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Weißkeißel ist Vorreiter bei Solar & Co

Bei erneuerbaren Energien baut die Gemeinde ihren Vorsprung weiter aus. Gesetzt wird aber nur auf Projekte, von denen auch die Einwohner profitieren.

Von Sabine Larbig
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Symbolbild © Claudia Hübschmann

Ende April beschloss der Gemeinderat, dem Antrag der EnBW Solar GmbH nachzukommen, einen angebotsbezogenen Bebauungsplan (B-Plan) einzuleiten. Hintergrund ist, dass die EnBW, so Projektentwicklerin Sandra Streich, eine 46 Hektar große Photovoltaik-Freiflächenanlage westlich der Gemeinde plane. Noch würden die Flächen größtenteils landwirtschaftlich, als Grünland, bearbeitet, weshalb sie aber gesetzlich für die Errichtung einer Solaranlage geeignet seien. Kommt die, würden etwa 80.000 Module die Energie der Sonne einfangen und damit jährlich 55 Millionen Megawatt Strom erzeugen, die rund 19.000 Haushalte versorgen und 34.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.

Noch sind das nur Zahlenspiele, weiß selbst die Projektentwicklerin, Denn das Projekt steht noch am Anfang. Zwar laufen seitens EnBW bereits Verhandlungen mit Grundstückseigentümern. Von denen sind, verriet Projektentwickler Markus Franke in der Ratssitzung, aber ein Drittel unbekannt. Deshalb seien Erbenermittlungen nötig, um Pachtverträge abschließen zu können. Abgesehen davon musste das Unternehmen erst die Ratsentscheidung abwarten, bevor es weitere Schritte wie naturschutzfachliche Untersuchungen der Fläche und die Erarbeitung eines B-Planes einleiten kann. Allerdings ist EnBW, im Gegensatz zum vorhabenbezogenen B-Plan, durch den beschlossenen angebotsbezogenen B-Plan nicht zur Projektumsetzung verpflichtet. Angesichts der Grundstücksfragen ein wichtiger Aspekt.

Zudem war die Anlage ursprünglich viel größer und damit wirtschaftlicher geplant, wegen eines vor Ort ökologisch arbeitenden Landwirtschaftsbetriebes aber auf 46 Hektar minimiert worden. Laut Bürgermeister Andreas Lysk müsse dadurch zwar der Flächennutzungsplan angepasst werden. Aber generell sei das Entgegenkommen als „eine sehr gute Einigung und ein Interessenausgleich von Privaten bis Freistaat“, die dort Flächen hätten, zu sehen. Zudem trage die örtliche Energiegenossenschaft „Neue Energie Weißkeißel“ das Investorenprojekt mit, was wichtig sei.

100 Hektar für erneuerbare Energien

Direkt mit einbezogen und beteiligt sind deren über 160 Genossenschaftsmitglieder zudem bei einer Photovoltaik-Anlage rund um die Ex-Gaststätte Tanne. Dort, auf fast sechs Hektar Fläche, sollen die nächsten 30 Jahre 4,6 Megawatt Solarstrom pro Jahr produziert werden. Investor ist die Energiepark Weißkeißel GmbH & Co. KG, die – wie der Name verrät – einen Energiepark in Weißkeißel entwickeln und darin die Anlage sowie das alte und durch die Energiepark erworbene Windrad nordöstlich vom Dorf integrieren will. Im zweiten Schritt ist der Bau einer Speicheranlage geplant.

Damit all dies möglich wird, beschloss der Gemeinderat ebenfalls in der April-Sitzung die Aufstellung eines vorhabenbezogenen B-Plans „Sondergebiet Erneuerbare Energie Weißkeißel-Tanne“ sowie eine parallele Anpassung des Flächennutzungsplanes. Der weist noch eine Nutzung als Wildgehege aus, die nie stattfand. „Wir stellen jetzt die Ampel auf Grün und wenn die Anlage steht, haben Pächter, örtliche Stallanlage, Viereichener Agrar Weißkeißel und die Bürger was davon“, so Lysk. Dass Gemeinde und Bürger so offen gegenüber erneuerbaren Energien sind, verwundert einerseits. Denn als dem Bau des privaten Windrades, es war das Erste im Kreis Görlitz, zugestimmt wurde, gab es auch Versprechen, dass die Gemeinde mit davon profitiere. „Dazu kam es leider nie, weshalb wir trotz Booms und vieler Interessentenanfragen nach Flächen für erneuerbare Energien lange Zeit skeptisch und vorsichtig blieben, alle Vorhaben im Rat vorstellen ließen, diskutierten, abwägten“, bekennt der Bürgermeister. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet, gilt Weißkeißel als Vorreiter bei Solar & Co.

