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Warum Flüchtlinge Fahrräder brauchen

Asylbewerber in Löbau-Zittau wollen mobil bleiben. Das birgt Probleme. Bei der Lösung können auch Einwohner helfen.

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© Rafael Sampedro

Von Romy Kühr

An der B 96 zwischen Friedersdorf und Ebersbach gehören sie längst zum gewohnten Bild: Flüchtlinge auf dem Fahrrad. Gerade im ländlichen Friedersdorf, wo der Landkreis ein Heim für Asylbewerber eingerichtet hat, ist es für die Bewohner ohne ein Fahrzeug schwierig, den Alltag zu bewältigen. Genau wie die Einwohner stehen sie vor dem Problem, dass es im Ort kaum Einkaufsmöglichkeiten gibt. Viele von ihnen fahren deshalb begeistert Fahrrad. Doch auch in Löbau und Zittau nutzen die Asylbewerber das günstige Fortbewegungsmittel auf zwei Rädern. Das ist nicht immer ungefährlich für alle Beteiligten. Denn in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen, gelten teils andere Verkehrsregeln. In manchen Gebieten ist das Radfahren nicht üblich und daher für die Zugezogenen ungewohnt.

Das Rote Kreuz in Löbau, das die Heimbewohner in Löbau und Friedersdorf betreut, hat dieses Problem erkannt und will für mehr Sicherheit sorgen: Das DRK möchte künftig Verkehrsschulungen für die Asylbewerber anbieten, berichtet Geschäftsführerin Silke Seeliger. Sie hat beim Freistaat Geld beantragt, um die Schulungen finanzieren zu können. „Ich warte aber noch auf einen Bescheid“, so Frau Seeliger.

Bisher übernehmen Betreuer in den Gemeinschaftsunterkünften die Aufgabe, den neu ankommenden Flüchtlingen die wichtigsten Regeln zu erklären, die in Deutschland für das Zusammenleben gelten. Dazu gehört das richtige Verhalten im Straßenverkehr. Auch Hartmut Stolz, Heimleiter der Unterkunft in Friedersdorf, gibt regelmäßig Schulungen. Allerdings erschwert ihm das nicht immer vorbildhafte Verhalten der deutschen Einwohner mitunter die Arbeit, berichtet er.

Das kann er mit Beispielen untermauern, die er immer wieder erlebt. Wenn er Neuankömmlingen die Verkehrsregeln erklärt, tut er das meist direkt an der B 96. „Ich erkläre dann, dass man mit dem Fahrrad auf der Straße fahren muss, nicht auf dem Gehweg“, erzählt Hartmut Stolz. Manchmal passiert es aber, dass in genau dem Moment ein Radfahrer kommt – auf dem Fußweg. „Dann fragen die Bewohner natürlich zu Recht, was hier los ist.“ Eine andere Episode, die der Heimleiter erlebt hat: Er steht mit Asylbewerbern an der Hauptstraße, ein Radfahrer biegt in eine Seitenstraße ab, ohne ein Handzeichen zu geben. „So etwas ist für die Leute verwirrend und meine Erklärungen sind eigentlich für die Katz‘“, ärgert sich der Friedersdorfer Heimleiter.

Dennoch belehrt er seine Schützlinge unermüdlich. Das muss er häufig wiederholen, denn die Bewohner im Heim wechseln ständig. Das Friedersdorfer Heim ist keine dauerhafte Unterkunft. Die Menschen bleiben nur so lange, bis ihr Asylantrag bearbeitet wurde oder ihre Status geklärt ist. Ziehen Bewohner aus, werden auch die Fahrräder an die nächsten weitergegeben. Denn die zumeist alten Räder sind fast ausschließlich Spenden von Einwohnern, die der Einrichtung übergeben wurden. Einige wenige Asylbewerber haben sich selbst gebrauchte Fahrräder gekauft. In Zittau haben Ehrenamtliche vom Verein „Freiraum“ mit einer Spendenaktion dafür gesorgt, dass die Asylbewerber in der Stadt mobil sind. Sie hatten aufgerufen, alte Räder zu spenden. Von den Einnahmen aus einer Kunstauktion wurden die alten Gefährte dann repariert und Flüchtlingsfamilien übergeben. Auch angesichts der Debatte um die Bezahlung von Taxifahrten für Flüchtlinge begrüßen Behörden und Betreuer, dass die Asylbewerber auf diese Weise mobil bleiben. So lobte Landrat Bernd Lange (CDU) im Frühjahr die Idee aus Rothenburg, wo Asylbewerber zuerst Fahrräder gespendet bekamen und seitdem das Fortbewegungsmittel nutzen.

Dabei ist das Radfahren für manche komplettes Neuland. Einige der ausländischen Frauen hätten es sogar erst hier gelernt, berichtet Frau Seeliger vom DRK. In Afghanistan zum Beispiel dürfen Mädchen und Frauen kein Fahrrad fahren. „Das ist dort nicht gern gesehen“, bestätigt der Friedersdorfer Heimleiter Hartmut Stolz. Er erzählt die Geschichte einer jungen Afghanin, die allein mit ihrem kleinen Kind ins Friedersdorfer Heim kam. Sie musste zum Einkaufen immer bis nach Ebersbach zum Discounter laufen. Er habe ihr den Vorschlag gemacht, doch mit dem Rad zu fahren. Sie sei erst skeptisch gewesen. Gemeinsam mit zwei anderen Frauen habe sie sich dann aber auf den Weg gemacht und auf einer abgelegenen Straße im Ort das Radfahren geübt. Heute radelt die junge Frau regelmäßig zum Einkaufen. „Das fand ich beeindruckend“, sagt der Friedersdorfer Heimleiter.