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Viel Teppich für die Kanzlerin

Reise. Diplomaten haben den USA-Besuch von Angela Merkel als einen Maximalerfolg bewertet.

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Von Markus Günther,SZ-Korrespondent in Washington

Unter anderen Umständen wäre die Art des Händedrucks schon ein Thema für sich oder die Sitzordnung beim Mittagessen oder die deutsche Flagge über dem Gästehaus der US-Regierung schräg gegenüber vom Weißen Haus. Die sorgfältig inszenierten Bilder des freundschaftlichen Neubeginns im deutsch-amerikanischen Verhältnis wären die Botschaft selbst. Angela Merkels Besuch im Weißen Haus sollte ja vor allem ein Besuch der kleinen Gesten und großen Worte werden, ohne substanzielle Verhandlungen und Entscheidungen, aber gerade deshalb garantiert erfolgreich.

Rolle als Vermittlerin

Doch es bleibt keine Zeit für einen unbeschwerten Antrittsbesuch. Der Konflikt um die nuklearen Ambitionen des Iran eskaliert; die Konsequenzen könnten dramatisch sein. Und so findet sich Angela Merkel in der Rolle der Krisenmanagerin wieder. „Es ist entscheidend, dass der Iran versteht, wie ernst es uns ist“, sagt Merkel nach dem Gespräch mit Bush. Die Einzelheiten des weiteren Vorgehens lassen beide offen, doch der Ton ist unmissverständlich. „Wir werden uns von einem Land wie dem Iran nicht einschüchtern lassen“, sagt Merkel, „wir müssen möglichst viele Länder in der Welt dafür gewinnen, dem Iran mit einer starken gemeinsamen Position entgegenzutreten.“ Auch Bush lässt keinen Zweifel an seiner Haltung, auch wenn er der Frage nach einer „militärischen Option“ ausweicht. „Das Ergebnis unserer Bemühungen muss in jedem Fall sein, dass der Iran keine Atomwaffen entwickeln kann.“

Auch bei fast allen anderen Themen demonstrieren Bush und Merkel Einigkeit. Ob in Afghanistan oder im Irak, im Handelsstreit mit China oder beim Friedensprozess im Nahen Osten: Beide sprechen immer wieder von den gemeinsamen Interessen Deutschlands und der USA. Und dort, wo Konflikte im Raum stehen, geben sich beide einsilbig. Von BND-Aktivitäten im Irak, sagt Bush, habe er zum ersten Mal gehört, als die Kanzlerin das Thema angesprochen habe.

Bei so viel ernster Politik soll das Atmosphärische nicht unbemerkt bleiben. Deshalb bemühen sich Bush und Merkel, den neuen Ton deutlich zu machen. Bush lobt Merkel in den höchsten Tönen: „Ich habe erst einmal alle aus dem Raum geschickt, außer der Kanzlerin. Mein Eindruck in unserem 45-Minuten-Gespräch unter vier Augen war unglaublich positiv. Sie ist klug und kompetent. Sie hat Ausstrahlung, und sie liebt die Freiheit. Es hat mich sehr berührt, von ihren Jugenderfahrungen in Ostdeutschland zu hören.“ Angela Merkel hat Pluspunkte gesammelt, oder wie sie es formuliert: „Ob das ein neues Kapitel in den deutsch-amerikanischen Beziehungen ist, weiß ich nicht. Aber ich glaube, ich habe heute einen Schritt in die richtige Richtung getan.“

Deutsche Diplomaten vermerken begeistert: „So viel roter Teppich ist hier noch nie für einen deutschen Kanzler ausgerollt worden.“ Die amerikanischen Erwartungen an die Zusammenarbeit mit Angela Merkel seien jetzt außerordentlich hoch, heißt es in der deutschen Delegation. Ähnlich klingt es auf amerikanischer Seite. Merkel, heißt es in Washington, könne eine Vermittlerin zwischen den USA und Russland, aber auch zwischen den USA und Frankreich werden. Bei der Frage, ob es mit Merkel leichter sei als mit Schröder, lacht Bush und zieht vielsagend die Augenbrauen hoch. Und freundlich, fast ein bisschen gönnerhaft, sagt er: „Schöne Grüße an Gerhard Schröder. Ich hoffe, es geht ihm gut.“

Vorabkritik an Guantanamo

Für Angela Merkel hat es sich auch ausgezahlt, dass sie schon vor der Reise das Gefangenenlager Guantanamo kritisiert hatte. Dadurch hatte sie der Kritik an Bush in Deutschland Rechnung getragen und den Verdacht entkräftet, sie werde nun in blinder Gefolgschaft Bush zu Diensten sein. Ob es stimmt, dass das Kanzleramt die US-Regierung schon vorab auf die Guantanamo-Kritik schonend vorbereitet habe, tut nicht viel zur Sache. Den Ton, den Merkel angeschlagen hatte – kritisch, aber freundschaftlich – fand man im Weißen Haus durchaus akzeptabel. Deshalb wies man die deutschen Mahnungen auch nur mit gedämpfter Lautstärke zurück. Außerdem waren Gäste und Gastgeber erleichtert, dass der kritische Teil schon abgehandelt war, bevor der Besuch begann. In der Pressekonferenz hielten sich Bush und Merkel mit den Fragen nach Guantanamo nicht lange auf. Der Besuch wird als Maximalerfolg bilanziert, als die Kanzlerin die Rückreise antritt.

Bestform bei jedem Termin

Bei jedem einzelnen Termin zeigte sich Merkel in Bestform. Eine illustre Runde mit Colin Powell, Alan Greenspan, Madeleine Albright und anderen Ehrengästen beeindruckte sie mit Humor und Offenheit. Und die Sympathie, die ihr entgegenschlug, schien die Kanzlerin noch gelassener und selbstbewusster zu machen: „Ich bin zu Gast bei Freunden. Das spüre ich“, sagte die Kanzlerin vor 180 Gästen in der deutschen Botschaft.

Doch die positive Resonanz beschränkt sich natürlich auf die politische Klasse in Washington. Dass die USA Angela Merkel begeistert aufgenommen habe, wäre schon deshalb eine maßlose Übertreibung, weil die meisten Amerikaner Merkel auch weiterhin nicht kennen. Nur in wenigen amerikanischen Medien findet ihr Besuch überhaupt Erwähnung. Das ging Schröder aber nicht anders.