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Weinputten gegen die bösen Geister

Jens Braun belebt die zu trauriger Berühmtheit gelangte Pension im Gimmlitztal – mit viel Atmosphäre und einem Fest.

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© Frank Baldauf

Von Jane Jannke

Osterzgebirge. Spätsommer im Gimmlitztal. Nachdem im Herbst 2013 die halbe Welt nach dem beschaulichen Tal blickte, war Ruhe eingekehrt. Endlich. Ruhig war es auch um die schicksalsträchtige Pension geworden. Ob hier je wieder Gäste weilen würden, das fragten sich seit jenen grauenvollen Novembertagen nicht nur die Anwohner. Ein neuer Eigentümer ließ lange auf sich warten. Reden will hier heute kaum noch jemand über damals, als das Tal seine Unschuld verlor. Man solle die Vergangenheit endlich ruhen lassen, so denken viele hier. Auch Jens Braun denkt so – mit Einschränkung: ruhen lassen – ja, vergessen – nein.

„Ich möchte das Haus wieder zu einem seriösen Ort machen, an den die Leute gerne und nicht nur zum Gaffen kommen“, sagt der 52-Jährige. Dass es leer stand, habe er aus der Zeitung erfahren. „Da fuhr ich hin und dachte: wow!“ Der langgehegte Traum von der eigenen Gastwirtschaft – plötzlich ist er greifbar nah. Auch, wenn es derzeit noch ein Nebenerwerb ist. Im Herbst 2015 kauft der gebürtige Auer die Pension samt 6 000 Quadratmetern Grund vom Vorbesitzer, dem Lebenspartner des Mannes, der mutmaßlich im Keller des Hauses einen Menschen tötete.

Seither hat Braun einiges bewegt. Auch, um den Leuten die Vorbehalte zu nehmen. Das Grusel-Image könne er nicht mehr hören, sagt er. Dass mancher dennoch beim Gedanken an das 150 Jahre alte Haus unweit der Illingmühle unweigerlich auch an die Tat denkt, sei verständlich, sagt Braun. „Aber ich fühle das nicht. Die Menschen sind eben verschieden.“ Den Schlussstrich, den Braun gerne unter die unrühmliche Vergangenheit ziehen will, spürt man bereits auf der neuen Homepage der Pension, die nunmehr den Namen „Weinputtenpension“ trägt – unschuldig, romantisch, wie das Tal. Der Tote vom Gimmlitztal – er fehlt unter dem Menüpunkt, der die Geschichte der Pension abbildet.

Am 4. November 2013 war im Keller des Hauses der 59-jährige Unternehmensberater Wojciech S. aus Hannover zu Tode gekommen. Ob nun durch Mord, Tötung auf Verlangen oder aber durch Selbstmord – das ist juristisch bis heute nicht geklärt. Im April erst hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichtes Dresden vom Frühjahr 2015 auf. Damals war der heute 58-jährige Hartmannsdorfer Detlev G. zu acht Jahren und sechs Monaten Haft wegen Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebes verurteilt worden. Nun muss das Landgericht den Fall erneut verhandeln. Detlev G. sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft. Selbst ein Freispruch für den Mann, der gestand, Wojciech S. erstochen, seine Leiche zerstückelt und anschließend im Garten begraben zu haben, wäre nun theoretisch wieder möglich.

Jens Braun wünscht sich endlich wieder positivere Schlagzeilen für das Tal und die Pension – und sorgt selbst dafür. Am Gebäude hat er schon vieles verändert. Die Zimmer haben neue Fenster bekommen, hübsche Gardinen und teilweise sogar neues Mobiliar. „Ein paar Zimmer möchte ich aber auch im alten Stile lassen, weil manche Gäste den DDR-Charme einfach mögen“, so der 52-Jährige. Im nächsten Jahr soll dann noch ein neuer Außenputz folgen. Wichtigste Neuerung ist aber das Café, das Braun seit Februar in der Pension betreibt. Der hausbackene Kuchen habe sich bereits herumgesprochen. „Mittlerweile hatte ich auch schon einige Pensionsgäste – aus Angst abgesprungen ist mir bislang niemand“, so Braun lachend. Die meisten wüssten ohnehin, wo sie sich befänden.

Verschwiegen oder vergessen werden soll nichts. Deshalb will Braun ein Museum einrichten, das die Geschehnisse von damals sachlich und fachlich aufarbeitet – ohne Hysterie und Tamtam. All das habe dem Vorbesitzer, zu dem er guten Kontakt halte, arg zugesetzt. „Er war völlig unverschuldet in diese Situation geraten und hat dadurch alles verloren.“ Gehetzt und verfolgt habe man ihn, lange Zeit habe er wie im Zeugenschutzprogramm leben müssen. Aber das habe nie jemanden interessiert. „Zum Glück hat er sich mittlerweile wieder aufgerappelt“, so Braun.

An diesem Sonnabend sollen Fröhlichkeit und gute Laune die bösen Geister endgültig aus dem Haus treiben. Ein Schlagerfest soll für gutes Karma sorgen. Dazu hat Braun sogar mit Sängerin Regina Thoss Schlagerprominenz aus früheren Tagen engagiert. Ursprünglich war auch Monika Herz eingeladen, aber die sagte aus unbekannten Gründen kurzfristig ab. „Wir haben mit dem Andrea-Berg-Double Mandy Schwarz aus Dresden aber würdigen Ersatz gefunden“, so der Neu-Gastwirt. Beginn ist um 18 Uhr, das Programm, unter anderem mit dem Schauspielduo „Die köstlichen Sachsen“ und G.rockt aus dem Erzgebirge dauert bis 23 Uhr, danach ist Open End angesagt. Der Eintritt kostet 9,95 Euro an der Abendkasse.

Die Weinputtenpension im Gimmlitztal ist von März bis Oktober geöffnet. Das Café sonnabends und sonntags 13 bis 17 Uhr.