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Vom Heim in den Job

Die Radebeuler Firma Unitedprint hat fünf Flüchtlinge angestellt. Die Übernahme funktioniert hier unkompliziert.

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© Arvid Müller

Von Peter Redlich

Radebeul. Morteza Fellahi fährt mit dem Hubwagen Papiere an die omnibusgroße Druckmaschine. Vorher hat er gemeinsam mit dem Drucker Platten in die Maschine montiert. Der 33-Jährige fasst immer dort zu, wo Hilfe im Drucksaal gebraucht wird. Mittlerweile ein eingespieltes Team, sagt Abteilungsleiter Frank Schollbach bei Unitedprint, dem Druckereibetrieb an der Friedrich-List-Straße im Radebeuler Gewerbegebiet Naundorf.

Morteza Fellahi ist einer von fünf jungen Männern, die teils seit 2016 bei dem Radebeuler Druckereiunternehmen einen Job gefunden haben. Morteza kommt aus dem Iran. 2016 ist er von dort geflüchtet. Der gelernte Elektrotechniker hat in einer kleinen Druckerei seines Freundes gearbeitet. Dort hat er vor zwei Jahren die christliche Bibel gedruckt. Etwas, das die Obrigkeit im Iran unter Strafe gestellt hat. Dafür seien schon Leute gehenkt worden, erzählt Morteza Fellahi. Sein Vater habe ihn noch rechtzeitig warnen können. Hals über Kopf, ohne Abschied von der Familie, hat er den Iran über die Türkei verlassen. Über Griechenland, Serbien und Österreich ist er nach Deutschland gekommen.

Hier darf Morteza Fellahi solange bleiben, wie er eine Arbeit hat. In seiner Aufenthaltsgenehmigung, quasi der Ausweis für Leute wie ihn, die nur einen befristeten Status haben, steht genau drin, wo er arbeitet – bei Unitedprint in Radebeul.

Abteilungsleiter Frank Schollbach kennt den jungen Iraner mit dem freundlichen Lachen schon länger. Zweimal war er zu einem vierwöchigen Praktikum in Radebeul. Zuerst aus einer Initiative heraus unter dem Titel „Perspektive für Flüchtlinge“, dann direkt von der Agentur für Arbeit vermittelt. „Morteza stellt sich gut an, denkt sich in die Maschinenprozesse ein, ist pünktlich zur Schicht.“ Frank Schollbach beschönigt nichts, er kennt auch andere Beispiele. 15 Praktikanten hatten wir schon, sagt Personalleiterin Romy Bitterlich.

Das mit dem Praktikum verläuft noch nach den Integrationsvorschriften. Während ihres Kurses zum Einleben in Deutschland müssen die Flüchtlinge ein Praktikum absolvieren. Die Unitedprint-Manager haben guten Kontakt zu Betreuern und Vereinen in der Gegend – etwa der Produktionsschule Moritzburg, wo Jasmin Rodig auch die Radebeuler Flüchtlinge betreut. Zu den Vereinen Ort der Vielfalt in Coswig mit Sven Böttger und Buntes Radebeul haben die Unitedprint- Leute ebenfalls gute Verbindungen. Von dort kommen dann Vorschläge, wer ein Praktikum oder gar eine Ausbildung in dem Druckereibetrieb machen könnte.

Holm Winkler, Vorstand, sagt, worauf es eigentlich ankommt: „Derjenige muss vor allem wollen. Wir sind in der Lage, so ziemlich jeden, der es auch will, an unsere Arbeit heranzuführen.“ Geeignet ist das Unternehmen, welches Aufträge aus der ganzen Welt bekommt, vor allem auch deshalb, weil es ohnehin international aufgestellt ist. Menschen aus über 30 Nationen arbeiten bereits bei Unitedprint.

Im Betrieb gibt es fünf Ausbilder und eine fest angestellte Sprachlehrerin für Deutsch. Im Praktikum gestartet, zeige sich sehr schnell schon bei einfachen Arbeiten wie Etikettieren oder Tätigkeiten im Versand, wer wirklich will. Wer pünktlich ist, die Aufgaben fleißig erledigt, auf wen Verlass ist, auch in der Schichtarbeit.

