Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Vom Flakhelfer zum Antikriegsautor

Im Blickpunkt

Teilen
Folgen
NEU!

Von Wilfried Mommert

Die „Flakhelfer-Generation“ ist, sofern sie die Schrecken des Zweiten Weltkrieges überlebt hat, in dem nun zu Ende gehenden Jahr 80 Jahre alt geworden und zieht Bilanz. Die Schriftsteller unter ihnen haben darüber teilweise bedeutende Bücher geschrieben wie zum Beispiel Günter Grass oder in der DDR Dieter Noll („Die Abenteuer des Werner Holt“), der heute seinen 80. Geburtstag feiern kann. Der Autor, der sich seit Jahrzehnten von Pressefotografen nicht nicht mehr fotografieren lässt und mit „Kippenberg“ 1979 seinen letzten großen Roman veröffentlichte, lebt zurückgezogen in Wernsdorf bei Berlin.

Jeder der beiden Autoren hat seine Lehren aus den traumatischen Jugenderlebnissen gezogen, literarisch wie gesellschaftspolitisch entweder in der Bundesrepublik oder in der DDR.

Der 1927 in Riesa geborene Noll wurde wie viele seiner Altersgenossen noch als Schüler 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, trat er mit kaum 20 Jahren der KPD und später der SED bei. Sein zweibändiger, autobiografisch geprägter „Roman einer Jugend“, wie der Untertitel des Buches „Die Abenteuer des Werner Holt“ (1960 und 1963) lautet, gehörte zur „lesbarsten Pflichtlektüre“ in den Schulen der DDR. Der Roman ist noch heute ein Klassiker der deutschen Antikriegsliteratur, verfasst von einem Schriftsteller, der sich später im ideologischen Kampf der Systeme zwischen Ost und West nicht zu schade war, renommierte Kollegen, die anders dachten als er, mit herabsetzenden Beleidigungen zu belegen.

Noll schildert die widersprüchlichen Erfahrungen und Erkenntnisse sowie die Um- und Irrwege einer Generation, in seinem Fall bis zum Sozialismus als neuer Lebens- und Gesellschaftsperspektive. Hungrig nach Abenteuern und Bewährung zogen sie an die Front, manche sogar in Panzerdivisionen der SS, und erlebten dabei ihre völlige Desillusionierung und den moralischen Zusammenbruch einer Gesellschaft. In einem zertrümmerten Land standen sie vor einer ungewissen Zukunft. „Die Abenteuer des Werner Holt“ fanden auch in der BRD große Aufmerksamkeit und erreichten bis heute eine Auflage von fast vier Millionen Exemplaren. Der Roman wurde auch verfilmt und ist im Berliner Aufbau-Verlag immer noch lieferbar.

Schlimmer noch dürfte den DDR-Nationalpreisträger Noll sein unseliger „Offener Brief“ an den DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker 1979 geschadet haben, in dem er Kollegen wie Stefan Heym, Joachim Seyppel und Rolf Schneider als „kaputte Typen“ denunzierte, die dann im Gefolge der Biermann-Ausbürgerung aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen wurden. Der Widerstreit zwischen Wahrheit und Parteilichkeit, ehrlichem, offenem Bekenntnis und Opportunismus hat auch Dieter Noll immer mehr verstummen lassen. (dpa)