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Zum Tanken nach Polen: Was der billige Sprit für Görlitz bedeutet

Dank einer Steuersenkung in Polen ist der Sprit in Zgorzelec seit Dienstag noch mal billiger. Das freut Autofahrer, Tankstellenpächter fürchten hingegen das Schlimmste.

Von Matthias Klaus
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Dana Riedel aus Weißenberg tankt am Zgorzelecer City-Center. Der Sprit ist hier deutlich billiger als auf der anderen Seite der Neiße.
Dana Riedel aus Weißenberg tankt am Zgorzelecer City-Center. Der Sprit ist hier deutlich billiger als auf der anderen Seite der Neiße. © Martin Schneider

Görlitz. Tanken in Polen? Natürlich! Ein bisschen ungläubig schaut Dana Riedel den Fragesteller an und dann vielsagend zur Preissäule. 1,35 Euro der Liter kosten hier Super und Diesel. "Da gibt es ja wohl keine Fragen", sagt Dana Riedel.

Dabei zählt die Tankstelle City-Center Zgorzelec gleich hinter der Görlitzer Stadtbrücke im unmittelbaren Grenzgebiet noch zu den teureren. Wer ein bisschen weiterfährt, zahlt weniger. Bei Citronex kostete der Liter Super am Montag 1,15 Euro. "Aber ich habe keine Lust, durch halb Polen zu fahren", schmunzelt Dana Riedel. Deshalb bleibt sie lieber hier, kennt sich mit der Tankstelle aus. Sparen wird die Weißenbergerin auf jeden Fall. Im benachbarten Görlitz kostet Superbenzin am Montag im günstigsten Fall bei Marktkauf 1,76 Euro, ansonsten um die 1,79 Euro.

Dana Riedel ist auf ihr Auto angewiesen, benötigt es für den Job. Sie arbeitet in der Pflege. Rund 30 Kilometer Fahrt nimmt sie in Kauf, um an den billigeren Sprit zu kommen. "Es lohnt sich", sagt Dana Riedel. Meist verbindet sie die Tanktour noch mit einem Einkauf im Nachbarland, damit sich die Fahrt wirklich lohnt.

Tankstelle Zgorzelec City-Center an der Stadtbrücke: Hier direkt an der Grenze ist der Sprit Dienstag noch relativ teuer.
Tankstelle Zgorzelec City-Center an der Stadtbrücke: Hier direkt an der Grenze ist der Sprit Dienstag noch relativ teuer. © Martin Schneider

Die Preisdifferenz beim Sprit beträgt teilweise 60 Cent/Liter

Der Benzin- und Dieselpreis sinkt in Polen jetzt noch einmal. Die polnische Regierung hat am Dienstag die Steuer auf Diesel und Benzin vorübergehend von 23 auf acht Prozent gesenkt. Mit der Maßnahme sollen die Menschen in Polen von den Folgen der Inflation entlastet werden. Der Anti-Inflationsschild freut offensichtlich auch deutsche Fahrzeugführer im Grenzgebiet. Am 20. Dezember wurde er aktiviert. Senken der Mehrwertsteuer auf Gas, Strom und Nebenkosten von 23 auf acht Prozent, eine monatliche Zulage für Haushalte, umgerechnet zwischen knapp 90 und 250 Euro, je nach Einkommen und Personenzahl - das beinhaltet der Schutzschild unter anderem. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki geht davon aus, dass das Paket den Inflationsdruck um ein bis anderthalb Prozent senken wird. Das schreibt er auf seiner Internetseite. Etwa die Hälfte der polnischen Haushalte könnte davon profitieren. Am Dienstag folgte der nächste Schritt, die Sprit-Steuersenkung.

Verband: 70 Prozent weniger Tankkunden in deutscher Grenzregion

Nicht so schön finden wohl die Tankstellenbetreiber auf der hiesigen Seite der Neiße die Aktionen der Regierung im Nachbarland. Während auf polnischer Seite die Autos zuweilen warten müssen, bis eine Tanksäule frei ist, sieht es in Görlitz ganz anders aus. Dabei gibt es im Görlitzer Stadtgebiet vier Tankstellen und auf Zgorzelecer immerhin sieben. Ein Tankstellenmitarbeiter in Görlitz, der anonym bleiben möchte, bestätigt die Flaute beim Tanken im Görlitzer Grenzbereich. "Viele tanken nur ein paar Liter, um damit bis zur nächsten, billigeren Tankstelle zu kommen", sagt er. Diese liegt dann auf polnischem Staatsgebiet.

Der Verband des Garagen- und Tankstellengewerbes Nord-Ost geht davon aus, dass der Tanktourismus Richtung Nachbarland noch einmal deutlich zunehmen wird. Der Verkehr über die Grenze sei bereits in den vergangenen Tagen gestiegen, sagte Verbandschef Hans-Joachim Rühlemann am Dienstag. Der Kraftstoff könnte in Polen demnächst bis zu 65 Cent billiger sein. Selbst wenn es "nur" 60 Cent wären: Bei getankten 50 Litern ergibt das eine Einsparung von 30 Euro. Der Verband des Garagen- und Tankstellengewerbes Nord-Ost betreut in Berlin und in den ostdeutschen Bundesländern etwa 300 Tankstellen.

So viel kostete der Sprit am Dienstag an der Total-Tankstelle auf der Görlitzer Bahnhofstraße.
So viel kostete der Sprit am Dienstag an der Total-Tankstelle auf der Görlitzer Bahnhofstraße. © Martin Schneider

Für die Branche in der Grenzregion hat die Anti-Inflationspolitik in Polen Hans-Joachim Rühlemann zufolge katastrophale Folgen. An der Grenze zu Polen gebe es einige Hundert Tankstellen, die um ihre Existenz bangen müssten. "Wir haben jetzt eine Situation, wie sie so schlimm noch nie gewesen ist. Da werden sich viele überlegen, ob sie nicht schließen", sagt er. Zahlreiche Mitarbeiter würden ihre Arbeit verlieren. Derzeit fielen schon bis zu 70 Prozent der Tankkunden weg.

Pächter fordern höhere Provisionen von Ölkonzernen

Der Verbandschef kritisiert die Mineralölgesellschaften. Denen sei es egal, ob die Autofahrer vor oder hinter der Grenze tankten, denn sie verkauften überall ihren Sprit und hörten nicht auf die Hilferufe der Pächter. Hans-Joachim Rühlemann erneuerte seine Forderung an die Mineralölgesellschaften, den Betreibern eine höhere Provision für Kraftstoffe pro Liter zu zahlen. Bislang liegt sie seinen Angaben zufolge zwischen einem und 1,2 Cent pro Liter - viel zu wenig, sagt er.

Dana Riedel jedenfalls wird in zwei Wochen wieder an der Tankstelle hinter der Stadtbrücke in Zgorzelec stehen. Dann hat sie vielleicht auch einen Kanister mit, damit sich der Tankausflug richtig lohnt. Heute hat sie ihn vergessen.