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Weißiger wollen Wettiner Straße

Das könnte der neue Name für die jetzige Hauptstraße sein. Was hat eine alte Postkarte mit dem Vorschlag zu tun?

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© Anne Hübschmann

Von Jörg Richter

Weißig am Raschütz. In der ehemaligen Blochwitzer Schule liegt sie abgeheftet: die lange Geschichte von Weißig am Raschütz. Ortschronistin Annelies Bennewitz hat sie zusammengetragen und bewahrt sie für die Nachwelt auf. Sie weiß alles über ihren Heimatort und auch, dass die Weißiger früher zum ehemaligen sächsischen Königshaus, den Wettinern, eine enge Bindung empfanden.

Daniel Prinz von Sachsen, Chef des Hauses Wettin.
Daniel Prinz von Sachsen, Chef des Hauses Wettin. © kairospress

Die 76-Jährige befürwortet den Vorschlag des Weißiger Ortschaftsrates, im Zuge der anstehenden Straßenumbenennungen die Hauptstraße in Wettiner Straße zu verändern. „Ich finde das gut, weil die Wettiner bis 1945 die letzten Besitzer des Raschütz-Waldes waren“, sagt die Ortschronistin.

Bei der Fürstenabfindung 1924 erhielt die ehemalige sächsische Königsfamilie den Raschütz-Wald zuerkannt. Auch Felder rund um das ehemalige Forsthaus, das mitten in Weißig liegt, gehörten den Wettinern. Das sächsische Adelsgeschlecht liebte diese Gegend, kam gern zur Jagd hierher. Zum letzten Mal war es im Januar 1945, als Ernst Heinrich Prinz von Sachsen wenige Monate vor Kriegsende zur Wettiner Jagd einlud – wohl in dem Bewusstsein, dass damit eine Ära zu Ende ging.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Wettiner im Osten Deutschlands enteignet und verloren auch den Raschütz. Und mit ihm ein Kleinod. Denn königstreue Weißiger hatten auf ihre Weise den Wettinern ein Denkmal gesetzt. Eines, das dem heutigen Chef des Hauses Wettin, Daniel Prinz von Sachsen, als studierten Forstwissenschaftler wohl sehr gefallen hätte.

Gärtnerische Meisterleistung

Die Weißiger pflanzten 1889 am Waldrand Fichtenhecken und beschnitten sie. Beim Blick von oben ergaben sie die Jahreszahlen 1089 und 1889 sowie die Großbuchstaben H und A (für den damaligen Sachsenkönig Albert). Das H steht für Heinrich I., den ersten Markgraf von Meißen. Und das A steht für Albert von Sachsen, der von 1873 bis 1902 hiesiger König war. Mit dieser gärtnerischen Meisterleistung wurde an die 800-Jahr-Feier des Hauses Wettin erinnert. Das war die Art der Weißiger, ihrer Königsfamilie zu huldigen.

Die im Volksmund genannte „Wettin-Pflanzung“ geriet in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit. Nicht aber bei Annelies Bennewitz. Sie besitzt in ihrem Fundus eine alte Schwarz-Weiß-Postkarte von Weißig, die unter anderem diese Wettin-Pflanzung zeigt. „Diese Karte ist ganz wertvoll“, sagt die Ortschronistin. Wahrscheinlich sei sie das letzte Dokument, das die Wettin-Pflanzung bezeugt. Sie wurde nach dem Krieg von den Kommunisten beseitigt, denn diese Erinnerung an die royale Vergangenheit passte nicht ins sozialistische Weltbild. Das bedauert Annelies Bennewitz sehr, denn ihr Urgroßvater Karl Poppe war zu der Zeit, in der die Wettin-Pflanzung entstand, Bürgermeister von Weißig und bekennender Anhänger des sächsischen Königshauses. Wohl auch deshalb würde sich Annelies Bennewitz freuen, wenn es bald eine Wettiner Straße in Weißig gibt. Sie hat sich schon die Telefonnummer von Daniel Prinz von Sachsen besorgt. Sie möchte den neuen Chef des Hauses Wettin fragen, ob ihm der neue Straßenname überhaupt recht wäre.

Verbundenheit zur sächsischen Geschichte

„Das ist doch eine tolle Idee“, sagt Daniel Prinz von Sachsen, als er am Freitag durch die SZ von diesem Vorhaben erfährt. „Ich freue mich, dass der Vorschlag aus der Gemeinde gekommen ist. Das zeigt die Verbundenheit zur sächsischen Geschichte.“

Er weiß, dass der Raschütz einst ein Revier der Wettiner war. Gern hätten er und sein Vater diesen Wald nach der Wende zurückgekauft. Doch die Wettiner hatten sich auf den Forst ringsum Moritzburg konzentriert, wo Daniel Prinz von Sachsen mit seiner Frau und seinen zwei Kindern wohnt und arbeitet.

Der Gemeinderat Lampertswalde muss der Namensänderung von Hauptstraße in Wettiner Straße noch zustimmen. „Aber ich würde gern kommen, wenn es soweit ist und es terminlich passt. Selbstverständlich!“ sagt Daniel Prinz von Sachsen.

Wettiner Straßen sind selten. Es gibt sie in Leipzig, Wiesbaden, Meinigen und Altenburg. Die Wettiner Straße in Weißig am Raschütz wäre die erste ihres Namens in Ostsachsen. Damit würde für die Anwohner die Gefahr geringer, bei einer nächsten Gemeindefusion schon wieder sämtliche Personalien zu korrigieren.