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Vom Rittergut zum Dorf gewachsen

Friedersdorf wurde vor 600 Jahren erstmals im Rentenregister der Landvogtei Bautzen erwähnt.

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Historische Postkarte mit einer Dorfansicht und damals A. Witschas’ Gasthof – ein Vorgänger von Kurt Witschas betrieb das Haus.
Historische Postkarte mit einer Dorfansicht und damals A. Witschas’ Gasthof – ein Vorgänger von Kurt Witschas betrieb das Haus. © Repro: Andreas Kirschke

Von Andreas Kirschke

Bekannt ist der Ort Friedersdorf heute vor allem durch den Silbersee: Ein geologischer Lehrpfad führt seit 1983 dort entlang. Der größte Findling an diesem Weg wiegt 40 Tonnen. Bekannt ist der Ort ebenso durch die Naturschutz-Station des Biosphärenreservates Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft auf dem Gelände des früheren Wasserwerks.

Friedersdorf wurde 1419 erstmals im Rentenregister der Landvogtei Bautzen erwähnt. Darin stimmen die Historiker Karl-Heinz Blaschke und Joachim Huth überein. Im Ersterwähnungsjahr hatte Friedersdorf 306 Hektar Ortsflur. Das Rentenregister nannte den Ort unter Nr. 79 als „Frederßdorf bei Lohsa“. Sechs Bauernwirtschaften gehörten zum Ort. „Besiedelt war der Ort mit Sicherheit schon früher“, sind Heimatchronist Siegfried Dankhoff (87) und Werner Aust (79), von 1962 bis 1985 Ortswehrleiter, sicher. Seit vielen Jahren sichten und sammeln sie historische Quellen über ihren Heimatort, wollen an dessen Ersterwähnung vor 600 Jahren erinnern.

Landwirte und Handwerker

„Ursprünglich bestanden im Dorf zwei Rittergüter“, sagt Siegfried Dankhoff. „Auf der Gemarkung Friedersdorf gab es drei Fundstellen für Bodenaltertümer. Sie zeugten von der frühgeschichtlichen Besiedlung des Ortes. Friedersdorf gehörte mit Neida, Lohsa und Kolpen zur Landvogtei Bautzen.“ Doch woher kam der Name Friedersdorf? Laut Historiker Jan Meschgang mag es sich um das „Dorf eines Friedrich“ gehandelt haben. „Tatsache war: Zunächst bestand das Rittergut am heutigen Südrand der Gemarkung. Dort bildete sich Altfriedersdorf heraus. Seit 1620 bestand am heutigen Nordrand der Gemarkung der Ortsteil Womjatke. 1746 wurde er erstmals offiziell als «Ausgedinge, Ausbau, Vorwerk, Restgut» benannt. Andere Quellen wiesen ihn als «Siedlung am Rande des Ortes» aus“, erläutert Werner Aust. „Vom Rezess, geschrieben 1844, wissen wir, dass es 1840 insgesamt 19 bäuerliche Wirte gab. Man lebte von der Landwirtschaft, von handwerklicher Arbeit als Maurer, Stellmacher, Zimmermann, Schmied, Seiler, Korbmacher, ebenso von Jagd und Fischfang.“

Eigene Sparkassen-Filiale

Laut den „Hoyerswerdaer Nachrichten“ vom 29. November 1887 gab es sogar eine Kreissparkassen-Filiale im Ort. Durch den Bau der Brikettfabrik in Werminghoff (heute Knappenrode) erhielt Friedersdorf 1921 erstmals elektrischen Strom. Zugleich begann die Erschließung für den Tagebau Werminghoff II (heute Silbersee). „Die dafür notwendige Absenkung des Grundwasser-Standes führte zur Verschlechterung des Wasserhaushaltes im Ort“, schildert Werner Aust. Die häuslichen Brunnen wurden leer. Daher erhielt Friedersdorf 1943 eine Wasserleitung. Für die Verbesserung der Wasserversorgung wurde 1944 bis 1965 das Wasserwerk Friedersdorf betrieben. Vorher erhielt der Ort Wasser aus Mortka.

Sorbisch war im Dorf lange Umgangssprache. Gerade die Alten redeten fließend Sorbisch im Alltag miteinander. „Unsere Eltern enthielten uns die Sprache jedoch vor. Es waren die Großeltern, von denen die Kinder Sorbisch lernten. Und ich hatte leider keine Großeltern“, erzählt Werner Aust über seine Kindheit.

Heimatvertriebene kamen ins Dorf

1945 kamen viele Heimatvertriebene aus Oberschlesien ins Dorf. Fast jede Friedersdorfer Familie nahm Flüchtlinge auf. Bis 1950 blieben die Heimatvertriebenen. Dann zogen sie vor allem nach Lohsa in die Siedlung Am Ziegelteich und in die Siedlung Forst. „Nicht nur die Einheimischen halfen den Vertriebenen. Die Vertriebenen halfen auch den Einheimischen“, sagt Siegfried Dankhoff. „So war ein Miteinander möglich.“ Aus Neu-Lohsa wurde wegen Abbaggerung durch den Tagebau Werminghoff II das Sägewerk Schuster 1943 bis 1947 nach Friedersdorf umgesiedelt.

