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Von Vereinsgründung bis Parkgestaltung

Caroline Birrer ist Quartiermanagerin in Neugersdorf. Für 16 Stunden in der Woche. Aber die reichen nicht aus.

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© Thomas Eichler

Von Gabriela Lachnit

Dienstags von 10 bis 15.30 Uhr hat Caroline Birrer Sprechzeit in ihrem Büro im Stammhaus in Neugersdorf. Aber hier, in der Ernst-Thälmann-Straße 42, wartet sie nicht, bis jemand vorbei kommt. „Und die Leute warten auch nicht auf die Sprechzeit, um ihr Problem loszuwerden“, weiß die Quartiermanagerin. So ist es kein Wunder, dass auch ihre private Handynummer auf ihrer Visitenkarte steht.

Die Quartiermanagerin ist die erste Ansprechpartnerin im Stadtteilmanagement. Bezahlt wird sie über ein Förderprogramm aus dem Stadtumbau Ost. Bis Ende 2018 kann Caroline Birrer ihre Arbeit hier fortsetzen. Der Stadtrat Ebersbach-Neugersdorf gab erst kürzlich grünes Licht und bewilligte die entsprechenden Mittel dafür. Privatleuten und Gewerbetreibenden gleichermaßen steht die Stadtteilmanagerin hilfreich zur Seite. Beispielsweise bei Vereinsgründungen. Den Verein Auf Augenhöhe und die Sektion Theaterfreunde im Kulturverein Oberland nennt Frau Birrer als Beispiele. Hier half sie bei der Gründung mit. Oder die Projektbegleitung zur Fertigstellung der C.G. Hoffmann-Ausstellung im Stammhaus, für die sie die Durchführung der Ausstellungseröffnung erarbeitet und Ehrenamtliche für die Gewährleistung der Öffnungszeiten gesucht hat. Die Quartiermanagerin hat mit Alexander Federlein einen Neugersdorfer gefunden, der die Ausstellungstexte ins Englische übersetzte.

Caroline Birrer ist gebürtige Schweizerin. In einem Urlaub in Griechenland lernte sie ihren Mann kennen. Der Liebe wegen kam sie in das Oberland. Sie findet es sehr angenehm hier, obwohl sie Zeit brauchte, sich einzugewöhnen. Zum Stadtteilmanagement kam sie eher zufällig. Sie hatte sich in der Stadtverwaltung Ebersbach-Neugersdorf für eine Tätigkeit beworben. Angeboten wurde der gelernten Marketingfachfrau, das Quartierbüro in Neugersdorf zu übernehmen und das Projekt „Nachhaltige Stadtentwicklung Neugersdorf“ zu betreuen. Sie nahm an. Das Projekt lief von 2007 bis 2013. Das neue Projekt aus dem Stadtumbauprogramm „Aufwertungsgebiet Neugersdorf“ startete im März 2015.

Mit den Augen von Menschen, die von außen kommen und für die vieles neu ist, betrachtete Caroline Birrer ihre neue Tätigkeit. „Ich stelle noch heute häufig Fragen, die die Menschen von hier oft gar nicht mehr stellen, weil etwas schon immer so war“, sagt sie und benennt ein Beispiel: In der Hauptstraße in Neugersdorf gibt es ein Schreibwarengeschäft, das nur über Treppen zu erreichen war. Hier gab die Managerin die Anregung, einen barrierefreien Zugang zu schaffen. Der ist jetzt gebaut. Caroline Birrer gab ihre Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln für diesen neuen Zugang.

Als großen Erfolg bezeichnet Frau Birrer die Ideenwerkstatt für die Umgestaltung des Platzes zwischen der Gärtner- und der August-Bebel-Straße. Der Platz war früher ein Feuerlöschteich, das Areal sah nicht schön aus. Gemeinsam mit den Anwohnern wurden in Workshops Ideen besprochen, wie der Platz aufgewertet und verschönert werden könne. Parkplätze haben die Anwohner sich gewünscht, auch eine Begrenzung der Fahrgeschwindigkeit von Autos auf 30 Kilometer in der Stunde. Ein Verkehrsspiegel sei nötig. Auch Sitzplätze wurden vorgeschlagen. Aber das wollte die Mehrheit der Anwohner nicht. Die Ideen hat Caroline Birrer zusammengefasst und als Vorschlag an das städtische Bauamt weitergeleitet. Sie hofft, dass es dazu bald Beratungen im Technischen Ausschuss gibt.

Sehr wichtig ist es der Quartiermanagerin, die Neugersdorfer für ein Ehrenamt zu begeistern. „Das wird leider immer schwieriger“, bedauert sie. Manche Einwohner hätten zwar Lust dazu, sind aber in ihrem Arbeitsleben sehr eingespannt. Andere hätten die Zeit, aber keinen Elan fürs Ehrenamt. Das findet die Managerin sehr schade.

Einen großen Teil ihrer Arbeit macht die Betreuung von Flüchtlingen aus. Caroline Birrer erinnert sich daran, dass es viele Neugersdorfer gab, die ihre Hilfe zugesagt hatten, als es hieß, dass die Stadt zehn Flüchtlingsfamilien aufnehmen soll. Nach den Einwohnerversammlungen im Februar 2015 entstand ein Willkommensbündnis in Neugersdorf, an dem mehr als 40 Akteure mitwirken. „Die Aufgabe einer verantwortlichen Koordinierungs- und Organisationsstelle wurde mir nahegelegt“, sagt die Quartiermanagerin. „Seither koordiniere und organisiere ich Menschen im Ehrenamt, die die Asylbewerber kontinuierlich unterstützen“, betont die Managerin und lässt sich davon nicht beirren, dass nicht alle Neugersdorfer ihr Engagement in Sachen Flüchtlingshilfe befürworten. Die Quartiermanagerin half Vereinen und Initiativen, für die Integration von Flüchtlingen an Fördergelder zu gelangen. Sie organisierte ehrenamtliche Deutschkurse und gewann Hilfslehrer, darunter zwei isoliert lebende Rentner, die sich jetzt wieder aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen. Frau Birrer initiiert und begleitet Arbeitsgelegenheiten von Asylbewerbern in Vereinen. Sie nahm Kontakt auf mit Betrieben wie Stahlbau Oberlausitz und MBN, um Möglichkeiten der Integration von Asyslbewerbern in den Arbeitsmarkt auszuloten. Dabei entstand ein Intensiv-Deutsch-Kurs, der die Teilnehmer gleichzeitig auf ein Arbeitsleben vorbereitet. „Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen“, so Frau Birrer. „Jetzt finden erste Arbeits- und Lehrstellenvermittlungen statt“, freut sie sich.

Wie sie das alles in 16 Stunden pro Woche, die das Projekt vorsieht, schafft? „Gar nicht, ich nehme mir die Zeit, die ich brauche“, sagt sie. „Wesentlich mehr als 16 Stunden“, sagt sie mit einem vielsagenden Schulterzucken. Sie könne nicht anders, sagt sie, sie sei eben eine „Kümmerin“. Sie kümmert sich um andere und vieles.