Sebastian Kositz
Bautzen. Verheimlichen? Wozu? Carsten Pfeifer hat nichts zu verheimlichen. Ganz im Gegenteil. Der Bautzener Orthopäde habe kein Problem damit, wie er sagt, über die insgesamt knapp 6 000 Euro zu reden, die ihm im vergangenen Jahr von Pharmafirmen überwiesen worden sind. Ehrlich verdientes Geld sei das. Geld, das ihm zustehe. Doch der Fachmann wisse auch um die Brisanz des Themas – und blickt durchaus auch kritisch aufs Geflecht zwischen Pharmaindustrie und Ärzteschaft. Es brauche mehr Transparenz, sagt Carsten Pfeifer. Auch deshalb will er offen sprechen.
Der Orthopäde Carsten Pfeifer hat im abgelaufenen Jahr von den niedergelassenen Ärzten im Kreis Bautzen mit das meiste Geld von den Pharmakonzernen erhalten. Das geht aus einer Liste hervor, die unlängst das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und das Recherchenetzwerk Correctiv publiziert hatten. Das Papier zählt Namen und gezahlte Summen von etwa 20 000 deutschen Medizinern, Institutionen und Verbänden auf – darunter auch fast 100 aus dem Landkreis Bautzen.
Fast 100 Ärzte im Kreis aufgelistet
Laut der Veröffentlichung hatten die Pharmafirmen 2015 deutschlandweit weit mehr als eine halbe Milliarde Euro lockergemacht. Nur ein Bruchteil davon landete im Kreis Bautzen. Die ausgezahlten Beträge lagen zwischen 6,61 Euro und 25 000 Euro – zusammen etwas mehr als 150 000 Euro. Kleine Happen im Vergleich zu dem, was der Essener Arzt Hans Christoph Diener erhielt. Mit 200 000 Euro führt er die Liste an.
Liste von Medizinern und Institutionen im Kreis, die 2015 erhaltene Pharmagelder öffentlich machen*
Im Netz lässt sich genau nachlesen, woraus sich die einzelnen Summen zusammensetzen. Bei Carsten Pfeifer werden Honorare, Reisekosten, Tagungskosten und Spesen aufgelistet. „Ich halte Vorträge, bei Fortbildungsveranstaltungen, die von Pharmaunternehmen organisiert werden“, so der Facharzt. Dazu gehören Seminare, bei denen er Hausärzte in orthopädischen Untersuchungsmethoden unterrichtet. Weil der Bautzener als ausgewiesener Fachmann gilt, wird er darum häufig gebeten. Und die Einladungen nimmt Carsten Pfeifer gern an – weil ihm Fortbildung am Herzen liege. Dazu hat er aber auch einen entsprechenden Aufwand in seiner Freizeit.
Finanzierte Fortbildung
Sehr viele Ärzte in der Region erhalten übrigens ihre Gelder für das Halten von Fachvorträgen – oder quasi als Sponsoring für eine Teilnahme an Fachveranstaltungen. Doch welches Interesse haben den Pharmafirmen daran, Fortbildungen zu finanzieren? „Natürlich liegen da auch Prospekte der Unternehmen herum“, sagt Carsten Pfeifer. Er lasse es sich aber in den Verträgen festschreiben, dass er in den Vorträgen keine Produkte nennen muss.
Den klar größten Posten bei den Zuwendungen im Kreis sind dem Radeberger Mediziner Thomas Mayer zugeschrieben. Fast 25 000 Euro sind auf seinem Namen verbucht. Der Neurologe und Psychiater ist ärztlicher Leiter des Epilepsiezentrums Kleinwachau in Radeberg. Das Geld ging nicht an ihn, sondern an die Einrichtung.
Ähnlich wie bei vielen anderen Ärzten flossen die Mittel auch in Radeberg für Beratungen, Vorträge oder Reisekosten. Zugleich steckt in dem Betrag aber auch eine Sonderzahlung von 12 000 Euro für eine von dem Zentrum durchgeführte Langzeitstudie. In über fünf Jahren wollen die Radeberger ein ganzes neues Medikament der Pharmafirma UCB an Patienten erproben.
Die teilnehmenden Patienten haben vorher zugestimmt. „Die Studien dienen in unserem Fall dazu, die Behandlung der Krankheit Epilepsie mit Medikamenten zu verbessern“, sagt Thomas Mayer. Für ihn als Chefarzt sei es auch eine Ehre, dass das Epilepsiezentrum für solche Studien ausgewählt wird. Das Geld ist nicht mehr als ein Ausgleich für die immensen Aufwendungen, die das Zentrum mit der Durchführung habe. In der Regel landet das Geld auf einem Drittmittelkonto, von dem meist weitere Fortbildungen bezahlt werden. Ohne die Pharma-Gelder könne das Epilepsiezentrum wichtige Fortbildungen und Veranstaltungen gar nicht erst ermöglichen.
Studien ohne Nutzen
Wie Carsten Pfeifer setzen sich auch die Mediziner in Radeberg klare Grenzen. Gegenleistungen, bei denen Medikamentenumsätze zugesagt werden, lehnen sie kategorisch ab. Genau das geschieht etwa bei sogenannten Anwendungsbeobachtungen. Dabei wird gezahlt, wenn Ärzte ihren Patienten unter dem Vorwand einer Studie längst zugelassene Medikamente verordnen. 366 Millionen sind dafür 2015 von der Pharmaindustrie an Ärzte überwiesen worden. Eine detaillierte Übersicht der Zahlungen an einzelne Mediziner gibt es nicht.
Wertlose Studien ohne Nutzen für Patienten, bei denen nur der Absatz angekurbelt wird, sagen Experten. Genau damit hat auch Carsten Pfeifer ein Problem. Die Zahlungen für die Anwendungsbeobachtungen müssten ebenso offengelegt werden, damit der Patient weiß, was der Arzt tut.
Der Bautzener Orthopäde oder das Epilepsiezentrum hatten wie die anderen in der Liste genannten 20 000 Ärzte und Institutionen einer Veröffentlichung ihrer Bezüge übrigens vorab explizit zugestimmt. Ein Großteil der insgesamt 71 000 Bezieher tat das nicht – und will unerkannt bleiben.