Außer dem Sägewerk waren ortstypisch das Gasthaus Kurt Witschas und die Grützemühle Scholze. „Bevor auf der Gemarkung Friedersdorf die Straßen begradigt wurden, führte die Alte Berliner Straße mitten durch das Gehöft der damaligen Gaststätte Marko“, sagt Siegfried Dankhoff.

Über die Ortsgrenzen hinaus bekannt wurde die Landwirt-Familie „Butternoack“. Sie handelte mit Wildbret und landwirtschaftlichen Produkten. „Frau «Butternoack» lief früh in Holzlatschen mit Schiebock und eigener Ware los“, schilderte Siegfried Dankhoff. Auf dem Weg nach Bautzen zum Markt kaufte sie bei Bauern überschüssige land- und forstwirtschaftliche Produkte auf, verkaufte sie in Bautzen auf dem Markt weiter. Manchmal verkaufte sie die Waren auch in Spremberg.“ Transportmittel waren anfangs ein Schiebbock (eine Schubkarre), dann ein Pferdefuhrwerk und später ein Dreirad-Auto.

„Große Persönlichkeiten können wir im Ort nicht nachweisen“, sagt Siegfried Dankhoff. „Doch Fakt ist: In der Blütezeit des Bergbaus kam aus fast jedem Gehöft ein Meister oder Ingenieur.“ In Friedersdorf hatten einige Zeit lang die Puppenspieler Erna und Herbert Ritscher ihren Wohnsitz. Sie erfreuten in den Nachkriegsjahren oft die Kinder in den Dörfern der Oberlausitz. 1963 vereinigte sich ihr Puppentheater mit dem sorbischen Volkstheater Bautzen.

Kulturhaus entstand 1961

1954 gab Kurt Witschas seine Gaststätte in Friedersdorf auf. Sie diente fortan nur noch für Versammlungen. Die Idee für ein Kulturhaus entstand. Die Bauunion Hoyerswerda errichtete es 1961. Für die örtliche Versorgung gab es den Konsum im Kulturhaus. Die Post führt Christa Walther mit dem einzigen öffentlichen Telefon. Friedersdorf hatte damals für kurze Zeit sogar einen eigenen Post-Tagesstempel.

Siegfried Dankhoff baute mit jungen Naturfreunden und mit gesellschaftlicher Unterstützung das 1965 stillgelegte Wasserwerk zur Kreis-Naturschutz-Station um. Einweihung war 1978. Sehr für den Ort engagierte sich Gerd Radtke. Von 1985 bis 2001 führte er die Freiwillige Feuerwehr Friedersdorf. Er übernahm zudem – bis zu seinem frühen Tod 2011 – die Verantwortung als Gemeindewehrleiter. Nach Gerd Radtke übernahm Beate Schulze die Leitung der Freiwilligen Feuerwehr Friedersdorf. Sie baute sogar eine Jugendfeuerwehr auf. „Das ist hoch anerkennenswert“, meinen die Chronisten.

„Hier lässt es sich gut leben.“

Seit 1983 entwickelte sich in Friedersdorf eine Frauengruppe unter Leitung von Dorothea Hörenz. „Die Frauen pflegen bis heute das gesellschaftliche Leben im Dorf“, sagt Werner Aust. „Dazu gehören Baumpflanzungen, Lichtbilder-Vorträge, Sportnachmittage, Ausflüge und die Unterstützung des Herbstfestes in der Naturschutz-Station sowie weitere Veranstaltungen.“

Bis 1955 war Friedersdorf eigenständige Kommune. Seit dieser Zeit gehörte der Ort zur Gemeinde Litschen. 1994 wurde Litschen nach Lohsa eingemeindet. „Mit den Gebietsreformen, vor allem 1994, und mit Verordnungen wie Vereinszwang, Versicherungen, Gema-Verpflichtungen, Genehmigungen und Mieten geht Eigenverantwortung immer mehr verloren“, bedauert Werner Aust. „Einzelne Aktivitäten stehen heute leider unter diesem Druck.“ Kulturell lebt Friedersdorf heute vor allem durch den Zamperverein Litschen. Doch die Friedersdorfer selbst feiern auch zusammen Silvester und treffen sich zum Wichteln, Rodeln, Hexenbrennen und zu weiteren kleinen Veranstaltungen“, unterstreichen Siegfried Dankhoff und Werner Aust, „Friedersdorf ist heute ein ruhiger, unauffälliger Ort. Hier lässt es sich gut leben.“