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Von braven Mädchen und starken Frauen

Dresdens First Lady Su Yeon Hilbert und die Pianistin SoRyang teilen die Liebe zur Musik, zu ihren deutschen Männern und zur neuen Heimat.

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© Germanprofoto/PR

Gummistiefelwetter über Schloss Albrechtsberg. Die Damen stört das nicht. Auf spitzen Absätzen steigen sie die Wendeltreppe hinauf ins historische Schlafzimmer der einstigen Hausherrin. Die Mezzosopranistin Su Yeon Hilbert und die Pianistin SoRyang werden am Sonnabend gemeinsam einen Abend mit Liedern und Balladen der Romantik gestalten.

Am Rand der Proben für die Konzertreihe „Vienna Classic“ nehmen sich die beiden Südkoreanerinnen Zeit für ein Gespräch über ihre Kunst, ihre Heimat, ihre Erziehung und Ausbildung und über ihr Leben mit deutschen Partnern – Su Yeon ist seit sieben Jahren mit Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert verheiratet, SoRyang seit zwei Jahren mit dem Wiener Immobilienunternehmer und Konzertveranstalter Rainer Maas liiert.

Am häufigsten ziehen die Liebe oder der Beruf Menschen in eine neue Heimat. Was hatte bei Ihnen den Vortritt?

Su Yeon Hilbert: Die Liebe! Ich habe meinen Mann kennengelernt, als er dienstlich in Korea war. Zwei Monate später haben wir geheiratet. Dass ich hier weiter meinem Beruf nachgehen kann, ist mir sehr wichtig. Ich habe Gesang studiert und im koreanischen Nationalchor gesungen. Über meinen Beruf sind mein Mann und ich zusammengekommen. Er suchte für das Rahmenprogramm einer Tagung in Seoul ein künstlerisches Programm. Da bin ich aufgetreten. Ich hatte zuvor an einem Wettbewerb teilgenommen und war zum nächsten Ausscheid eingeladen – nach Dresden. Alle Kandidaten wohnten bei Gastfamilien, und mein Mann wurde meine Gastfamilie. Heute sind wir eine richtige Familie.

SoRyang: Beim Thema Familie fällt mir ein: Ich hatte nicht einmal Heimweh, als ich mit 16 Jahren nach Essen gegangen bin, um dort zu studieren. Da war gar kein Platz für solche Gefühle. Ich war so überwältigt von all den Eindrücken und eine leidenschaftliche Studentin. Es gab für mich nichts als die Musik. Ich liebte mein neues Leben und bin also auch der Liebe gefolgt.

Womit haben Sie sich hierzulande schwergetan?

Su Yeon Hilbert: Mit nichts. Nicht mal das Wetter ist sehr anders als in Korea. Ich sehne mich manchmal nach den Orten meiner Kindheit, aber Heimweh ist das nicht.

SoRyang: Mit der Anforderung, wie wir uns als Frauen in diesem Beruf darstellen müssen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Mädchen werden in Korea sehr streng erzogen. Sie sollen artig und züchtig sein, keine eigene Meinung äußern, sich absolut anpassen und sich niemals in den Vordergrund spielen. Schwierig, wenn so ein Mädchen sich als junge Frau auf der Bühne darstellen und behaupten soll.

Kennen Sie diese Erziehung auch, Frau Hilbert?

Su Yeon Hilbert: Ja, genau so funktionierte die Mädchenerziehung auch zu meiner Zeit. Wir hatten zu Hause beim Essen sogar getrennte Tische für Männer und Frauen. Nun gut, wir sind eine sehr große Familie, da ist es sowieso schwer, alle an einen Tisch zu bringen. Aber das hat trotzdem auch viel mit dem Rollenverständnis zu tun: Männer sind die Macher und Entscheider, Aufgabe der Frauen ist es, sie zu unterstützen, Kinder und Haus zu versorgen.

Aber wozu dann eine so aufwendige Ausbildung für Töchter, wenn sie am Herd enden sollen?

SoRyang: Ich habe lange gebraucht, um das zu begreifen. Es geht gar nicht um einen tollen Beruf für die jungen Frauen, sondern um ihren Wert als Braut. Lässt eine Familie ihre Tochter studieren, am besten im Ausland, gilt das Elternhaus als reich, weltgewandt und gut vernetzt. In meinem Umfeld zum Beispiel war es Mode, den Nachwuchs in den USA oder in Deutschland Musik studieren zu lassen. Es war ein richtiger Wettbewerb.

Warum fiel die Entscheidung auf Deutschland?

SoRyang: Ich wollte nach Deutschland, weil ich nicht nur laut und schnell Klavier spielen lernen wollte, wie es in Amerika Vorrang hat. Ich wollte die Musik verstehen, ihre Sprache sprechen. Ich halte es für wichtig, die Wurzeln der deutschen Musik zu begreifen.

Was war Ihr erster Eindruck von der neuen Heimat?

