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Vom Touristenmagnet zur Ruine

Ein Bäcker machte aus einer Hütte im Karltal einst ein renommiertes Gasthaus. Vom Glanz ist nichts mehr zu sehen – vorerst.

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© Heinz Wirrig

Von Heinz Wirrig

Schluckenau. Das Karltal hinter Šluknov (Schluckenau) in Tschechien bietet nicht nur ein landschaftliches, sondern auch ein historisches Auf und Ab. Wer hier einen Ausflug unternehmen will, kann die Gemeinde Šluknov selbst als Ausgangspunkt wählen.

Vom Bahnhof aus auf dem Weg ins Zentrum geht man durch den Schlosspark mit Schloss und Info-Büro. Ab dem Markt geht es entlang einer der roten Markierung, die zum Ziel nach Brtníky (Zeidler) führt. Leicht ansteigend wandert man aus der Stadt hinaus, um das eigentliche Karlovo ú dolí (Karltal) zu erreichen. Es war Ende des 19. Jahrhunderts ein sehr beliebter Ausflugs- und Ferienort. Als Gründer und der gute Geist des Tals galt der engagierte Bäckermeister Karl Schütz aus Schluckenau. Während des Eisenbahnbaus Rumburg – Schluckenau errichtete er 1872 im Tal eine Holzhütte und beköstigte die Streckenbauer und gab ihnen auch Unterkunft. Später bot er auch Erfrischungen für Ausflügler an, die sich für den Bahnbau interessierten. Das war der Grundstock und Beginn einer langen Beherbergungs- und Gästebetreuung im landschaftlich schönen Tal. Er verdiente damals so viel Geld, dass er sich das Tal mit Wald, Wiesen und Bach kaufen konnte. Aus der ursprünglichen Holzhütte entstand später eine Gaststätte, die er aus einfachen Ziegeln baute. Es kamen danach vorrangig Männer, die sich zu geselligen Trinkabenden zusammenfanden. Er baute ein kleines Gehege für Rhesusaffen, die nun auch Kinder in diese Art Zoo anlocken sollten. So nach und nach vergrößerte sich sein Unternehmen. 1887 wurde im Tal ein Denkmal für den Turnvater Friedrich-Ludwig Jahn enthüllt und die Gästeschar nahm weiter zu.

Der Sohn von Karl Schütz, Emil Schütz, erweiterte das Anwesen durch einen Anbau mit Ställen für Pferde, einen Tanzsaal und mit Gästezimmern und weiteres. Das Geschäft lief gut bis etwa 1910/11, dann musste Familie Schütz aus finanziellen Gründen ihr Anwesen an die Stadt Schluckenau zurückgeben. Die Stadt baute danach alles um und errichtete ein Kurhaus mit Ballsaal, Parkanlagen, Kinderspielplatz und Gondelteich und anderes mehr mit dem Ergebnis – die Besucher kamen in Strömen. Das Karltal wurde zum Touristenmagneten. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Prager Verkehrsbetriebe das Karltal als Erholungsobjekt. Aber im Lauf der Zeit bis zur politischen Wende sank das Interesse an diesem Ferienort, die Objekte verfielen und wurden teilweise abgerissen. Heute kümmerte sich niemand mehr darum. Plünderungen und Verwüstungen hinterließen praktisch eine Ruine und man konnte die einst glorreichen Zeiten nur noch erahnen – bis vor Kurzem. Denn eine junge Familie hat die Absicht, das Karltal wieder zu einer gastlichen Sommerfrische mit Pension herzurichten.

Die Wandertour führt dann zur ehemaligen n Cítkuv-Mühle, die zu einer attraktiven privaten Ferienanlage umgestaltet wurde. Nun folgen einige volkstümlich gestaltete Häuser des Ortes Kunratice (Kunnersdorf) mit seinem Arboretum mit Hinweistafel und Lehrpfad. Dann geht es durch den Wald, schließlich zum das sogenannten „Grüne Kreuz“, eine Weggablung kurz vor dem Ziel in Brtniky (Zeidler). Eine weitausladende Hügellandschaft empfängt den Ausflügler.