„Unser Interesse ist es, nach dem Praktikum die Flüchtlinge in eine Ausbildung bei uns zu bringen“, sagt Holm Winkler. Das müsse nicht immer ein Facharbeiter sein. Eine betriebsinterne Erwachsenenqualifizierung zum Maschinenführer bringe schon gehörige Fortschritte. Etwa beim Lohn.

So ist es auch mit Morteza Fellahi gedacht. Vom Helfer im Druck, was seine jetzige Beschäftigung ist, zum Maschinenführer würde er nicht nur etwa ein Drittel von jetzt etwa 1200 Euro netto plus Prämien mehr verdienen, sondern einfach auch eine anspruchsvollere Arbeit haben.

Morteza Fellahi berichtet selbst von Versuchen, sich sein Abiturzeugnis und andere Papiere aus dem Iran zu beschaffen. Sein Vater habe es versucht. Überall habe er zu hören bekommen, dass sein Sohn dafür selbst erscheinen müsse. Doch eine Verhaftung will der 33-Jährige nicht riskieren, auch wenn das Heimweh zu seinen drei Schwestern, seinem Bruder, Vater und Mutter immer wieder mal groß ist. Nachholen darf er bei seinem Status sein Familie nicht. „Ich würde gerne in Deutschland bleiben und hier im Beruf weiter vorwärtskommen“, sagt er.

Dafür bietet ihm das Management bei Unitedprint alle Chancen. „Wir würden uns auch kümmern, für Morteza Fellahi eine Wohnung in der Nähe des Werks zu organisieren“, sagt Vorstand Holm Winkler . Erst hat er im Heim in der Hamburger Straße gewohnt. Derzeit kommt er jeden Tag zur Schicht aus Dresden-Prohlis, wo er sich mit drei weiteren Asylbewerbern eine Wohnung teilt.

Es läuft gut für Morteza. Die Zeit, um während der Arbeit auch noch die Stunden im Integrationskurs absolvieren zu können, wird ihm, wie allen anderen auch, vom Betrieb eingeräumt. Probleme, wie etwa in der Fastenzeit, werden mit einem Dolmetscher besprochen und konnten bisher immer gelöst werden, heißt es von der Personalleiterin. „Wir sind interessiert, die Menschen zu halten und für uns zu gewinnen. Da müssen auch wir flexibel sein“, sagt Holm Winkler.

Alles super bei Unitedprint mit den Flüchtlingen? Nicht immer. Das größte Problem sei es, wenn plötzlich jemand die Ausweisung bekomme, der eigentlich schon gut eingearbeitet ist. Oder: Wenn jemand ab August für eine Ausbildung vorgesehen ist, bis zum Beginn der Ausbildung aber eine Helfertätigkeit ausüben will und soll, von der Behörde zwar die Bestätigung zur Ausbildung bekommt, aber keine Arbeitserlaubnis für den Hilfsjob vorher.

Ärger gab es auch schon, als Mitarbeiter in Schicht beschäftigt waren, im Wohnheim aber nicht schlafen konnten, weil andere ständig die Nacht zum Tag gemacht haben. Holm Winkler: „In Riesa und Großenhain leben relativ viele Flüchtlinge. Wir müssen klären, wie die zu uns zur Arbeit kommen können.“ Schließlich sei für einen Menschen, welcher kaum deutsch spricht, der tägliche Arbeitsweg schon eine Herausforderung.

„Wir wollen weiter Leute, die nach Deutschland gekommen sind, gewinnen“, sagt Holm Winkler. Deshalb soll es speziell für Flüchtlinge einen Tag der offenen Tür als Bewerbertag am 30. Mai in der Friedrich-List-Straße 3 geben.

Iraner, Iraker, Afghanen, Syrer arbeiten in dem Radebeuler Betrieb und wollen was aus ihrem neuen Leben in Deutschland machen. Morteza Fellahi ist auf dem besten Weg, es zu schaffen.