Su Yeon Hilbert: Ich bin am 23. Dezember in Dresden angekommen, und die Stadt war weiß. Ich hatte noch nie so viel Schnee gesehen. Während er nicht da war, hatten Freunde meines Mannes seine Wohnung weihnachtlich geschmückt. Es sah so schön aus, so festlich. Überall Glanz und Lichter, und als ich hereinkam, hörte ich Musik – Schubert. Diese Ruhe und die Musik, wie ein Märchen.

Inzwischen leben Sie Familienalltag mit Mann, Kind und Beruf, und Sie sind Pendlerin.

Su Yeon Hilbert: Ja, ich bin im Opernchor des Theaters Chemnitz engagiert. Aber das hin- und herfahren für Proben und Auftritte stört mich nicht. Für mich sind die Stunden im Auto eine kleine Auszeit, in der ich runterkommen und über die nächsten Dinge, die anstehen, nachdenken kann.

Das Wetter, sagen Sie, unterscheidet sich kaum. Wie ist das beim Familienleben hier und in Korea?

Su Yeon Hilbert: Als ich Kind war, lief es so ab, wie schon geschildert. Inzwischen beobachte ich, dass sich viel verändert. Die jungen Frauen lernen nicht mehr nur Berufe und studieren, um eine gute Partie zu sein. Sie gehen arbeiten und leiten daraus Rechte ab. Sie verlangen von ihren Männern, dass auch sie sich um die Kinder kümmern und dass Entscheidungen über das gemeinsame Leben gemeinsam getroffen werden. Trotzdem leiden viele Frauen in ihren Herzen. Sie sind mit dem traditionellen Frauenbild aufgewachsen und beanspruchen nun etwas so anderes. Deshalb ist Stärke und Schmerz in ihnen.

Geht es Ihnen auch manchmal so?

Su Yeon Hilbert: Ja, ich bin auch so. Ich habe erst von meinem Mann und seiner Familie gelernt, wie ich als Frau gleichberechtigt mitentscheiden kann. Da ich arbeite, sind mein Mann und meine Schwiegereltern in die Betreuung unseres Sohnes eingebunden. Ich bin dafür sehr dankbar. Ich kann entspannt zur Arbeit gehen, fühle mich aber auch schuldig, dass ich nicht bei meinem Kind sein und meinen Mann nicht genug unterstützen kann.

Wie reagiert der koreanische Staat auf die Veränderung?

Su Yeon Hilbert: Wie hier in Deutschland gibt es Elternzeit auch für Väter und zwar schon lange. Aber kaum jemand wusste das bisher, und wer es wusste, hat sich nicht getraut, das Recht in Anspruch zu nehmen. Heute ist das Thema präsenter.

Frau SoRyang, was haben Ihre Eltern gesagt, als Sie ihnen erklärten, dass Sie in Europa bleiben werden?

SoRyang: Sie waren sehr sauer und verstehen es bis heute nicht. Sie hatten für mich über eine Heiratsagentur bereits einen künftigen erfolgreichen Ehemann gefunden. Aber ich habe doch nicht so viel Zeit meines Lebens der Musik geopfert, um einfach nur dienende Ehefrau zu werden. Es wäre doch zu schade um die Mühe. Wir Koreaner sind ein fleißiges, fähiges, starkes Volk. Es gibt zum Beispiel viele sehr gute koreanische Musiker. Das spornt mich an.

Wie lebt es sich in Wien, Frau SoRyang?

SoRyang: Gemütlich. Wir genießen gemeinsam das großartige kulturelle Angebot Wiens. In Österreich läuft vieles entspannter ab als in Deutschland. Und das Essen ist himmlisch. Ich habe auch deutsches Essen vom ersten Tag an geliebt, Wurst ist das Beste und Schnitzel. Mein Professor an der Hochschule hat mal gesagt: Wenn jemand keinen Appetit hat, soll er sich zu SoRyang an den Tisch setzen, dann bekommt er welchen.

Sie und Ihr Lebensgefährte arbeiten zum Teil zusammen. Wie funktioniert das?

SoRyang: Mein Partner spielt selbst Klavier. Daher kann er einschätzen, wie schwer die Arbeit als Pianist ist, und mich besonders gut unterstützen. Wir haben zu Hause zwei Flügel und spielen jeden Tag vierhändig zusammen. Zehn Jahre war jeder von uns beiden extrem im Stress, jetzt gönnen wir uns die Zweisamkeit und Harmonie.

Das Gespräch führte Nadja Laske.

Su Yeon Hilbert (Gesang) und SotoughRyang (Klavier) sind am Sonnabend, 19 Uhr, mit Werken von Offenbach, Saint-Saëns Rossini, Liszt, Schubert und Chopin im Schloss Albrechtsberg zu erleben. SoRyang spielt am 18. Dezember ebenda Meisterwerke der Klaviermusik.

www.vienna-classic.com