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Vom Dach an den Schreibtisch

Der Löbauer Ronny Seibt hat einen traditionsreichen Dachdeckerbetrieb in Löbau übernommen. Die Auftragslage ist gut. Dennoch hat der junge Unternehmer Sorgen.

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© Rafael Sampedro

Von Romy Altmann-Kühr

Löbau. Ronny Seibt ist Handwerker. Mit Leib und Seele. „Man kann etwas Bleibendes schaffen“, sagt er über seinen Beruf als Dachdecker. Trotzdem hat er jetzt sozusagen den Hammer aus der Hand gelegt und gegen den Computer als tägliches Arbeitswerkzeug eingetauscht. Der 30-Jährige hat vom Dach in die Chefetage gewechselt und die Firma Löbauer Dachdecker und Klempner (LDK) übernommen. Den Betrieb gibt es schon Jahrzehnte, zu DDR-Zeiten existierte er als sogenannte Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH). Später wurde er neu gegründet als GmbH.

Seibt hat seinen Beruf in Löbau bei einer anderen Dachdecker-Firma gelernt. „Ich wollte mich aber schon immer selbstständig machen“, erzählt er. Deshalb absolvierte er zusätzlich eine Meisterschule. Als die bisherigen Geschäftsführer der LDK aus Altersgründen zurücktraten und einen Nachfolger suchten, ergriff Seibt die Chance, selbst einen Handwerksbetrieb zu leiten. Vor zwei Jahren fing er in der Firma an und arbeitete sich ein. Seit Kurzem ist er nun Geschäftsführer – und damit auch Chef von 17 Mitarbeitern. Das bedeutet für ihn vor allem: Aufträge ranholen, damit die Kollegen auch genügend Arbeit haben. So beschäftigt sich der Handwerksmeister mittlerweile hauptsächlich mit Büroarbeit, sucht nach interessanten Ausschreibungen, bereitet Angebote vor.

Aufträge, schildert der Dachdeckermeister, habe die Firma derzeit genug. Er hat keine Sorge, dass der Betrieb bis in den Herbst hinein gut zu tun haben wird. Auch jetzt bauen die Dachdecker schon wieder fleißig. Eigenheime stehen zum Beispiel auf dem Plan. „Es wird immer noch viel gebaut, weil die Kredite nach wie vor günstig sind.“ Aber auch die öffentliche Hand vergibt zahlreiche Aufträge. In diesem Jahr werden Ronny Seibt und seine Mitarbeiter zum Beispiel bei der Görlitzer Stadthalle beteiligt sein. Hier seien die Anforderungen an die Handwerker hoch, weil der Denkmalschutz eine Rolle spielt und alte Handwerkskunst angewendet werden muss, erzählt Seibt. „Es macht aber auch Spaß, solche Herausforderungen anzugehen.“ Außerdem bauen die Löbauer dieses Jahr die Dächer von Schulen in Radeberg und Dresden. Und ein Großauftrag in Berlin steht an: 3000 Quadratmeter Dachfläche für ein Einkaufszentrum. In der Regel erledigen Ronny Seibt und seine Mitarbeiter allerdings Aufträge im Umkreis von etwa 80 Kilometern, berichtet der Chef. 60 Prozent davon sind Aufträge der öffentlichen Hand, der Rest der Kunden sind Privatleute. „Vom Garagendach am Einfamilienhaus bis zum Industriehallen-Dach reicht unser Angebot“, beschreibt Ronny Seibt. Aktuell bauen er und seine Mitarbeiter in seiner Heimatstadt – und zwar für die jüngsten Löbauer. Die Kita „Stadtzwerge“ an der August-Bebel-Straße bekommt ein neues Dach.

Die Mitarbeiter sind ganzjährig bei der LDK beschäftigt. Im Winter ist Kurzarbeit. „Das heißt, die Kollegen sind dann auf Abruf“, so Seibt. Kommt ein Auftrag rein, rücken sie aus. Diesen Winter hatten die Dachdecker wegen der Stürme viel zu reparieren, erzählt Seibt. „Die Leute waren froh, dass wir schnell helfen konnten.“

Sorgen über fehlende Aufträge macht sich der Handwerksmeister also nicht. Sorge bereitet ihm aber der Blick auf den Handwerkernachwuchs. Sein Ziel sei es, jedes Jahr einen Azubi einzustellen. Das werde immer schwieriger. Meist bewerben sich fünf, sechs Leute, erzählt Seibt. „Zu meiner Zeit war ich einer von 30 Bewerbern“, zieht er den Vergleich. Das Nachwuchsproblem werde sich noch verstärken – auch in den Chefetagen. Viele Handwerker, die nach der Wende Betriebe aufgebaut haben, erreichen nun das Rentenalter. Nicht wenigen fehlt ein Nachfolger. Um junge Menschen für Handwerksberufe zu begeistern, tummelt sich Ronny Seibt jetzt mit seinem Unternehmen zum Beispiel auch auf Facebook. Dort berichtet er von den Baustellen. „Vielleicht kann ich auf diesem Weg junge Leute darauf aufmerksam machen, wie spannend der Job ist.“

Zeit, selbst aufs Dach zu steigen, bleibt dem jungen Handwerksmeister derzeit bei all der Schreibtischarbeit nicht. „Werkeln kann ich als Ausgleich auch zu Hause“, sagt Seibt, der mit seiner Familie im Eigenheim in Ebersdorf wohnt. Bereut hat er den Entschluss, einen Handwerksbetrieb zu übernehmen, keinesfalls. Im Gegenteil: Man kann seine Umgebung mitgestalten, sagt er. Wenn er zum Beispiel mit seinem kleinen Sohn in Löbau spazieren geht, dann kann er bei einigen Gebäuden sagen: Das hat der Papa mit gebaut. „Das macht schon stolz“, sagt der junge Familienvater.