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SOE: Ein ganzes Hotel für Ukraine-Flüchtlinge

Unternehmer Ralf Thiele bietet das „Sigl’s“ in Bad Schandau als Unterkunft an – und setzt außerdem noch ein ganz besonderes Zeichen für den Frieden.

Von Thomas Möckel
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Hotelchef Ralf Thiele: "Wir können doch jetzt nicht so weitermachen, als wenn nichts wäre."
Hotelchef Ralf Thiele: "Wir können doch jetzt nicht so weitermachen, als wenn nichts wäre." © Daniel Schäfer

Den Ruf als „Frank Zander der Sächsischen Schweiz“ hat sich Ralf Thiele längst erarbeitet. Vom Musikgeschmack her liegen zwar Welten zwischen dem Unternehmer aus Pirna und dem Schlager-Barden aus Berlin. Doch was sie eint, ist ein großes Herz, ihr Einsatz fürs Gemeinwohl, für Menschen, die nicht so auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Thiele ist Geschäftsführer der Pura Hotels GmbH in Bad Schandau, Vereinschef der Lebenshilfe Pirna-Sebnitz-Freital, Stadtrat für die Freien Wähler in Pirna. Und wie der Sänger es in Berlin schon seit Jahren tut, lädt Thiele seit 2018 immer um die Weihnachtszeit Einsame, Bedürftige und Kranke ins Parkhotel Bad Schandau ein. Dort kredenzen er und sein Team den Gästen Gänsebraten, Rotkraut und Klöße. Kostenlos, versteht sich. Weil sich das in den beiden zurückliegenden Jahren wegen der Corona-Pandemie als schwierig erwies, kamen nicht die Menschen zum Gänsebraten, sondern der Gänsebraten zu ihnen.

Nun engagiert sich der Hotelchef erneut, aber in ganz anderer Weise. Eine Woche ist es jetzt her, dass Putins Armee die Ukraine überfiel, seither gibt es im übernächsten Land Tod, Leid, Zerstörung. Hunderttausende, bald gar Millionen, sind auf der Flucht. Thiele kann es noch immer nicht fassen, dass in Europa, im 21. Jahrhundert, mitten in der zivilisierten Gesellschaft, ein Land ein anderes mit einem solchen Krieg überzieht. Auch ihn befällt eine gewisse Ohnmacht, nichts wirklich ausrichten zu können gegen diesen Krieg. Doch tatenlos zusehen will er keinesfalls. „Ich möchte etwas tun“, sagt er, „weil mich das Ganze zutiefst erschüttert.“

Obdach für bis zu zehn Familien in Bad Schandau

Zur Pura Hotels GmbH gehören drei Herbergen, das Parkhotel und das Hotel „Sigl’s“ direkt in Bad Schandau, dazu das Hotel „Forsthaus“ ein Stückchen weiter weg im Kirnitzschtal. Und das Hotel „Sigl’s“, gleich gegenüber vom Kurpark, nimmt er jetzt geschäftlich komplett vom Netz, er hat das ganze Haus vorbereitet als Unterkunft für Ukraine-Flüchtlinge.

Etwa zehn Familien kann er dort separat unterbringen, sie finden dort Ruhe und alles, was sie brauchen. Mit seinen Mitarbeitern hat Thiele alles besprochen und alles in die Wege geleitet, die Belegschaft ist permanent im Standby-Modus. Kommen die ersten Schutzsuchenden, kann alles sofort losgehen.

Aber der Hotelier will den Menschen nicht nur eine Unterkunft geben, er will sich auch anderweitig um sie sorgen, weil er befürchtet, dass viele von ihnen hier schwer traumatisiert ankommen. Er hat, auch gemeinsam mit der Lebenshilfe, ein ganzes Ringsum-Paket geschnürt, es reicht von der Kinderbetreuung über psychologische Hilfe und medizinische Versorgung bis hin zu einem Fahrdienst, so er denn benötigt wird. „Es ist mir ganz wichtig, dass wir die Menschen nicht nur unterbringen“, sagt Thiele, „sondern sie in dieser Ausnahmesituation nicht allein lassen.“ Bei dieser Hilfe aber bleibt es nicht.