In der knapp 2.200 Einwohner zählenden Gemeinde ist man mit den angeschobenen Energieprojekten und der mitgliederstarken Energiegenossenschaft längst auf der Zielgeraden hinsichtlich der deutschen Klimaschutzziele. Zumal es nicht beim derzeitigen Stand bleiben wird. So plant die Energieparkentwickler-Gruppe UKA auf 25 Hektar Fläche am Modellflugplatz Sagar-Kaupen ein Solarfeld, welches sich über die Gemeindegebiete Krauschwitz und Weißkeißel erstreckt. Produziert werden soll dort Strom für etwa 5.800 Haushalte. Möglichst 2025 will UKA, nach Zustimmung der Anliegergemeinden, bereits mit dem Bau der Anlage starten. Ein weiterer Solarpark, südwestlich von Weißkeißel, entsteht an der Bahnlinie. Allerdings auf Boxberger Fläche.

Weg zur energieautarken Gemeinde

Alles in allem habe Weißkeißel, laut Bürgermeister Andreas Lysk, mit fast 100 Hektar Flächen für Solarenergie und eventuell noch einem Windpark seinen Anteil an den Klimazielen geleistet. „Wir sind als Gemeinde auf einem sehr gutem Weg, aber auch am Limit, was nutzbare Flächen betrifft, und ausreichend mit erneuerbaren Energien versorgt“. Ob das letztlich, und dank der örtlichen Energiegenossenschaft, dazu führt, dass Weißkeißel energieautark wird, kann und will der Bürgermeister derzeit nicht einschätzen.

Viele Investoren und Vorteile

Außer Frage steht für ihn dagegen, dass die Projekte mehrere, selbst für die Bürger der Gemeinde spürbare, Vorteile bringen. Die Grundstückseigentümer bekämen, erläutert Lysk, höhere Pachten als bisher. Der Investor verdiene durch den Stromverkauf. Die Bürger würden von billigerem Strom – nicht zuletzt durch die Energiegenossenschaft, an der in Weißkeißel kein Investorenprojekt mehr vorbeikomme – profitieren und die Gemeinde habe zusätzliche Einnahmen in Form gesetzlich geregelter Abgaben. Nach Satzungsbeschluss könne sie außerdem auf zusätzliches Entgegenkommen der Investoren setzen. Die würden oftmals örtliche Klima- oder Naturschutzprojekte wie Schmetterlingswiesen, Lehrpfade oder öffentliche Ladestationen von E-Bike bis Handy fördern.

„Das Wichtigste für Kommunen sind aber die Zusatzeinnahmen, um weiter bewirtschaften, erhalten, entwickeln zu können. Auch Weißkeißel braucht sie“, unterstreicht Andreas Lysk. Noch sei die Kasse der Kommune nicht leer, sei man zahlungsfähig. Gespart werden müsse trotzdem. „Durch sinkende Steuereinnahmen und Zuschüsse, parallel steigende Ausgaben, werden die Zeiten nicht besser.“ Ein Weg, sich einen soliden Haushalt und weitere Investitionen zu sichern, seien Standorte für erneuerbare Energien.

Weißkeißel und seine Bürger haben das längst erkannt, sind aber erst durch neue Gesetze samt Abgabe- und Mitspracheregelungen erneut Vorreiter im Kreis, obgleich Kodersdorf, Boxberg, Rietschen oder Schleife auch aktiv sind. Gemessen an Einwohnern Energiegenossenschaftgröße und Flächen ist Weißkeißel aber Spitzenreiter.