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Uropas Tischlerei wird zur Einkehr

Mathias Dobrinski richtet nach über 100 Jahren sein Erbe her und öffnet es für Gäste: ein Berggießhübler Haus, das Geschichte schrieb.

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© Daniel Schäfer

Von Heike Sabel

Berggießhübel. Er verbrachte die Ferien seiner Kindheit immer in Berggießhübel bei der Oma. Als die 1988 starb, wollte keiner das Haus. Mathias Dobrinski nahm das Erbe an. Nach der Wende begann er es zu sanieren, doch es sollte noch 20 Jahre dauern, bis er ihm wieder Leben einhauchte.

Dieses Foto wurde etwa 1937/38 aufgenommen.
Dieses Foto wurde etwa 1937/38 aufgenommen. © privat

Zu DDR-Zeiten befanden sich die volkseigene Knopffabrik und ein Lager darin. Er habe das Objekt direkt an der Gottleuba nie aufgegeben, sagt Dobrinski. Schließlich ist die Geschichte seiner Familie seit 1906 mit dem Grundstück verbunden. Hundert Jahre Familien-, Stadt- und Weltgeschichte mit Unglücken, Krieg, Wiederaufbau und Neuanfang.

Waffenschule fast ohne Waffen

Nach der Wende verpachtete Dobrinski das Objekt zunächst an einen Behindertenverband. Der wollte ein Hotel von und für Behinderte einrichten. Das Konzept sei aber nicht aufgegangen, sagt Dobrinski und baute dann Ferienwohnungen ein. Ab und zu kam Dobrinski von Berlin, wo er seit DDR-Zeiten wohnt, nach Berggießhübel. Ganz vergessen hat er den kleinen Ort seiner Kindheit nie, aber er blieb eine Episode. Eine mit Folgen. Er lernte hier seine aus Langenhennersdorf stammende Frau kennen, die mit ihm in die Hauptstadt zog.

Dort hatte Mathias Dobrinski vor elf Jahren begonnen, einen Waffenhandel und eine Waffenschule aufzubauen. „Keine Schießerei“, sagt er, „sondern Fachkunde-Ausbildung für Händler und auch Filmleute, mit Zulassung vom Berliner Landeskriminalamt.“ Sein Fuhrgeschäft gab er auf. Heute ist der Reserve-Oberfeldwebel im Wachbataillon froh darüber. Im Berggießhübler Haus führt er Lehrgänge seiner Waffenschule durch. Waffen werden hier weder gelagert noch werden sie ausprobiert, sagt er. „Und wenn doch mal ein Lehrer Waffen als Anschauungsmaterial mitbringt, nimmt er sie sofort wieder mit.“ Es sei viel Theorie. „Wer mehr erwartet, erwartet zu viel.“

Trotzdem: Wenn die Teilnehmer der Lehrgänge dann im Umfeld abends in den Gaststätten sitzen und von den Waffen reden, könnte das manche verschrecken. So die Überlegungen von Susan und Mathias Dobrinski. So kam zum Schulungsraum ein Aufenthaltsraum, dem sie den Namen Bruno Haensel gaben und der auch für Feiern vermietet wird. Der Schriftzug „Bau- und Möbeltischlerei Bruno Haensel“ außen am Haus wurde gerade erst in Ordnung gebracht.

Immerhin hat Bruno Haensel die Familie, das Haus und ein bisschen auch den Ort geprägt. Bruno Haensel hatte die 1450 erstmals erwähnte Mühle 1906 von Richard Köhler gekauft. Beim Gottleuba-Hochwasser am 8. Juli 1927 rissen die Wassermassen seine Frau Lina Haensel und das Haus vor seinen Augen und denen der Kinder weg. Ihre Leiche wurde 200 Meter flussabwärts gefunden. Haensel baute das Haus noch zwei Mal wieder auf. Das zweite Mal war es Weihnachten 1945 zerstört worden. Weil Haensels Schwiegersohn, dem er die Tischlerei vor dem Zweiten Weltkrieg übertrug, aus dem Krieg nicht zurückkam, führte Haensel sie und eine Fischzucht mit Landwirtschaft bis zu seinem Tod in den 1950er Jahren weiter.

Eine Bank aus Berlin

Sein Urenkel und dessen Frau gehen nun noch einen Schritt weiter und richten im Nebengebäude einen „Markt und Einkehr“ ein. Hier soll es ab September Regionales geben und man kann schnell auf ein Bier oder Eis einkehren. Susan Dobrinski hat schon einen Berggießhübel-Kalender für 2019 hergestellt. „Markt und Einkehr“ soll keine Konkurrenz für die Geschäfte oder Gaststätten im Umfeld sein, sondern eine Lücke schließen. Einfach, rustikal, einladend, sagen sie. Eine Sitzbank haben sie in Berlin in einem geschlossenen Eiscafé ausgebaut. Die wird nun aufgearbeitet und in die Einkehr gestellt. Eine Hausdame soll das Geschäft montags bis freitags führen. Die Dobrinskis pendeln nach wie vor zwischen Berlin und Berggießhübel. Sie werden wohl in Berlin wohnen bleiben. Das Herz aber führt sie immer öfter nach Berggießhübel.