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Weißwassers Stadtwerke-Chefin fürchtet Preislawine

Katrin Bartsch hat bei den Preisen keine guten Nachrichten für die Gas-Kunden ihres Unternehmens. Im schlimmsten Fall hofft sie, dass der Staat hilft.

Von Frank Thümmler
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Katrin Bartsch ist Geschäftsführerin der Stadtwerke Weißwasser.
Katrin Bartsch ist Geschäftsführerin der Stadtwerke Weißwasser. ©  Archiv/Nikolai Schmidt

Die schwierige Versorgungslage beim Gas spüren die Kunden der Stadtwerke Weißwasser am Preis. Schon zweimal seit Jahresbeginn wurde er für die Grundversorgung erhöht. Doch das ist noch nicht das Ende der Entwicklung. Im Gespräch mit TAGEBLATT stimmt Stadtwerke-Geschäftsführerin Katrin Bartsch ihre Kunden auf weiter steigende Preise ein. Und skizziert auch, was passiert, wenn Russland gar kein Gas mehr liefert.

Frau Bartsch, Gas-Importe aus Russland fließen weniger, die Bundesregierung hat den Alarmzustand ausgerufen, die Stadtwerke haben in diesem Jahr zweimal den Gaspreis erhöht. Womit müssen Ihre Kunden noch rechnen?

Eine zweimalige Preisanpassung gab es bisher in 2022 nur in der Grund- und Ersatzversorgung. Unsere Sonderverträge wurden alle einmal zum 1. Januar 22 angepasst.

Sollte Russland tatsächlich gar kein Gas mehr liefern, welche Kunden sind geschützt?

Sollten die Stadtwerke im Ernstfall nicht mehr ausreichend Gas geliefert bekommen, wird es notwendig, den Gasverbrauch durch gezielte Abschaltungen zu senken. Wichtig dabei ist: Schützenswerte Kunden werden bis zuletzt mit Gas versorgt. Schützenswert sind dabei alle privaten Haushalte sowie bestimmte Industriezweige. Beispiele dafür sind Krankenhäuser, stationäre Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen zur Pflege und Betreuung behinderter Menschen, Justizvollzugsanstalten sowie Feuerwehr, Polizei und Bundeswehreinrichtungen.

Private Kunden können sich also darauf verlassen, dass Gas fließt?

Private Kunden sind grundsätzlich geschützt, dennoch gibt es aktuell eine Erläuterung zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes. Demnach ist zu berücksichtigen, dass die Industrie im Ernstfall nicht allein die notwendigen Reduzierungen erbringen kann. ... Deshalb ist es klar, dass der Gebäudebereich geschützt bleibt, im Ernstfall aber dennoch einen relevanten Beitrag zu Einsparungen leisten muss. Neben der Notwendigkeit von freiwilligen Maßnahmen könnte in einer für die Gasversorgung kritischen Situation eine Begrenzung der Raumtemperatur in Bürogebäuden zum Beispiel vorgeschrieben werden, heißt es da.

Was passiert mit Kunden, die zum Beispiel wegen einer Kündigung Ihrer Versorgung durch einen anderen Anbieter neu von Ihnen versorgt werden wollen?

Ein Kunde, der von seinem Anbieter gekündigt wird, hat jederzeit die Berechtigung, sich selbstständig nach einem neuen Lieferanten umzuschauen und ein neues Vertragsangebot von diesem zu akzeptieren. In Notsituationen, wenn zum Beispiel kein neuer Lieferant gefunden wird oder der Kunde sich gar nicht erst darum kümmert, dann wird dieser durch den Ersatzversorger in seinem Netzgebiet beliefert, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Wenn Sie Gas heute als Versorger kaufen, liegt der Preis achtmal so hoch wie Mitte 2021. Wie wirkt sich das auf die Preise für Ihre Kunden aus?

