm schon längst feststand, lieferte der "Raabinator" noch einmal die ganze große Show ab. Beim Deutschen Comedypreis wurde ihm eine Ehren-Auszeichnung zuerkannt - aber wie so oft bei Raab war der Anlass relativ zweitrangig für das, was folgte. "König Lustig" kaperte die Bühne, witzelte, trällerte - und sang ein paar Zeilen aus dem von Melancholie und Sehnsucht durchtränkten Schunkler "Kölsche Jung", den schon Willy Millowitsch, ein Lokalheiliger aus Raabs Heimatstadt Köln, gesungen hatte. Man könnte sagen: Er setzte damit selbst den Grundton für die folgenden Jahre. Denn mit jedem Tag, an dem Raab weg war, schienen die Sehnsüchte nach einer Rückkehr bei seinen Fans größer zu werden.

Vielleicht ist so zu erklären, was sich über die Osterfeiertage fast zehn Jahre später abspielte. Nachdem auf Raabs Social-Media-Kanal - lange brachliegend - Videos aufgetaucht waren, die eine Rückkehr andeuteten, entlud sich etwas. Zwischen Eierlikör und Schoko-Hasen kam man kaum an den Clips vorbei, schaute man nur kurz ins Netz. Manche vermuteten einen Aprilscherz, andere das lang ersehnte Lebenszeichen des TV-Erlösers.

Raab katapultiert sein Publikum also gedanklich in eine Zeit zurück, an die es recht warme Erinnerungen haben dürfte. Rund um die Jahrtausend-Wende galt der einstige Metzger-Lehrling aus Köln-Sülz mit seiner Anarcho-Art als ultimativer Erneuerer der TV-Unterhaltung. Für seine Sendungen blieben Teenager länger wach - während ihre Eltern nicht verstanden, was Raab da trieb. Oder die Nasen rümpften.

Mittlerweile ist Raab allerdings 57 Jahre alt und die Zeiten - gerade auch in der Unterhaltung - haben sich geändert. Streaming, Social Media, neue Spieler, auch mitunter andere Ansprüche an die Haltung, mit der Spaß fabriziert wird. Warum wird Raab dennoch in Teilen offenbar so herbeigesehnt? Als er eine Rückkehr in einem ersten Video mit der Marke von 9 Millionen Followern verband, wurden es zwar nicht ganz so viele - aber mehr als 2,8 Millionen sind es mittlerweile. Ist das alles Nostalgie?

Von dieser Frage ist Marcus S. Kleiner, Professor für Medienwissenschaft an der SRH Berlin University of Applied Sciences, ebenfalls fasziniert. "Ich finde den Hype um Raab ganz erstaunlich. Denn der ist aus meiner Sicht nicht selbstverständlich", sagt er. "Würde Harald Schmidt ein Comeback als Moderator ankündigen, wäre der Hype sicherlich nicht so groß. Aber die TV-Nation giert offenbar nach Raab."

"Kampf der Kulturen"

Für Kleiner zeigt sich darin auch ein "Kampf der Kulturen". Denn: Menschen, die nach dem Jahr 2000 geboren wurden, werden von Raabs Wirken gar nicht mehr so viel mitbekommen haben. 2015 verabschiedete er sich vom Bildschirm und wirkte fortan hinter den Kulissen. 2018 trat er mit einem Bühnen-Programm auf, das aber nicht im Fernsehen übertragen wurde und somit kein Massenpublikum erreichte.

"Meinen Studierenden ist Raab komplett egal", berichtet Kleiner, der auch Autor ist. Raab adressiere mittlerweile klar ein älteres Publikum. "Es trifft also offenbar eine TV-Nostalgie-Gesellschaft auf eine Streaming-Generation", sagt Kleiner. "Und an dem Hype zeigt sich, dass das klassische TV-Publikum offenbar immer noch sehr mächtig und wichtig ist."

Raab sei Repräsentant "der alten TV-Spaßgesellschaft", die man aus der Zeit rund um den Jahrtausendwechsel kenne. Und von der manch einer glaubte, sie sei Vergangenheit. "Aber es scheint so zu sein, dass man sich in Krisenzeiten, wie wir sie aktuell haben, nach einem Erlöser sehnt", sagt Kleiner. Anders seien manche Kommentare kaum zu verstehen. "Man hatte den Eindruck, als könne Raab die Kriege dieser Welt befrieden."

Als Raab 2015 beim Deutschen Comedypreis sein Lied sang, schmachtete er auch diese Zeile, hier mal ins Hochdeutsche übersetzt: "Ich bin ein Kölner Junge, was willst du machen? Ich bin ein Kölner Junge und lache gerne."

Vielleicht ist das auch fast das ganze Geheimnis. (dpa)