Vergewaltigungsprozess endet mit Teilfreispruch
Von Alexander Schneider
Dresden. Einen Monat verhandelte das Amtsgericht Dresden gegen einen 21-jährigen Angeklagten. In dem nichtöffentlichen Verfahren wurden drei Anklagen gegen den Flüchtling aus Syrien verlesen. Es ging unter anderem um Drogengeschichten, Diebstähle, Autoaufbrüche – und eine mutmaßliche Vergewaltigung Ende November 2017. Seit dieser letzten Tat saß der Angeklagte in Untersuchungshaft.
Die Geschädigte, eine 44-jährige Sozialarbeiterin hatte ihren damals 20-jährigen Klienten unmittelbar nach dem sexuellen Übergriff in dessen Wohnung in Dresden-Gorbitz angezeigt. Am Mittwochnachmittag nun das überraschende Urteil: Der junge Mann wurde vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Das Jugendschöffengericht verurteilte den Syrer wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, Diebstahls in zehn Fällen und wegen Schwarzfahrens in zwei weiteren Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die es zur Bewährung aussetzte. Weitere Vorwürfe wurden eingestellt.
Staatsanwalt Steve Schulze-Reinhold, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, erklärte die überraschende Entscheidung damit, dass dem Angeklagten kein Tatvorsatz nachzuweisen sei. Daher habe auch die Staatsanwaltschaft für den Vorwurf der Vergewaltigung Freispruch beantragt. Mehr Angaben machte der Behördensprecher mit Verweis auf das nichtöffentliche Jugendverfahren nicht.
Polizeibericht vom 5. April
Richter Markus Vogel, der Vorsitzende des Schöffengerichts, hatte die Öffentlichkeit bereits vor Verlesung der Anklageschriften ausgeschlossen. Er begründete die Entscheidung vor allem mit dem Schutz der Privatsphäre der Geschädigten, doch auch der Angeklagte, der von einem psychiatrischen Sachverständigen begutachtet wurde, habe ein Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit.
Um die subjektive Seite einer Tat in einem Prozess zu beleuchten, muss das Gericht zuvor von der objektiven Tat – hier: der Vergewaltigung – überzeugt sein. Erst dann geht es um die Schuld eines Angeklagten. Verteidigerin Ina Becherer verwies auf die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung: „Es gilt aber immer: Der Täter muss erkennen, dass das Opfer das nicht will.“
Rechtsanwältin Gesa Israel, sie vertrat die Sozialarbeiterin als Nebenklägerin, sagte, sie sei von dem Freispruch nicht überzeugt. Jedoch werde sie das Urteil nun nicht anfechten. Für ihre Mandantin sei besonders schlimm, dass die Tat auch noch bekannt geworden sei.
Was genau passiert ist, als die Sozialarbeiterin den jungen Mann dienstlich in seiner Wohnung aufgesucht hatte, bleibt offen. Die Frau war im Auftrag der Jugendgerichtshilfe mit der Betreuung des straffällig gewordenen Syrers befasst. Seit der Tat debattieren Dresdner Betreuungsorganisationen, wie die Caritas, wie man den Schutz von Sozialarbeitern verbessern könnte. Das Problem ist, dass viel zu wenige Mitarbeiter zu viele Klienten haben und sie die auch zu Hause aufsuchen müssen. Spekuliert wurde am Rande des Prozesses auch über eine nicht-professionelle Nähe zwischen Sozialarbeitern und ihren Klienten.