Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Unterwegs auf einem Springbock

Marcus Dachsel fährt ein altes D-Rad. Am Wochenende knattern die Oldtimer von Wilsdruff auch durch Meißen und Moritzburg.

Teilen
Folgen
NEU!
© Annett Heyse

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Nein, von einem „Motorsound“ im modernen Sinne kann wirklich nicht die Rede sein, als Marcus Dachsel die Maschine ankickt. Diese schüttelt und rüttelt sich, gibt ein Husten und Knattern von sich, ein Höllenlärm entsteht am Dorfrand von Blankenstein bei Tanneberg, Benzinschwaden ziehen über die Wiese. „Ist ein Vier-Takt-Motor“, schreit Dachsel und schwingt sich auf den Fahrersitz. Langsam rollt das D-Rad an. Noch kurvt der Blankensteiner allein über das Kopfsteinpflaster nahe der Kirche. Am Wochenende aber wird es hier voll und noch viel lauter. Dann treffen sich D-Rad-Besitzer aus ganz Europa.

Rund 60 000 Motorräder der Marke verließen zwischen 1923 und 1932 einst die Deutschen Industriewerke, später Deutsche Kraftfahrzeugwerke, in Berlin-Spandau. Allein das Modell, welches Dachsel fährt, eine R0/4, wurde 25 000 Mal gebaut. „Damit schaffte das Unternehmen im Motorradbereich den Durchbruch, das war der erste Verkaufsschlager“, berichtet der Blankensteiner. Das Logo: eine zum dreieckigen D gekrümmte grüne Schlange.

Nur wenige Maschinen haben die Jahrzehnte überstanden, aber deutlich mehr als einhundert müsste es noch geben, schätzt Marcus Dachsel. Für Oldtimer hat sich der 28-Jährige schon immer interessiert. Zunächst aber fuhr er wie alle Jungs vom Dorf eine Simson. „Von da an wurden meine Maschinen immer älter“, sagt er. Kaum im Motorradalter angekommen, erstand er eine MZ RT, gebaut Anfang der Fünfzigerjahre. Die hatte immerhin schon 125 Kubikzentimeter. Dann kam eine BMW Baujahr 1930 hinzu. Mit der war er 2006 beim Oldtimer-Treffen in Grillenburg dabei. „Als ich so über den Platz bummelte und mir die anderen Maschinen ansah, entdeckte ich ein D-Rad“, erinnert er sich.

Aus dem Programm

Das Fahrerlager ist auf dem Festplatz, Kirchweg1 in Wilsdruff eingerichtet.

Die große Ausfahrt findet am Sonnabend statt. Start ist 8.30Uhr in Richtung Landberg. Von dort geht es nach Wilsdruff, Meißen, Moritzburg und wieder zurück nach Wilsdruff.

Besucher und Zuschauer sind gerne willkommen. Am Sonnabend ab etwa 17Uhr sind alle wieder auf der Festwiese.

Abreise ist am Sonntagvormittag.

1 / 4

Sofort gefiel ihm die 500-Kubikzentimeter-Maschine. Und erst das Motorengeräusch! „So ein richtiges Röhren. Die ersten Motorräder hatten ja Null Schalldämmung.“ Dachsel schwatzte mit einem Dorfhainer, der ein D-Rad hat und begann, im Internet nach einer solchen Maschine zu suchen. Nach zwei Jahren wurde er fündig. „Ein älterer Herr aus Gießen, der keine Zeit mehr für das Hobby hatte, verkaufte die mir.“ Den genauen Preis will Marcus Dachsel nicht nennen. Nur soviel: Für ein D-Rad sollte man eine Summe ab 10 000 Euro aufwärts einplanen.

Sein D-Rad ist Baujahr 1924 und schafft immerhin 90 Stundenkilometer. Aber dafür müsse man schon gute Nerven haben, sagt Dachsel. Nicht umsonst hätte die R0/4 und ihre Nachfolgemodelle auch den Spitznamen „Spandauer Springbock“ bekommen. „Besser, man fährt sie mit 60 km/h. Das ist noch eine angenehme Reisegeschwindigkeit.“ Wobei der Begriff angenehm nicht mit heutigen Maßstäben verglichen werden darf. Das D-Rad ist nämlich nicht nur laut, sondern auch fahrtechnisch gewöhnungsbedürftig.

Gefedert ist lediglich der Fahrersitz. Der Sozius muss auf einem zusätzlich auf den Gepäckträger geschnallten Sitz Platz nehmen. Die Hinterradbremse wird mit dem linken statt mit dem rechten Fuß betätigt. Gekuppelt wird per Fuß, geschalten mit der Hand. Der Ganghebel befindet sich links neben dem Tank. „Da muss man sich ganz schön umstellen und beim Fahren konzentrieren“, berichtet Marcus Dachsel.

Karbidlampe statt Scheinwerfer

Die Technik des D-Rades ist dagegen relativ simpel, sollte mal etwas kaputt gehen. In Internet-Foren tauschen sich die D-Rad-Fahrer über Probleme, Reparaturvorschläge, Tricks und Kniffe aus. Weil Original-Ersatzteile nur noch schwer aufzutreiben sind, müssen Bauteile angefertigt werden.

Abenteuerlich ist die Sicherheitsausstattung des Motorrades. Das Tempo wird per Keilbremse – ähnlich wie bei einer Kutsche – gedrosselt. Die ersten Modelle hatten auch keinerlei elektrisches Licht. Lediglich eine Karbidlampe, die per Streichholz angezündet wurde, diente als Beleuchtung – von Scheinwerfer oder Rücklicht kann keine Rede sein. „Deshalb darf ich die Maschine auch nur bei ausreichend Tageslicht fahren“, sagt Marcus Dachsel. Das moderne Kennzeichen übrigens schnallt er sich an den Rucksack.

Für die Vorbereitungen des Treffens hat der Blankensteiner, der als selbstständiger Handwerker arbeitet, viel Zeit investiert. Unterstützt wird er vom Ortschaftsrat und der Stadt Wilsdruff sowie zahlreichen Wilsdruffer Firmen, vor allem aber von den Heimatfreunden Blankenstein. Zum Treffen haben sich 140 D-Rad-Fans angemeldet, zu sehen sein werden wohl fast 100 Motorräder. Und wenn die am Sonnabend 8.30 Uhr zur großen Rundfahrt starten, dürfte es richtig laut werden. Und intensiv nach Benzin riechen.

www.d-rad.ch