Hotel "Sigl's" in Bad Schandau: Bis zu zehn Familien könnten hier vorübergehend Obdach finden.
Hotel "Sigl's" in Bad Schandau: Bis zu zehn Familien könnten hier vorübergehend Obdach finden. © Pura Hotels GmbH

Gäste wollen für Ukraine-Flüchtlinge spenden

Das Tourismus-Unternehmen will die Menschen in der Ukraine auch finanziell unterstützen. Die Mitarbeiter und Thiele selbst haben Geld gespendet, reichlich 5.000 Euro sind inzwischen zusammengekommen. Und es soll mehr werden.

Um die Summe aufzustocken, helfen vor allem Touristen mit, die in den Pura-Hotels übernachten. „Immer mehr Gäste signalisieren uns, dass sie gern für die Ukraine spenden wollen“, sagt Thiele. Auch Geschäftspartner wollen weiteres Geld beisteuern.

Und das Geld soll möglichst direkt dorthin gehen, wo es unmittelbar gebraucht wird, am besten ohne Umwege über große Hilfsorganisationen. Thiele sucht gerade nach einem direkten Weg, um den Menschen in der Ukraine diese Spende zukommen zu lassen. Darüber hinaus plant er gemeinsam mit seiner Belegschaft noch eine besondere Aktion für den Frieden.

Große Sorge um einen fragilen Frieden

Als Unternehmen, sagt Thiele, stehe man für Urlaub, eine der schönsten Facetten im Leben und ein Zeichen unseres Wohlstandes. Aber ohne Frieden, kulturelle Vielfalt und den respektvollen Umgang miteinander sei dies alles nicht denkbar. Doch der Frieden, der das Leben, so wie man es kenne und liebe, erst möglich macht, sei äußerst fragil. „Das sollte uns allen spätestens in diesen Tagen bewusst werden“, sagt der Hotelchef.

Was derzeit in der Ukraine geschieht, verfolgen der Unternehmer und seine Mitarbeiter mit großer Sorge. Ein souveräner Staat kämpfe um sein Dasein – und tausende Menschen um ihre Freiheit, um ihr Leben. Sie bräuchten daher jede Aufmerksamkeit und Unterstützung. Doch nur ein Bild von einer Friedenstaube auf der Hotel-Internetseite zu postieren, erschien Thiele als zu profan.

Stattdessen will das Unternehmen zeigen, dass es derzeit auch anderes Wichtiges gibt außer dem gewohnten Tagesgeschäft, die Gäste sollen sehen, dass man in großer Sorge ist um die Menschen in der Ukraine, in großer Sorge um den Frieden im Allgemeinen.

Vorübergehendes Titelbild der Pura-Internetseite: Einfach mal für 48 Stunden nicht erreichbar.
Vorübergehendes Titelbild der Pura-Internetseite: Einfach mal für 48 Stunden nicht erreichbar. © Pura Hotels GmbH

Zwei Tage mal nicht erreichbar

Daraus entstand eine ungewöhnliche Idee. Unter dem Motto „#Innehalten“ nimmt das Hotelunternehmen für 48 Stunden seine Internetseiten vom Netz. Pura stellt damit keineswegs sein Geschäft ein, der Betrieb ist nur mal für zwei Tage weder über die Webseite noch die sozialen Netzwerke zu erreichen. „Es ist gedacht als Zeichen unserer Solidarität und um auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen“, sagt Thiele. Daher wolle man symbolisch tatsächlich einmal innehalten, zudem spenden und Unterkünfte bereitstellen.

Inzwischen, so Thiele, gebe es auch bundesweite Aktionen wie „#touristikhilft“ und „#evereybedhelps“, Initiativen deutscher Verbände im Tourismus. Thiele hofft nun auf Nachahmer und Unterstützer, vor allem hier in der Region und in der hiesigen Tourismusbranche, in der es ihm in dieser Hinsicht noch zu still ist. „Denn angesichts der Situation in der Ukraine“, sagt der Hotelier, „können wir doch jetzt nicht so weitermachen, als wenn nichts wäre.“