Von Daniel Förster
Pirna. In einem Mehrfamilienhaus in Pirna-Copitz ist am Montagmittag hochgiftiges Kohlenmonoxid ausgeströmt. Mehrere Personen wurden dabei verletzt. Dank Alarmmelder an Notfallrucksäcken konnte der Rettungsdienst allerdings Schlimmeres verhindern.
Kohlenmonoxid-Austritt in Pirnaer Mehrfamilienhaus
Kühlanlagenmonteur Friedbert F. (71) aus Bad Gottleuba-Berggießhübel hatte den freien Tag in der Backstube nutzen wollen, um an der Anlage Wartungsarbeiten zu durchzuführen. Gegen Mittag war der Fachmann, der für eine Spezialfirma für Kältetechnik und Automatisierung im Bannewitzer Ortsteil Possendorf tätig ist, plötzlich zusammengebrochen. Er übergab sich. Nach dem Notruf eilten 12.15 Uhr Rettungsdienst und Notarzt zu dem Mehrfamilienhaus. „Wir hatten Glück“, sagt Notärztin Dr. Ute Close. „Die Kohlenmonoxid-Melder, die Rettungsassistenten bei uns seit etwa einem Jahr an den Rettungsrucksäcken tragen, haben, als wir das Haus betraten, sofort Alarm gegeben. Dadurch bekamen wir schnell mit, dass Giftgas im Spiel ist. Auch die Symptome sprachen für eine Kohlenmonoxid-Vergiftung.“
Der Einsatz war für die Rettungskräfte nicht ungefährlich. Kohlenstoffmonoxid bindet sich etwa 250 bis 325-mal stärker an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin als Sauerstoff. Das Einatmen verursacht innerhalb kurzer Zeit schwere Schäden und kann tödlich sein. „Das Gas kann man weder sehen, noch riechen, noch schmecken“, so Dr. Close.
Der verunglückte Monteur kam sofort ins Klinikum Pirna. Dort bestätigten sich der stark erhöhte Kohlenmonoxid-Wert im Blut und der Verdacht der Ärztin auf eine Kohlenmonoxid-Vergiftung. Auch die herbei gerufene Feuerwehr der Hauptwache Pirna und der Wache Copitz konnten mit ihrer Spezialtechnik überall das Gas feststellen: in sämtlichen Wohnungen, in der Backstube samt Verkaufsraum und Café.
Die Brandschützer evakuierten daraufhin alle Bewohner des Wohn- und Geschäftshauses: die Bäckerfamilie mit Manfred L. (77), Bäckermeister i. R., seine Frau Margarete (75) und Sohn Jens (56), ein Ehepaar mit einer 63-jährigen Frau und einem 75 Jahre alten Mann sowie einen 27-jährigen Mieter. Weiteres Rettungspersonal und Rettungsfahrzeuge waren vor Ort, um sie zu betreuen. Noch vor Ort checkte die Notärztin auch die Bewohner, machte ein EKG und gab ihnen Sauerstoff.
Christopher Neidhardt, organisatorischer Leiter des Rettungsdienstes: „Mit Rettungswagen wurden weitere sechs Betroffene, bei denen wir nicht wussten, wie viel Kohlenmonoxid sie eingeatmet haben, zur ärztlichen Untersuchung in umliegenden Krankenhäuser Pirna, Dresden-Friedrichstadt, St. Josef-Stift Dresden und in die Dresdner Uniklinik gebracht.“ Nur dort steht die Technik zur Verfügung, mit der die Blutwerte eindeutig bestimmen werden können. Ärzte stellten später auch bei den anderen Bewohnern wenn auch eine geringere Konzentration von Kohlenmonoxid im Blut fest. „Es ist schwierig, Kohlenmonoxid aus dem Blut wieder zu binden. Wenn nötig, müssen Patienten zur Beatmung sogar in die Druckkammer“, erklärt Rettungsassistent Christopher Neidhardt.
Die Polizei konnte den Gasaustritt bislang nicht erklären. Weder die Ursache noch wo das Kohlenmonoxid herkommt. „Es ist alles suspekt“, sagt ein Beamter. Auch die Feuerwehrleute, die mit Atemschutz ausgerüstet sämtliche Räume belüfteten und überall mehrmals die Kohlenmonoxid-Gehalt maßen, rätselten über die Ursache. Peter Kammel, Einsatzleiter der Feuerwehr Pirna. „Kohlenmonoxid bildet sich eigentlich nicht beim Austritt von Kältemitteln.“ Möglicherweise gab es irgendwo eine chemische Reaktion. Noch am späten Abend begann die Kriminalpolizei mit den Ermittlungen. Ein Kriminaltechniker untersuchte auch den Bäckerei-Anbau im Hof hinter dem Mehrfamilienhaus. Dort war der Monteur am Mittag zusammengebrochen. Aber auch einen Ofen im Keller nahm er unter die Lupe.