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Warum Hirschfelde keine neue Industrie bekommt

Das alte Kraftwerksgelände sollte für Ansiedlungen entwickelt werden. Doch es gibt zu viele Hürden.

Von Jan Lange
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© Rafael Sampedro

In Hirschfelde sollte auf dem alten Kraftwerksgelände ein Industriegebiet entstehen. Denn in Zittau sind größere Flächen für Industrie-Neuansiedlungen knapp. Vom „großen Wurf“ ist der Plan momentan weit entfernt. Nur noch rund die Hälfte der ursprünglich angedachten Fläche soll entwickelt werden. Der Großteil davon ist von bestehenden Unternehmen belegt. Dass in absehbarer Zeit keine neuen Flächen erschlossen werden, kritisiert Zittaus Ex-Bürgermeister Michael Hiltscher (CDU). Er sieht den Ort in seiner Entwicklung gehemmt und fordert nach wie vor die große Lösung. Doch für die gibt es viele Hürden.

Doch das Plangebiet ist deutlich geschrumpft.
Doch das Plangebiet ist deutlich geschrumpft. © SZ-Grafik

Welche Fläche soll aktuell entwickelt werden?

Etwa die Hälfte des früheren Kraftwerks- und Fettchemie-Geländes soll derzeit entwickelt werden. Bei den allerersten Planungen 2013 war noch von einer deutlich größeren Fläche die Rede. Das vorgesehene Industriegebiet sollte damals bis zur Straße des Kraftwerks reichen und sogar Flächen südlich davon sollten für Neuansiedlungen entwickelt werden.

Warum hat die Stadt den Planungsbereich deutlich verkleinert?

Das hat mehrere Gründe. So gibt es Teilflächen, die mit Altlasten kontaminiert sind. Nach Abstimmung mit der Unteren Abfallbehörde des Landkreises sind diese Flächen aus dem Plan herausgenommen worden, da sie einen sehr hohen Sanierungsbedarf aufweisen. Zum anderem ist das alte Kraftwerksgelände als Überschwemmungsgebiet bei einem Hochwasser ausgewiesen. Für die Errichtung baulicher Anlagen in solchen Gebieten gelten strenge gesetzliche Anforderungen. Ausnahmen müssen von der zuständigen Baurechts- oder Unteren Wasserbehörde des Landkreises genehmigt werden. Um eine Ausnahme zu beantragen, muss zum Beispiel nachgewiesen werden, dass es keine andere Möglichkeit für Industrieansiedlungen in der Stadt gibt, dass bei einem Hochwasser keine erheblichen Sachschäden zu erwarten oder sogar Menschenleben gefährdet sind. Für ein bebautes Überschwemmungsgebiet müssen auch Ersatzflächen ausgewiesen werden. Das Bauen in Überschwemmungsgebieten ist also nicht prinzipiell verboten, unterliegt jedoch hohen gesetzlichen Hürden.

Warum sollte gerade in Hirschfelde eine Ausnahme genehmigt werden?

Hiltscher verweist auf die über 100-jährige Industriegeschichte des Hirschfelder Standortes. Nach seiner Meinung sollten eher alte Industrieflächen wiederbelebt, als ganz neue ausgewiesen werden. Der CDU-Kreisrat aus Hirschfelde kritisiert, dass die Gemeinden der Ausweisung als Überschwemmungsgebiet nicht widersprochen haben. Und auch, dass derartige Flächen nur auf deutscher Seite ausgewiesen wurden, während in Polen die Außenhalden der Grube Turow bis fast an die Neiße herangekippt werden. Überschwemmungsgebiete werden von der Wasserbehörde festgelegt. Solche Entscheidungen werden von Menschen gemacht und können auch wieder verändert werden, findet Hiltscher.

Warum wird das Gelände nicht besser gegen Hochwasser geschützt?

Bisher gibt es nur einen Hochwasserschutzdamm im Bereich der Fit-Fabrik. Der Deich soll verlängert werden. Die Planung des Projektes hat sich verschoben, da zurzeit ein hydraulisches Modell erstellt werde, heißt es aus der Landestalsperrenverwaltung (LTV). Mit dem Modell sollen mögliche Strömungen bei Hochwasser simuliert werden. Die Ergebnisse dieser Berechnungen werden als Grundlage für die Überarbeitung der Planung herangezogen. Nach SZ-Informationen gibt es Überlegungen, den Hochwasserschutz quer über das Kraftwerksgelände zu führen. LTV-Mitarbeiterin Britta Andreas dementiert das nicht. Zur genauen Streckenführung könne aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage gemacht werden, teilte sie mit. Alle Varianten werden nach Vorlage des 2 D-Modells neu betrachtet, erklärt sie.

Warum werden die Flächen mit Altlasten nicht saniert?

Diese Frage stellt sich auch Michael Hiltscher. Der Ex-Bürgermeister kritisiert, dass die Altlasten nicht längst beseitigt wurden. Zuständig ist die Gesellschaft zur Entwicklung und Sanierung von Altstandorten (Gesa). Warum nicht viel früher die Altlasten beseitigt wurden, diese Frage steht unbeantwortet im Raum. Das gar nichts passiert, widerlegen die Aussagen von Gesa-Pressesprecherin Gudrun Finger. Geplant sei für die Fläche des ehemaligen Tanklagers eine zweijährige Grundwasserüberwachung, die Teil einer Gefährdungsabschätzung ist. Dafür stimmen die Eigentümer laut Frau Finger derzeit den Kostenschlüssel ab. „Die Maßnahme soll im laufenden Kalenderjahr beginnen“, verspricht sie. Auf dem früheren Betriebsgelände der Leuna-Werke plane die Gesa nach Aussage von Gudrun Finger eine Detailuntersuchung zur Altlastensituation, die voraussichtlich noch dieses Jahr beginnen wird. „Die dazu erforderliche Anordnung des Umweltamtes des Landkreises steht derzeit noch aus“, erklärt die Gesa-Mitarbeiterin.

Vor dem Hintergrund des skizzierten Maßnahmepakets könne die Gesa zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussagen zu Nutzungsperspektiven treffen, sagt Frau Finger. Das aber erwartet Hiltscher: Eine klare Position für eine sinnvolle Nachnutzung der Flächen. Es müsse nicht unbedingt der belastete Boden ausgetauscht werden, meint er. Er könne auch verplombt werden, um als Bebauungsfläche zur Verfügung zu stehen.

Hat die Stadt Zittau keine Alternativen vorgesehen?

Bevor sich die Stadt für den Hirschfelder Standort entschieden hat, sind auch andere Gebiete geprüft worden, weiß Hiltscher, der damals Bürgermeister war. Aber jeder Standort habe seine Vor- und Nachteile, sagt der 69-Jährige. So ist zum Beispiel in Zittau-Süd die Kaltluftzufuhr aus dem Gebirge ein Hinderungsgrund. Auch eine Erweiterung des Weinau-Gewerbegebietes sei laut Hiltscher nicht ohne Weiteres möglich, da es dort ein Problem mit dem Altbergbau gibt. „Wir sind immer wieder auf das alte Kraftwerksgelände in Hirschfelde zurückgekommen“, sagt Hiltscher.