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Wie man einst in Schleife geheiratet hat

Eine Foto-Dokumentation über sorbische Hochzeiten im Kirchspiel stieß vor einem Jahr auf großes Interesse. Jetzt traf man sich zu einer Nachlese.

Von Andreas Kirschke
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Das Schleifer Hochzeiten-Buch findet große Resonanz. Ein Jahr nach dem Erscheinen traf man sich jetzt zu einer Nachlese im Sorbischen Kulturzentrum Schleife. Dabei kam Mitredakteurin Stephanie Bierholdt mit Norbert Struck aus Trebendorf ins Gespräch. Sein
Das Schleifer Hochzeiten-Buch findet große Resonanz. Ein Jahr nach dem Erscheinen traf man sich jetzt zu einer Nachlese im Sorbischen Kulturzentrum Schleife. Dabei kam Mitredakteurin Stephanie Bierholdt mit Norbert Struck aus Trebendorf ins Gespräch. Sein © Andreas Kirschke

Das Schleifer Kirchspiel mit seinen acht Dörfern bewahrt die Erinnerung an sorbische Hochzeiten. Dafür sorgt beispielsweise auch eine 150-seitige Foto-Dokumentation. Mit dem Titel „Schwarzweiss. Sorbische Hochzeiten im Kirchspiel Schleife 1902 – 1954. CernoBěłe. Serbske swaŕby w Slepjańskej wósadźe 1902 – 1954“ hatte der Domowina-Regionalverband Jakub Lorenc-Zalěski das Buch herausgegeben. Als es im September 2022 im Saal des Sorbischen Kulturzentrums (SKC vorgestellt wurde, stieß es von Anfang an auf großes Interesse. Über 50 Interessenten waren da gekommen. Jetzt, ein Jahr nach dem Erscheinen, traf man sich an gleicher Stelle sozusagen zu einer Nachlese. Aus gutem Grund: Die Macher erhofften sich neue Erkenntnisse, weitere Hinweise zu den Fotos, zu Personen darauf oder zur Einordnung der jeweiligen Hochzeit.

Die Dokumentation enthält 107 Motive von Hochzeitsgesellschaften. „Die Resonanz ist sehr gut. Wir erhielten viele Hinweise im Nachhinein – etwa über den Zeitraum der Hochzeit und über Personen“, sagte Stephanie Bierholdt, Mitarbeiterin des Sorbischen Kulturzentrums Schleife (SKC). Mit Heidemarie Richter und Wolfgang Kotissek verantwortete sie die Redaktion. Dank der Förderung durch die Stiftung „Zuhause in Schleife, Rohne, Mulkwitz“ gelang die Finanzierung des Buches. Die Erstauflage umfasste 300 Exemplare. Davon sind schon viele vergriffen.

Nicht nur eine Frage der Kleidung

In der Nachlese tauschten sich Redakteure und Einwohner rege aus. Stephanie Bierholdt griff einzelne Fotomotive auf. Bereits 1903 gab es Beispiele für Hochzeitsgäste ohne Tracht. Eine Braut heiratete 1912 sogar komplett in Schwarz. Deutete dies auf ihre Trauer hin? Oder war es Ausdruck der Abkehr von sorbischer Tracht? „Wir können es nicht mit Sicherheit sagen“, erklärte die Mitautorin. Mehrfach zeigt das Buch auch Beispiele von Hochzeiten mit Ehrenpforte. Diese war zumeist auf Deutsch beschriftet.

Intensive, zeitaufwendige Recherchen ermöglichten diese Dokumentation. Die Nachforschungen führten ins Kirchenarchiv Schleife, ins Standesamt Schleife, ins Standesamt-Archiv des Landkreises Görlitz, Außenstelle Niesky, sowie ins Archiv des Evangelischen Kirchenkreises Görlitz.

