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Vom Leben abgehängt

Ilona Ählig lebt allein von wenigen Hundert Euro Rente. Mit der Stiftung Lichtblick sieht sie ihre Welt ein bisschen besser.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Eigentlich soll sie ja nur Bio essen, sagt ihr Arzt. Wegen der Krebserkrankung. Doch Ilona Ählig ist froh, wenn sie überhaupt etwas im Kühlschrank hat. Die 64-Jährige sitzt am Tisch in ihrer Ein-Raum-Wohnung in Gorbitz und erzählt davon, wie sie ihr Lachen verloren hat.

„Der Bruch kam 1992“, sagt sie. Bis dahin arbeitete sie in der Lohnbuchhaltung bei Spar. Dann wurde bei ihr Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Die Chemotherapie warf Ilona Ählig aus dem Leben, in das sie bis heute nicht wieder zurückgefunden hat. Sie versuchte es später mit Schulungen, schrieb Bewerbungen, trat auch Jobs an, doch nirgendwo hatte sie die Kraft zum Durchhalten. „Manchmal bin ich heute noch so schwach, dass ich nicht mal sprechen kann“, sagt sie. Erst kürzlich erfuhr sie, dass sie wie viele Krebspatienten unter Fatigue leidet, einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Immer wieder habe sie sich dafür als Schmarotzer hinstellen lassen müssen, auch von ihrer eigenen Familie, klagt sie. Schon 1981 hatte sie sich scheiden lassen. Ihre Tochter ist 40 und leidet am Borderline-Syndrom. Nun blieb ihr bald gar niemand mehr, der ihr hätte Kraft und Optimismus schenken können.

Dazu kam der Krieg mit den Behörden. Verzweifelt kämpfte sie um jeden Euro mehr, um EU-Rente, um Wohngeld, um ein Sozialticket, um die GEZ-Befreiung. Der Wust aus Widersprüchen und Enttäuschungen habe sie in die Depression getrieben. Heute lebt sie von 661 Euro Altersrente plus 88 Euro Wohngeld. Davon muss sie noch ihre Miete von 310 Euro bezahlen für eine Wohnung, in der sie auf dem Sofa schläft. Sie kann sich keinen Friseur leisten, keine Tageszeitung, keinen Bäcker und keinen Fleischer. Selbst der eine Euro für die Bastelstunden, die sie so mag, fehle ihr. Sie sei mit Sicherheit kein „Assi“, aber dennoch sammle sie regelmäßig Flaschen, um sich aller paar Wochen wenigstens mal einen Döner leisten zu können.

So hilft Lichtblick

Aktuell läuft die 21. Spendenaktion von Lichtblick. Im Dezember 1996 bat Lichtblick erstmals um Spenden für Menschen in Ostsachsen, die unschuldig in Not geraten sind.

Kontakt: Hilfesuchende wenden sich bitte an Sozialverbände, Sozialämter und gemeinnützige Vereine, mit denen Lichtblick zusammenarbeitet.

Erreichbar ist Lichtblick Montag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr, Telefon 0351/4864 2846, Fax - 9661, E-Mail: [email protected], Anschrift: Sächsische Zeitung, Stiftung Lichtblick, 01055 Dresden, Website: www.lichtblick-sachsen.de

Bankverbindung

Ostsächsische Sparkasse Dresden
IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74
BIC: OSDDDE81

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Meistens isst sie für einen Euro bei der Diakonie. „Das hat doch mit Leben nichts mehr zu tun. Ich frage mich manchmal wirklich, warum ich damals so um mein Leben gekämpft habe“, sagt Ilona Ählig. Auch Weihnachten brauchte sie nicht. „Für mich gibt es nichts zu feiern.“

Über ihren Betreuer Andreas Kratzsch von der Diakonie bekommt die 64-Jährige jetzt mithilfe der Stiftung Lichtblick wenigstens die Chance, ihre Zukunft ein klein wenig besser zu sehen. Eine neue Brille im Wert von 275 Euro soll ihr im Alltag weiterhelfen, nachdem sie zuletzt fünf Jahre lang mit 2-Euro-Brillen aus der Drogerie auskommen musste.

Sie sei jetzt auch einer von diesen sogenannten Wutbürgern, auch wenn sie nicht zu Pegida gehen würde. Stattdessen sieht man sie jetzt ab und an in der Kirche, wo sie früher nie war. An ihr Leben hat Ilona Ählig nur noch einen Wunsch: Noch einmal mit Würde behandelt zu werden.