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Von der Lust am Teilen

In Dresden boomt die Sharing Economy, die Wirtschaft des Teilens. Dabei spielt oft aber auch Geld eine Rolle.

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© Christian Juppe

Von Jana Mundus

Die Dresdner teilen und tauschen gern: das große Auto für den Möbeltransport, das leer stehende WG-Zimmer oder auch die Packung Müsli, die immer noch ungeöffnet im Schrank steht. Die Sharing Economy, die Wirtschaft des Teilens, liegt in der Landeshauptstadt voll im Trend. Doch hat dieses Konzept nur Vorteile?

Luise Beyer-Matzat braucht kein eigenes Auto. Sie wohnt in der Neustadt. Die Parkplatzsuche wäre dort ohnehin anstrengend. Warum also nicht einfach ein Auto mit anderen teilen, dachte sie sich vor einem Jahr. „Ich brauche es nur ab und an mal privat, mal beruflich“, sagt die Sozial- und Kunstpädagogin. Sie ist deshalb Kundin bei Teilauto geworden. Für 40 bis 80 Euro pro Monat mietet sie bei Bedarf eines von 250 Fahrzeugen des Unternehmens in Dresden.

Abgerechnet wird nach gebuchter Zeit und gefahrenen Kilometern. Seit Mai 2006 gibt es das Angebot in Dresden. Mit nur 30 Autos begann alles. Die ersten Leihstationen lagen am Umweltzentrum, am Hauptbahnhof, am Bahnhof Neustadt, am Albertplatz und in Striesen. Heute sind es 140. Mit über 8 000 Nutzern ist Dresden die zweitgrößte Stadt im Teilauto-Portfolio. Nur Leipzig ist größer.

„Am Anfang hatten wir hauptsächlich private Kunden. Doch inzwischen entscheiden sich auch immer mehr Unternehmen dafür, ihre Firmenflotten durch Carsharing flexibler zu gestalten“, erklärt Teilauto-Geschäftsführer Patrick Schöne. Der Anteil der geschäftlichen Nutzer läge in der Landeshauptstadt mittlerweile bei einem knappen Drittel. Weil die Nachfrage nach Teilautos wächst, soll es noch mehr Leihstationen geben. In der Neustadt, der Südvorstadt und Pieschen würde die Firma gern mehr Autos anbieten. „Allerdings wird die Suche nach anmietbaren Flächen dort schwieriger“, so Schöne. Teilweise vermieten deshalb Dresdner nicht genutzte eigene Stellplätze an Teilauto. Sie haben ihr Carsharing-Auto so direkt vor der Tür.

Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC nutzt jeder zweite Deutsche die Teil-Wirtschaft. In Zukunft wollen sogar zwei Drittel Produkte und Dienstleistungen teilen oder leihen. Viele sind überzeugt, dass dadurch die Gesellschaft profitiert. 71 Prozent der Befragten gaben an, dadurch auch Geld zu sparen. Trotzdem gibt es Kritik an dem Modell. Viele Sharing-Angebote erweitern eher den klassischen Markt, so Experten.

Die neue Ökonomie des Teilens diene dazu, nicht genutzte Dinge wie Autos, Werkzeuge oder eben auch Wohnungen zeitweise zu nutzen. Es werden also lediglich Dinge zu Geld gemacht, die ursprünglich nicht am Markt verfügbar waren.

Das Angebot von Airbnb muss sich solche Kritik oft gefallen lassen. 1 380 Unterkünfte sind in der Region in und um Dresden auf dem Onlineportal zu finden. Privatleute bieten hier freie Zimmer oder ganze Wohnungen für Touristen aus aller Welt an. Auch Claudia Herrich vermietet für 80 Euro pro Nacht eine Einliegerwohnung in ihrem Haus im Blasewitzer Villenviertel. „Bisher hatten wir Gäste aus Frankreich, Holland oder der Schweiz“, erzählt sie.

Auch Mitarbeiter des Uniklinikums wären schon zu Gast gewesen. „Nutzer von Airbnb mögen das familiäre Umfeld“, sagt sie. Deshalb findet sie gerade die Kritik, Airbnb wäre eine Konkurrenz für den Dresdner Hotelmarkt, absurd. „Wir sprechen ganz unterschiedliche Zielgruppen an.“ Airbnb und die Hotelindustrie könnten gut nebeneinander existieren.

Teilen in Reinform. Das fordert die Berliner Forscherin Luise Tremel. Ihre Meinung: Über Portale wie Airbnb vermieten Menschen, die etwas haben, an Menschen, die sich das Angebot leisten können. Für den Satz „Sankt Martin hat geteilt – und der hat auch nicht seinen Mantel, als er ihn nicht brauchte, stundenweise vermietet“ erntete sie im Sommer Applaus bei einer Tagung in Weimar. Sie fordert mehr Ideen für ein gutes Teilen. Eines, das Menschen zusammenbringt und sozial ist.

Das gibt es auch in Dresden. Zum Beispiel „Johann“, das Lastenfahrrad für die Nördliche Johannstadt. Bewohner können den Packesel auf Rädern kostenlos buchen. Im Umsonstladen gibt es einen Fairteiler-Kühlschrank, in den Menschen Lebensmittel legen können, die sie selbst nicht essen wollen. Die Facebook-Gruppe „Foodsharing Dresden“ tauscht ebenfalls ganz unkompliziert Essen. Ein neues Angebot hat vor einigen Monaten Kristin Hofmann ins Leben gerufen. Inspiriert wurde sie von der „Bunten Republik Neustadt“. Die Müllberge aus Plastebechern und Papptellern inspirierten sie zu „Tellerrausch und Gläserrücken“.

Auf der gleichnamigen Facebook-Seite können Interessenten kostenlos Geschirr mieten. Das Lager ist im „Haus der Begegnung“ in Pieschen untergebracht. „Es geht natürlich darum, Abfall zu vermeiden“, sagt sie. „Aber am Ende auch darum, etwas für die Gesellschaft zu tun.“