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Was bedeutet Ihnen Weihnachten?

Fünf Dresdner erzählen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, wie und mit wem sie das Fest verbringen.

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Fünf Dresdner erzählen ihre Geschichten.
Fünf Dresdner erzählen ihre Geschichten. © Marion Doering, Christian Juppe

Sie alle haben eine besondere Bindung zum Weihnachtsfest in diesem Jahr - aber aus ganz unterschiedlichen Beweggründen. Julioa Tchakanova feiert ein für viele Menschen ungewöhnliches Fest. Für die Artistin spielt sich Weihnachten von früh bis spät hauptsächlich im Weihnachtszirkus ab. Ob es da überhaupt Zeit für besinnliche Momente gibt? Diese Frage stellt sich auch bei Martin Krüger. Denn der Arzt arbeitet an Heiligabend auf der Intensivstation des Uniklinikums.

Für sie kamen jahrelang gar keine Weihnachtsgefühle auf: Die ehemalige Obdachlose Anke Neumann erzählt, warum für sie in diesem Jahr alles anders ist. Alles anders - das trifft auch auf Thabet Azzawi zu. Für ihn war Weihnachten lange Zeit gar kein Begriff. Der leidenschaftliche Musiker ist aus Syrien geflüchtet und liebt Weihnachten heute besonders aus einem Grund.

All diese persönlichen Geschichten verbindet Sebastian Feydt. Der Pfarrer der Frauenkirche weiß, warum uns Menschen Weihnachten glücklich macht. 

Die Wohnungslose

Anke Neumann.
Anke Neumann. © Marion Doering

„Mich macht Weihnachten zum ersten Mal seit Jahren richtig glücklich. Ich bin mit meinem Mann im November nach Dresden gekommen und wurde obdachlos. Wir mussten zum Glück nur zwei Tage auf der Straße schlafen, dann konnten wir in die Nachtcafés der jeweiligen Kirchgemeinden ausweichen. Das schönste Geschenk ist, dass wir nun einen Platz in einem Übergangswohnheim gefunden haben. Jetzt müssen wir nicht mehr Nacht für Nacht in einem anderen Schlafsaal unterkommen und brauchen unsere Kleidung nicht mehr in Tüten mit uns herumtragen. Ich bin vor allem dankbar, dass uns viele Ehrenamtliche helfen – mit einer warmen Mahlzeit und einer Unterkunft. Das ist Weihnachten: Nächstenliebe. Jahrelang habe ich diesen Frieden nicht wahrgenommen, weil ich Alkoholprobleme hatte. Das habe ich hinter mir gelassen und freue mich auf das Zusammensein mit Freunden.“ 


Der Geflüchtete

Thabet Azzawi.
Thabet Azzawi. © Marion Doering

„Weihnachten hat für mich eine wichtige Bedeutung, weil ich viele Jahre so eine fröhliche, einträchtige Atmosphäre wie in diesen Tagen nicht erlebt habe. Nach meiner Flucht aus Syrien habe ich das zum ersten Mal so auf dem Weihnachtsmarkt im Stallhof wahrgenommen. Das war 2015. Damals habe ich auch meinen ersten Glühwein getrunken und fand ihn lecker. 

Das ist ein wunderbares Konzept: warmer Wein im Winter. Seit dieser Erfahrung freue ich mich auf Weihnachten. Für mich ist es die Zeit, um Freunde zu treffen, um leckeres Essen und Getränke zu genießen, zu musizieren und schöne Erinnerungen aufleben zu lassen. 

Da ich selbst Atheist bin, feiere ich Weihnachten nicht aus religiösen Gründen, sondern ich feiere die schöne Zeit an sich. Ich würde auch sagen, dass Weihnachten eine Zeit des Friedens ist. Deswegen denke ich, Menschen sollten sich jetzt auf die positiven Dinge im Leben besinnen.“


Der Pfarrer

Sebastian Feydt
Sebastian Feydt © Christian Juppe

„Weihnachten bindet für mich die losen Enden des Lebens zusammen: oben und unten, klein und groß, dunklen Schmerz und helle Freude. „Euch ist heute der Heiland geboren“ – das ist die himmlische Botschaft.

Und damit bin ich gemeint. Das Fest schließt mir den Himmel und das Herz auf. Lässt mich spüren, wie sehr ich mich nach Frieden sehne – „dem Frieden auf Erden“.

Die Welt ist, wie sie ist. Aber Weihnachten weckt in mir die Hoffnung, nicht davon auszugehen, dass sie immer so bleibt. Ich vermag, neu zu vertrauen, neue Liebe zu finden, darauf zu hoffen, dass es immer wieder neues Leben gibt.

Jetzt spüren wir, wonach wir uns sehnen: in Frieden zu leben, genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und Menschen zu haben, die mich lieben. Weihnachten bedeutet, sich zu freuen, dankbar zu sein für so viel, was nicht mein Verdienst ist, sondern mich sagen lässt: Gott sei Dank.“


Die Entertainerin

Joulia Tchakanova
Joulia Tchakanova © Marion Doering

„Weihnachten bedeutet mir als Mutter sehr viel. Es ist das Fest der Familie

– und meine ist besonders groß. Mein Mann und meine drei Kinder feiern die Tage hauptsächlich im Weihnachtszirkus. Heiligabend sind wir wie viele Familien zu Hause, aber dann kommt die große Zirkusfamilie zusammen – und natürlich meine Tiere. Alle Menschen vor und hinter der Bühne sind sich dann besonders nah. Wir ziehen mit Essen von Wohnwagen zu Wohnwagen, sitzen bis in die Nacht zusammen und erzählen von früher. Das ist magisch. Ich bin mit meinem Mann und unseren Kindern von früh bis spät hier, unser Leben, unser Fest findet hier statt. Ich genieße es, mit meinen Lamas und Hunden den Menschen im Publikum ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern – denn Weihnachten bedeutet auch, Freude und Glück zu schenken. In meiner Heimat Russland ist Weihnachten weniger familiär als hier in Deutschland. Die Menschen gehen in die Kirche, aber danach bleiben sie weniger zusammen. Das genieße ich hier sehr. Es zeigt, worauf es im Leben ankommt: gegenseitige Liebe.“


Der Arzt

Martin Krüger.
Martin Krüger. © Marion Doering

„Für mich ist Weihnachten insofern etwas Besonderes, weil ich meinen Beruf in diesen Tagen als sehr befriedigend erlebe. Das Fest sollte ja nicht nur Anlass sein, um Geschenke zu kaufen und zusammen reichlich zu essen, sondern vielleicht auch, um etwas Sinnstiftendes zu tun. Ich arbeite am Heiligabend und versuche im Dienst, etwas von der Ruhe, die man aus der Vorweihnachtszeit gesammelt hat, an die Patienten und die Schwestern weiterzugeben. Zum Beispiel indem man sich auch einmal mehr Zeit für ein Gespräch nimmt, als es sonst möglich ist. Wir haben auch Rituale auf Station: ein Weihnachtsfrühstück. Zum ersten Mal wollen wir für die Patienten singen. Der Heiligabend selbst ist bei uns schlecht planbar. Neben schwer kranken Patienten können Notfälle hinzukommen. Und da über Weihnachten niemand ins Krankenhaus möchte, sind diese Notfälle dann auch meist sehr ernst.“