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Landwirte protestieren am Eiland-Kreisel

Dutzende Fahrzeuge und weit über hundert Menschen demonstrierten gestern am Kreisverkehr in Bad Muskau. Friedlich, aber unübersehbar – und mit viel Zuspruch.

Von Sabine Larbig
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An allen Zu- und Abfahrtsstraßen rund um den Eiland-Kreisverkehr in Bad Muskau zeugten gestern nicht nur auf den Straßen abgestellte Fahrzeuge von der Demonstration.
An allen Zu- und Abfahrtsstraßen rund um den Eiland-Kreisverkehr in Bad Muskau zeugten gestern nicht nur auf den Straßen abgestellte Fahrzeuge von der Demonstration. © Sabine Larbig

Es ist 8 Uhr morgens und klirrend kalt. Auf den Straßen rund um den Eiland-Kreisverkehr stehen Traktoren von Landwirtschaftsbetrieben und Autos von Firmen aus dem Altkreis Weißwasser, aus Tschernitz, Jämlitz oder Döbern. Sie tragen Plakate wie „Es geht uns alle an!“, „Wir unterstützen unsere Bauern“ oder „Das Maß ist voll“. Neben den Autos stehen Menschengruppen an Feuerschalen, mitgebrachter heißer Tee und Kaffee wird geteilt, etwas später gibt es Grillwürste für Demonstranten.

Unter ihnen ist Sven, ein Landwirt aus Döbern. „Wir Bauern arbeiten 60 Stunden und mehr am Tag, sichern die Ernährung im Land, aber haben weder Wertschätzung unserer Arbeit noch können wir Firmen und Höfe wirtschaftlich unterhalten oder unseren Familien was bieten. Trotzdem werden wir durch immer neue Subventionskürzungen, Preis- und Steuererhöhungen, Auflagen und Bürokratie belastet“, erzählt er verärgert. Arbeiten und Leben werde immer teurer, während sich Politiker die Diäten erhöhen. Wenn es so weitergehe, sagt er, würden noch mehr Landwirtschaftsbetriebe, die bereits um das Überleben und den Arbeitsplatzerhalt kämpfen, schließen; müsse noch mehr Getreide und Fleisch teuer in aller Welt, statt vor der Haustür, eingekauft werden. Und das, obwohl dort, meint Sven, meist Pflanzenschutz, Tierwohl, Kontrollen wenig gelten. „Es ist falsch, dass es für eine Tonne Brotgetreide in der Mühle viel weniger Geld als für die Abgabe in der Biogasanlage oder für brache statt bewirtschaftete Flächen gibt oder dass man für einen 500-Kilo-Ballen Heu, mit dem man zehn Rinder zwei Tage füttern kann, nun 50 statt 25 Euro zahlt.“

Bad Muskaus Bürgermeister Thomas Krahl (li. Foto, Mitte) unterstützt die Demonstranten am Eiland, kam mit vielen von ihnen ins Gespräch.
Bad Muskaus Bürgermeister Thomas Krahl (li. Foto, Mitte) unterstützt die Demonstranten am Eiland, kam mit vielen von ihnen ins Gespräch. © Sabine Larbig

Frustriert ist gleichfalls Landwirt Silvio. „Einen Tag pflügen oder dreschen heißt pro Maschine 300 Liter Diesel. Nun soll der durch Abgaben und Wegfall der Steuerrückvergütung noch teurer werden. Dabei geht es uns Bauern schon seit Jahren so, dass wir ständig neue Belastungen durch Düngemittel- und Pflanzenschutzverordnung und Anbaupflichten haben, Sprit-, Maut- und Nebenkosten steigen, wir können all das kaum noch finanziell durchstehen. Das Fass ist voll, es reicht!“ So sehen es auch Mitarbeiter der Prohav Halbendorf, die in Bad Muskau mit demonstrieren. „So, wie jetzt, geht es nicht weiter in Deutschland. Deshalb protestieren wir“, bekennen sie und viele Mitarbeiter weiterer Handwerks-, Transport-, Dienstleistungsfirmen und anderer Branchen, die sich dem Bauernprotest am Eiland anschlossen. Genervt waren, durch damit verbundene Verkehrseinschränkungen, durchfahrende Kraftfahrer nicht. Die meisten hoben beim Fahren sogar anerkennend den Daumen, symbolisierten so ihre Unterstützung der Aktion.

