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Von Waffen fasziniert

Ulrich Sczesny ist einer der letzten Büchsenmacher in der Region. Auch sein Werdegang ist alles andere als gewöhnlich.

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© Lutz Weidler

Von Dörthe Gromes

Glaubitz. Preußische Zündnadelbüchse, französische Steinschlossmuskete, Spencerkarabiner – beim Büchsenmachermeister Ulrich Sczesny aus Glaubitz findet sich ein breites Spektrum historischer Waffen. Für den Laien tut sich dort ein verwirrendes Universum an Begriffen und Bezeichnungen auf. Da gibt es glatte Läufe und gezogene, Vorderlader und Hinterlader, Perkussionsschlösser und Zündnadelgewehre. Geduldig und anschaulich erklärt der Meister sein Handwerk, zu dem Metall- und Holzverarbeitung genauso gehören wie Kenntnisse über Ballistik und Optik.

Die Leidenschaft des 59-Jährigen gehört historischen Waffen, wie sie bis 1945 verwendet wurden. Auf diesem Gebiet ist er ein ausgewiesener Spezialist. „Halte ich eine historische Waffe in den Händen, ist es für mich jedes Mal eine kleine Zeitreise“, erzählt der Büchsenmacher. Der Gedanke, dass eine solche Handwerksarbeit die Lebenszeit seines Herstellers überdauert, fasziniert ihn: „Ich möchte etwas schaffen, das bleibt.“ Im Unterschied zu modernen Waffen erfordert das Schießen mit alten Gewehren oder Pistolen wesentlich mehr Ruhe und Zeit. Allein der Ladevorgang dauert. Und es kann nur ein Schuss auf einmal abgegeben werden. Aber eben darin liegt für Ulrich Sczesny auch der Reiz: „Wer sich für alte Waffen interessiert, liebt das langsame Leben von früher.“

Wer Waffen baut, ist in der Regel auch selbst Schütze. Zwar besitzt Ulrich Sczesny einen Jagdschein, allerdings mag er keine Tiere schießen. Stattdessen zielt er lieber auf die Zielscheiben des Meißner Schützenvereins. Der Glaubitzer nimmt an Wettbewerben teil, unter anderem am Internationalen Vorderladerschießen, das jedes Jahr in Schwäbisch-Hall stattfindet. Mitunter tritt er sogar in historischen Kostümen an. Für die Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges (1861 – 1865) interessiert sich der Waffenbauer besonders, weil es damals große Entwicklungssprünge in der Waffentechnik gegeben habe.

Die geräumige Werkstatt im Keller eines Einfamilienhauses am Rande von Glaubitz ist aufgeräumt. Jedes Werkzeug hat seinen Platz. Waffenherstellung erfordert Präzision und Geduld, da ist für Chaos kein Raum. „Die Faszination für Waffen ist bei mir wohl angeboren“, meint Ulrich Sczesny. „Schon als Kind habe ich Holzgewehre geschnitzt.“ Zum Waffenhandwerk gab es ansonsten keinerlei familiären Bezug. Keine Berufstradition über Generationen hinweg, wie sie bei anderen Büchsenmachern vorkommt. Deshalb wird Ulrich Sczesny auch zunächst Elektroingenieur und arbeitet Jahre in diesem Beruf. „Aber gern habe ich nie als Ingenieur gearbeitet, da saß ich die ganze Zeit am Schreibtisch.“

Ein Gewehr, 160 Arbeitsstunden

In den Nachwendejahren fasst er den Entschluss, sein Hobby zum Beruf zu machen. Mühsam bringt er sich die Grundlagen seines Handwerkes selbst bei. Drei Jahre lang besucht Sczesny die Berufsfachschule für Büchsenmacher in Suhl und qualifiziert sich dort zum Meister. Da ist er schon 45 Jahre alt und hat erste gesundheitliche Probleme mit dem Herzen. Auch das stundenlange Stehen an der Werkbank fordert mit der Zeit seinen Tribut. Einige Jahre pendelt er zu einem Büchsenmacher in Nordrhein-Westfalen zur Arbeit. – Trotz all der Mühe – finanziell hat sich die Arbeit für ihn nie gelohnt. Da wurde viel über die Familie quer finanziert. Für den Neubau eines historischen Vorderlader-Gewehres veranschlagt er etwa 160 Arbeitsstunden. Da kommen schnell 4 000 bis 5 000 Euro zusammen. Kunden für solch teure Gewehre finden sich im Osten kaum. Deshalb repariert Sczesny vor allem alte Waffen. Oft geht es um das Auswechseln der Gewehr- und Pistolenläufe. Seine Kunden kommen hauptsächlich aus Schützenvereinen.

Da die Gesundheit nicht mehr mitmacht, übt der Büchsenmacher sein Handwerk nur noch nebenberuflich einige Stunden pro Woche aus. „Hauptberuflich“ ist er Rentner und Opa. Dabei bedauert es der Glaubitzer sehr, dass er sein Wissen nicht weitergeben kann, weil es in diesem besonderen Beruf kaum Nachwuchs gibt: „Meine mit so vielen Mühen verbundenen Erkenntnisse und Fertigkeiten werden leider verloren gehen.“

Doch so lange Ulrich Sczesny noch stehen und sehen kann, will er seinen Beruf nicht ganz aufgeben. „Spaß macht es immer noch.“ Deshalb ist er auch mit sich im Reinen, was die finanzielle Schieflage angeht. „Ich habe meinen Traum verwirklicht und viel erlebt.“