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Warum kaum jemand Sozialwohnungen baut

Bei der Förderung müsse dringend nachgebessert werden, sagen Investoren.

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© cube visualisierungen

Von Kay Haufe

Anfang Mai soll es losgehen mit dem Wohnungsbau am Altmarkt. Die Hamburger Firma Revitalis errichtet dort 213 Wohnungen, darunter auch 32 öffentlich geförderte, speziell für Mieter mit Wohnungsberechtigungs-schein. Die anfängliche Miete beträgt für sie 6,50 Euro pro Quadratmeter mit einer Bindungsfrist von 15 Jahren. Die Baukosten sind allerdings höher. Die Revitalis erhält dafür laut sächsischer Förderrichtlinie einen einmaligen Baukostenzuschuss, damit sie zu diesem Preis vermieten kann. „Aber wirklich freiwillig haben wir die Sozialwohnungen nicht gebaut, der Stadtrat hätte uns das Grundstück aber nicht verkauft, wenn wir nicht akzeptiert hätten“, sagte Revitalis-Vorstand Thomas Cromm auf dem Mitteldeutschen Bauträgertag am Donnerstag. Er sei sich nicht sicher, ob diese Dresdner Toplage geeignet sei für sozialen Wohnungsbau. „Aber wenn wir 2020 mit der Vermietung beginnen, wird die Schlange bis zur Elbe reichen“, ist er sich sicher. „Zum Glück haben wir aushandeln können, dass die Revitalis die Mieter aussuchen darf“, so Cromm. Zwei Millionen Euro büße seine Firma durch die Sozialwohnungen beim Verkauf ein, denn der orientiere sich an den Mieteinnahmen. Grundsätzlich habe Cromm nichts gegen Sozialwohnungsbau. „Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur staatlich geförderte und sehr teure Wohnungen haben, die durch solch ein Modell entstehen wie beispielsweise in München“, sagte Cromm.

Revitalis ist auf Dresdner Flur derzeit fast allein, wenn es darum geht, Sozialwohnungen zu bauen. Wie die Stadt bestätigt, gibt es nur einige wenige private Bauträger und Wohnungsunternehmen, die das Förderprogramm nutzen werden. Diese Entwicklung resultiere vor allem aus überschätzten Mietpreiserwartungen einiger Investoren, schreibt Pressesprecherin Anke Hoffmann auf SZ-Anfrage. „Für viele Investoren ist – trotz Förderung – der Bau von Sozialwohnungen weniger attraktiv als die renditeträchtige freie Vermietung oder der Verkauf von neugebauten Wohnungen.“

Auch Revitalis hat kein zweites Sozialwohnungsprojekt in Dresden. Die Firma müsse feststellen, dass die Zuschüsse gemäß aktueller Förderrichtlinie nicht ausreichen, um zumindest die Herstellungskosten zu decken, weil die Kostenmiete deutlich oberhalb liegt, sagt Revitalis-Pressesprecherin Daniela Börger. Sofern bei der Förderung nicht noch nachgebessert werde, wird es seitens der privaten Wohnungswirtschaft kaum möglich sein, dringend benötigten und bezahlbaren Wohnraum in ausreichender Anzahl in Dresden zu schaffen“, sagt sie auf SZ-Anfrage.

Gegenwärtig haben Menschen mit geringem Einkommen in Dresden immer noch gute Chancen, eine Wohnung zu finden, so Stadtsprecherin Anke Hoffmann. Das Sozialamt kann auf 10 200 belegungsgebundene Wohnungen zurückgreifen, davon 10 000 im Bestand der Vonovia. Allerdings mangelt es an bestimmten Typen, vor allem für große Familien mit fünf und mehr Personen und an altersgerechten Wohnungen. Die neue städtische Wohnungsgesellschaft (WID) will genau solche Wohnungen bauen. Aber angesichts steigender Mieten und weiterem Einwohnerzuwachses müsse das Angebot an niedrigpreisigen Wohnungen künftig weiter ausgebaut werden, vor allem für Singles, junge Familien sowie mit Blick auf die demografische Entwicklung ältere und behinderte Menschen, sagt Hoffmann. Hinzu komme, dass die belegungsgebundenen Wohnungen nicht dauerhaft gesichert sind: Der Vertrag mit der Vonovia reiche nur bis 2026, mit Option auf eine Verlängerung bis 2036. Deshalb hofft die Stadt, neben der WID auch andere Akteure zu finden, die sich im Sozialwohnungsbau engagieren.

Für die privaten Bauträger und Wohnungsunternehmen müsste sich jedoch einiges ändern, damit sie sich auf dem Feld engagieren. Hauptproblem ist neben stark gestiegenen Grundstückspreisen der enorme Baukosten-Anstieg, sagt Revitalis-Geschäftsführer Thomas Cromm. Allein im Februar dieses Jahres seien sie für konventionellen Wohnungsbau um vier Prozent im Vergleich zum Vormonat angestiegen. Die Kosten für einen Rohbau sind seit dem Jahr 2000 bis 2017 um 31 Prozent gestiegen, die Ausbaukosten um 64 Prozent und die Kosten für technische Gebäudeausstattung sogar um 132 Prozent, wie der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen BfW ermittelt hat. „Bezahlbare Mietwohnungen in Ballungszentren zu bauen, wird immer schwieriger“, sagt Cromm. Deshalb würden immer mehr Investoren, so auch die Revitalis, raus aus den beliebtesten Großstädten in kleinere Städte gehen. „Insgesamt wäre es sicher sehr hilfreich, wenn die Politik bei geplanten kooperativen Baulandmodellen die Akteure der Immobilienwirtschaft mehr miteinbeziehen würde“, sagt Cromm.

Der Erfurter Stadtplanungsamtsleiter Paul Börsch betonte in der Diskussion, dass es in allen Städten vor allem auf eine gute soziale Durchmischung ankomme. Auch für mittlere Einkommen müsse es Wohnungsangebote geben. Nur so könne der soziale Frieden gesichert werden.