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„Von der neuen Woba werden alle profitieren“

Laut Mietervereinschef Peter Bartels wird es lange dauern, bis eine Wohnungsbaugesellschaft Effekte bringt. Aber Dresden brauche sie.

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© Steffen Unger

Von Andreas Weller

Die Grundsatzentscheidung ist bereits gefallen: Die Stadt soll wieder eigene Wohnungen bauen und so langfristige Sozialwohnungen schaffen, um Bedürftige und Asylbewerber unterzubringen. Gegner sagen, Dresden könne sich damit übernehmen, weil eine Kommune auch nicht billiger bauen kann als Private oder Genossenschaften. Dieses Argument bestätigt auch der Vorsitzende des Mietervereins Dresden und Umgebung, Peter Bartels. Er hält dennoch eine neue Woba für notwendig.

„Natürlich wird die Stadt nicht billiger bauen. Der wesentliche Punkt ist, dass eine städtische Wohnungsbaugesellschaft nicht gewinnorientiert arbeiten muss“, so Bartels. Deshalb werde sich in zehn, 15 oder 20 Jahren ein Effekt zeigen, von dem alle Dresdner profitieren. „Die neue Woba muss dann nicht die Mieten erhöhen. Sie kann wesentlich auf die Mieten in der gesamten Stadt einwirken.“ Denn während private Vermieter die Miete erhöhen, wann immer es geht und auch Genossenschaften die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, müsse die Woba im Grunde nur kostendeckend arbeiten.

Um die Mietsteigerungen bei anderen Vermietern einzudämmen, braucht eine Woba laut Bartels mindestens 30 000 Wohnungen. „Aber wir haben Zeit, jetzt besteht keine Eile.“ Er meint, die Wohnungen können nach und nach gebaut werden, die neue Woba muss nicht sofort mit 10 000 Wohnungen an den Markt. Entscheidend ist, künftig als Konkurrenz zu den anderen Vermietern aufzutreten. „Früher gab es die Konkurrenz bei den Vermietern hier untereinander“, so Bartels. Da haben Vermieter mit mehreren Monaten mietfrei geworben und den Mietern eine Küche oder andere Ausstattungen geschenkt.

Mietspiegel wird ausgehebelt

Das ist vorbei. „Jetzt wird nicht geguckt, wie der Markt ist, sondern was man verlangen kann“, sagt Bartels, der auch SPD-Stadtrat ist. Da werde auch mal die ortsübliche Vergleichsmiete, also der Mietspiegel, ausgehebelt. „Interessenten stimmen dann viel zu hohen Mieten zu und schaden damit dem gesamten Gefüge“, so Bartels.

Heute werden Wohnungen ohne sie zu modernisieren, mit erheblichen Aufschlägen vermietet, wenn sie frei werden. „Das liegt auch an dem geringen Leerstand“, ordnet Bartels ein. Offiziell stehen in Dresden derzeit 7,6 Prozent der Wohnungen leer. Doch darin enthalten sind auch Ruinen. Bartels spricht von einer Wohnungsnot: „Der Leerstand bei den Genossenschaften liegt unter zwei Prozent und bei dem Gagfah-Nachfolger Vonovia bei etwa zwei Prozent – das ist quasi kein Leerstand.“ Wohnungsnot fange bei 2,5 Prozent Leerstand an, weil immer auch Wohnungen umgebaut werden, der reale Prozentsatz also tatsächlich darunter liege.

Es gibt aber auch Experten, die sagen, es sei gut, wenn die Immobilien knapp werden. Dann steigt deren Wert. „Für die Stadt ist es nicht gut, weil dann die Mieten steigen. Die Bürger verlieren dadurch Kaufkraft und die Eigentümer oder Vermieter sitzen häufig nicht in Dresden – es bleibt also kein Geld von deren Mieteinnahmen hier, es wandert ab.“

Deshalb müsse nun auch die Stadt eigene Wohnungen bauen, um in den Markt eingreifen zu können und bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Die Wohnungsnot steige mit jeder Wohnung, die gebaut wird, zumindest nicht weiter. „Wir brauchen auch in 100 Jahren noch Sozialwohnungen, deshalb sind Investitionen jetzt keinesfalls verschenkt oder sinnlos.“

Wichtig bei einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft sei aber, dass diese nicht ausschließlich Sozialwohnungen baut. „Sie muss auch einige gut ausgestattete Wohnungen in guten Lagen haben“, sagt Bartels. Damit könne sie Geld verdienen und niedrige Mieten in Sozialwohnungen dauerhaft zusichern. „Nur Sozialwohnungen wäre ein Zuschussgeschäft.“ Mit dem Geld aus den teureren Vermietungen könnten alle Bestände immer mal wieder saniert und modernisiert werden. „Solange wir die alte Woba hatten, sind auch einfache Wohnungen modernisiert worden, ohne die Mieten zu erhöhen“, so Bartels. Ähnlich soll es auch eine neue Wohnungsbaugesellschaft handhaben, die nun zehn Jahre nach dem Verkauf der Woba neu gegründet werden soll.

Wohnungsbau auch über Kredite

Kredite für den Wohnungsbau aufzunehmen, hält Bartels keinesfalls für Teufelszeug. „Alle Bauherren bauen mit Krediten. Das ist sinnvoll, gerade da die Zinsen noch sehr niedrig sind.“ Aus Bartels Sicht ist es bei der aktuellen Situation eine zwingende Aufgabe der Stadt, Wohnungen zu bauen.

„Der Verkauf der kompletten Woba 2006 war ein großer Fehler“, so Bartels. Der Stadtrat habe sich mit einem „lächerlichen Preis“ von etwa 35 000 Euro pro Wohnung abspeisen lassen. Andere Kommunen würden einen Teil ihres Bestandes veräußern, um das Kernunternehmen auf Vordermann zu bringen. Das wäre damals ein möglicher Weg gewesen. Nun hat Vonovia rund 65 000 Euro pro Wohnung bei der Übernahme der Gagfah bezahlt. „Für die Gagfah also ein gigantisches Geschäft“, so Bartels. Jetzt solle die Stadt nicht erneut einen schwerwiegenden Fehler in der Wohnungspolitik machen und zuschauen, wie sich der Markt entwickelt.