„Das Buch war eine sehr gute Idee. Hochachtung vor der Fleißarbeit. Überrascht war ich von der Kompaktheit der Themen. Denn außer der Trauung ging es um die Kleiderordnung, um Essen, Musik, Standesamt und Musikanten zur Hochzeit“, meinte Norbert Struck aus Trebendorf. Mit seiner Frau Manuela war er zu der Nachlese gekommen. Auf Seite 111 sind in dem Buch deren Vorfahren zu sehen. Jene Hochzeit fand am 8. März 1935 in Trebendorf statt. Hans Paulo und Marie Paulo heirateten.

„Das waren Verwandte von mir väterlicherseits“, sagte Manuela Struck. Ebenfalls auf dem Foto zu sehen sind ihre Großeltern mütterlicherseits Anna und Heinrich Stopora aus Trebendorf, ihre Großeltern väterlicherseits Anna und Christian Paulo und ihre Eltern Rudi und Ruth Paulo. „Beide waren damals noch Schulkinder. Sie ahnten noch nicht, dass sie später einmal ein Paar werden…“, so die Trebendorferin schmunzelnd.

Schleifer Kulturarchiv angeregt

Sorbische Hochzeiten wurden zu einzigartigen Feiern im Kirchspiel und über das Familiäre hinaus auch zu einem kulturellen Ereignis im Dorf. Das macht den Wert der Foto-Dokumentation aus. Quellen über die sorbischen Hochzeiten sind oft begrenzt. So existieren noch keinerlei Filmaufnahmen. Ebenso gibt es keine Fotos, die den Weg des Brautpaars zur Kirche oder das Innere der Kirche am Hochzeitstag zeigen. Die Anregung kam während der Nachlese, eines Tages für das Schleifer Kirchspiel ein ausführliches Kulturarchiv einzurichten. Darin könnten Trachten, Musikinstrumente, Dokumente und Fotos wie etwa die von sorbischen Hochzeiten aufbewahrt bleiben. „Das wäre doch ein Auftrag für die Domowina-Ortsgruppe Schleife“, waren sich die Anwesenden bei der Nachlese einig.

Als Lektor unterstützte Marek Krawc das Buch. Als Übersetzer brachte sich Dr. Hync Rychtaŕ ein. Von 1972 bis 2014 war er an der Universität Leipzig im Institut für Sorabistik beschäftigt – zunächst als Student, später als Doktorand und daraufhin viele Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Heute lebt er wieder in seiner Heimat Schleife.

Typische Singeweise erhalten

Für das Hochzeiten-Buch übersetzte er Teile vom Deutschen ins Schleifer Sorbisch und korrigierte Textstellen. Zudem übersetzte er Begriffe zum Beispiel von Instrumenten, Trachtenteilen und traditionellen Speisen ins Schleifer Sorbisch. Unverzichtbar, so bekräftigte er, gehörte zu einer sorbischen Hochzeit im Schleifer Kirchspiel die Musik. Es war eine langgezogene, gutturale, wehmütig klingende Singeweise. „Das war die typische Art, in Schleifer Sorbisch zu singen“, meinte Hync Rychtaŕ. Er fände es gut, „wenn das Sorbische Folkloreensemble Schleife und der Verein Kolésko diese Singeweise in ihr Repertoire mit aufnehmen und pflegen.“ Damit bliebe ein musikalischer historischer Schatz bewahrt.

Weitere Hinweise, Dokumente, Fotos zu sorbischen Hochzeiten nimmt das Schleifer Kulturzentrum gern entgegen.

Buchtipp: „Schwarzweiss. Sorbische Hochzeiten im Kirchspiel Schleife 1902 – 1954. CernoBełe. Serbske swarby w Slepjanskej wósadze 1902 – 1954“. Herausgegeben vom Domowina-Regionalverband Jakub Lorenc-Zaleski. Redaktion: Stephanie Bierholdt, Heidemarie Richter, Wolfgang Kotissek. Schleife 2022. Erhältlich für je 20 Euro im Sorbischen Kulturzentrum Schleife.