Viele Branchen unterstützen Bauern

„Ich stehe zu den Landwirten, weil die Protestgründe uns alle betreffen. Nur noch arbeiten, um Rechnungen zahlen zu können, kann nicht sein. Abgesehen davon gibt es keine Lehrlinge mehr, die Arbeit für Arbeitende wird immer mehr, das Handwerk stirbt aus“,begründet Frisörin Anja ihre Demo-Teilnahme. Unzufrieden mit der Lage in Deutschland ist gleichfalls David aus Weißkeißel, angestellter Handwerker und alleinerziehende Vater. „Es kann mit den finanziellen Belastungen so nicht weitergehen. Trotz Arbeit bleibt am Monatsende nichts übrig.“ Und Klaus aus Bad Muskau, auch angestellter Handwerker, sagt: „Die Regierung ist vom Volk gewählt, macht aber Politik an ihm vorbei, belastet es immer mehr , schreibt vor, was es zu tun oder denken hat. Das ist keine Demokratie mehr. Deshalb protestiere ich mit.“

Am gestrigen deutschlandweiten Bauernprotest beteiligten sich auch Mitarbeiter der Prohav (re.) und anderer Branchen.
Am gestrigen deutschlandweiten Bauernprotest beteiligten sich auch Mitarbeiter der Prohav (re.) und anderer Branchen. © Sabine Larbig

Aus Sorge um die weitere wirtschaftliche Entwicklung ihrer Firma Tief- und Landeskulturbau und der Beschäftigten nahmen auch Geschäftsführerin Manja Nadebor und Mitarbeiter an der Demo teil. „Viele Gesetze, Steuern, Verordnungen sind völlig praxisfremd“, so die Unternehmerin. Beispielsweise müsse sie E-Radlader im Fuhrpark haben. „Die sind oft über Stunden bei Rohdungen im Wald im Einsatz. Da gibt es keine Ladesäulen. Also müssen Dieselaggregate mitgenommen werden, um Batterien laden zu können. Das ist doch Irrsinn.“ Ähnlich verhalte es sich mit kurzfristig eingeführten neuen oder höheren Abgaben und Steuern, die es allen Branchen schwer machen, wettbewerbsfähig zu sein und Aufträge zu bekommen. Und wenn man welche bekomme, könnten die Steigerungen oft nicht umgelegt werden. „Wir haben derzeit sieben Aufträge für Baumaßnahmen von einem halben bis einem Jahr Dauer, wo wir zur Angebotsabgabe die Entwicklungen nicht absehen und einplanen konnten, nun auf den Zusatzausgaben sitzenbleiben. Sowas ist wirtschaftlich für kein Unternehmen dauerhaft durchstehbar.“

Umso mehr ärgere sie, dass im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten den Teilnehmern oft rechte Bestrebungen unterstellt werden. „Das ist nicht so, aber es braucht dringend Veränderungen, wenn Landwirtschaft, Klein- und Mittelstand nicht aussterben sollen. Deshalb werden wir, sollte es weitere Proteste geben, auch da mitmachen!“, bekennt die Unternehmerin. Für weitere Proteste bereit zu sein, um (wirtschafts-)politische Veränderungen zu erreichen – auch diese Einstellung einte die gestrigen Teilnehmer. Bad Muskaus Bürgermeister Thomas Krahl (CDU), der sich beim Protest am Eiland mit vielen Teilnehmern unterhielt, kann dies nachvollziehen. „Es muss sich vieles in Deutschland verbessern dafür demonstrieren die Menschen hier friedlich und ich unterstütze das als Bürgermeister, wo ich kann.“