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Vattenfall stoppt Milliardeninvestition

Der Bergbau- und Energiekonzern Vattenfall stellt seine Planungen für ein neues Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde ein. Das beschloss gestern der Aufsichtsrat des Unternehmens. Der Konzern wollte in die neue 300-Megawatt-Anlage etwa 1,5 Milliarden Euro investieren.

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Von Tilo Berger, Cottbus

Der Bergbau- und Energiekonzern Vattenfall stellt seine Planungen für ein neues Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde ein. Das beschloss gestern der Aufsichtsrat des Unternehmens. Der Konzern wollte in die neue 300-Megawatt-Anlage etwa 1,5 Milliarden Euro investieren. Das Kraftwerk sollte 2015 in Betrieb gehen und nach der CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) zur Abtrennung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid arbeiten. Dazu bedürfte es allerdings eines entsprechenden Gesetzes. Das gibt es in Deutschland trotz zweier Anläufe bisher nicht. Erstmals scheiterte ein Gesetzentwurf 2009. Vor knapp drei Monaten versagte der Bundesrat einem neuen Gesetzentwurf seine Zustimmung. Zwar rief die Bundesregierung daraufhin den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat an, doch dieser vertagte sich bisher zweimal ergebnislos.

Vattenfalls Deutschland-Chef Tuomo Hatakka fand dafür deutliche Worte: „Wir müssen leider feststellen, dass es in der deutschen Bundespolitik derzeit keinen hinreichenden Willen gibt, die europäische Richtlinie so umzusetzen, dass ein CCS-Demonstrationsprojekt in Deutschland möglich würde. Das ist ein herber Rückschlag für Innovation, Klimaschutz und die deutsche Wirtschaft.“ Das Aus für das Demo-Kraftwerk sei auch bedauerlich für viele regionale Unternehmen, die von der Investition profitiert hätten. Mit den Planungen für das Demonstrationskraftwerk stoppt Vattenfall auch die Erkundung möglicher -Lagerstätten in Ostbrandenburg. Dort hatte es gegen die Pläne zum Einlagern des Kohlendioxids aus dem Demo-Kraftwerk massive Proteste gegeben. Außerdem verzichtet Vattenfall auf Fördergelder der Europäischen Union, die das Vorhaben in Jänschwalde mit mehreren Hundert Millionen Euro bezuschussen wollte.

An der CCS-Technik, der Braunkohle und dem Kraftwerksstandort Jänschwalde will der Konzern aber festhalten. Braunkohle stehe ausreichend und kostengünstig als Partner der erneuerbaren Energien zur Verfügung, versicherte der Chef der Tagebau- und Kraftwerkssparte, Hartmuth Zeiß. Seine CCS-Versuchsanlage in Schwarze Pumpe will Vattenfall weiter betreiben und die Erkenntnisse in die europa- und weltweiten Forschungen zur Drosselung des Kohlendioxid-Ausstoßes beisteuern. Nach 2020 will Vattenfall in Jänschwalde ein Großkraftwerk mit der neuen Technologie bauen. „Wir werden CCS jetzt also nicht selbst entwickeln, sondern später als Paket auf dem Weltmarkt einkaufen“, sagte Zeiß. „Wenn Deutschland seinen Technologie-Vorsprung nicht nutzt, dann werden es vielleicht Großbritannien oder Polen tun, möglicherweise auch Industrienationen auf anderen Kontinenten“, sagte Zeiß gestern Abend auf der traditionellen Barbara-Feier des Unternehmens, mit der alljährlich Bergleute ihrer Schutzheiligen huldigen.

Das ABC der Energiewende

Zeiß ordnete die Braunkohle in den Energiemix mit anderen Stromquellen ein. „Wer A wie Atomausstieg sagt, muss auch B wie Braunkohle sagen und fossile Brennstoffe stärker nutzen.“ Schließlich verzichte Deutschland mit der Atomenergie auf fast ein Viertel seiner derzeitigen Stromquellen. „Wer aber B wie Braunkohle sagt und einen besseren Klimaschutz will, der kommt auf Dauer an C wie CCS nicht vorbei. Und das sollte uns eigentlich, der Logik folgend, direkt zu D wie Demonstrationsanlage führen.“ Allerdings folgten politische Entscheidungen nicht immer einer einfachen Logik, kritisierte Zeiß.

Mit dem Verzicht auf das Demo-Kraftwerk lasse der Konzern nur einen Schritt aus. „CCS ist und bleibt eine der entscheidenden Technologien zum globalen Klimaschutz. Auch wenn wir unser Demo-Projekt nun nicht realisieren können, werden wir weiterhin an CCS festhalten“, betonte Deutschland-Chef Hatakka. Bis das neue Kraftwerk in Jänschwalde etwa um 2030 den Betrieb aufnimmt, hofft Vattenfall auf eine europäische Lösung zum Transport und unterirdischen Einspeichern von Kohlendioxid. Die Entscheidung zum Ersatz des jetzigen Jänschwalder Kraftwerkes aus den 1980er-Jahren durch eine CCS-Anlage solle in den nächsten fünf bis zehn Jahren fallen.

Die anderen Vattenfall-Kraftwerke in Boxberg und Schwarze Pumpe erreichen das Ende ihrer Betriebszeit nach 2030. Ihre Nachrüstung mit CCS-Technik ist vorerst nicht vorgesehen.Kommentar