Achtmal so hoch ist es nicht, da die SWW im Voraus die Mengen einkaufen und einen Mischpreis kalkulieren, da wir als Grundversorger auch Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden haben, wir die Versorgungssicherheit gewährleisten müssen. Dieser Mischpreis ergibt sich aus dem langfristig niedrigeren und dem kurzfristig höheren Preis. Im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgungstarife haben wir schon eine Preisanpassung zum 1. März und 1. Juni 2022 vorgenommen, weitere können wir derzeit nicht ausschließen. Wir gehen nach aktuellen Sachstand davon aus, dass unsere Gaskunden ab dem Jahr 2023 mindestens mit einer Verdoppelung des Preises rechnen müssen. Auch wird es voraussichtlich noch zwei neue Umlagen geben im Rahmen des Gasspeichergesetzes und Energiesicherungsgesetzes, welche noch zu weiteren Preiserhöhungen führen werden. Die genaue Höhe können wir noch nicht abschätzen, da die Verordnungen noch nicht veröffentlicht sind.

Sie kaufen Gas teuer ein, können diese Preise aber nicht 1:1 an Ihre Kunden weitergeben. Der Verband kommunaler Unternehmen hat einen Schutzschirm für Stadtwerke gefordert, der große Gasverkäufer Uniper hat um Staatshilfe gebeten. Benötigen die Stadtwerke Weißwasser Hilfe vom Staat?

Die SWW sind ein gesundes Energieversorgungsunternehmen, das natürlich alles kritisch beäugt. Preissprünge sollen durch die Anpassung im Energiesicherungsgesetz, welches sich gerade in der Beschlusspipeline befindet, durch ein Umlagensystem abgemildert werden. Dadurch sollen nicht einzelne Stadtwerke extrem belastet werden, sondern durch eine solidarische Aufteilung der Kosten das Ungleichgewicht ausgehebelt werden. Hilfe wäre etwa auch geboten, wenn es aufgrund der starken Preissteigerung zu erhöhten Forderungsausfällen kommt, welche das Stadtwerk in die Bredouille bringen.

Spüren Sie jetzt schon, dass Ihre Kunden die höheren Preise nicht mehr bezahlen können?

Momentan noch nicht, da keine vermehrten Sperrbelege aktuell durchgeführt werden. Wir rechnen jedoch mit vermehrten Forderungsausfällen bis Ende des Jahres. Zumindest im Strombereich kam es durch die EEG-Umlagen-Reduzierung zu einer Milderung im Strombereich. Trotzdem hoffen wir, dass sich hier im Staat etwas bewegt und hilft.

Spüren Sie, dass die Menschen schon Energie sparen?

Eine effektive Energieeinsparung ist noch nicht ersichtlich, da wir uns noch in den Sommermonaten befinden. Gasverbraucher haben dann ihre Heizung meist auf ein Minimum heruntergefahren zum Beispiel für die Wasserversorgung. Zu Beginn der Heizperiode und in den Wintermonaten wird dies besser in Ziffern zu erkennen sein. Die SWW verstärkt aktuell gezielt die Kommunikation, um zum Thema Energieeinsparung für mehr Achtsamkeit zu sensibilisieren. Jede Kilowattstunde die wir aktuell einsparen, hilft uns im Herbst und Winter. Die Aufrufe der Bundesregierung, Energie in jeglicher Form schon jetzt einzusparen, um die Gasspeicher trotz der aktuellen Gasknappheit schneller auffüllen zu können, dürften auch von unseren Kunden wahrgenommen und zumindest teilweise auch umgesetzt werden.

Wie bedrohlich ist die Lage für die Stadtwerke Weißwasser?

Die SWW hat so eine Situation noch nie erlebt und schätzt die Situation als sehr kritisch ein. Es wurde in Bezug auf die aktuelle Lage am Energiemarkt ein spezieller Krisenstab zusammengestellt, welcher die Lage und die aktuellen Risiken stetig überwacht und entsprechende Handlungsmaßnahmen für unser Unternehmen und alle Steakholder ableitet. Auch haben wir mit Veolia einen starken Partner zur Seite, der uns beispielsweise in Sachen Liquidität unterstützt.

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