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Wenn der Laster plötzlich ein Auto ist

Unternehmern in der Region flattern geänderte Steuerbescheide ins Haus. Sie sollen doppelt so viel bezahlen.

Von Verena Toth & Birgit Ulbricht
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Insgesamt zehn Transportfahrzeuge hat der Döbelner Unternehmer Eckhard Weimert (links, mit Sohn Sebastian) für seine Dachdeckerfirma angeschafft, davon sieben mit Doppelkabinen und drei ohne. Für die Fahrzeuge zahlt er unterschiedlich hohe Steuersätze.
Insgesamt zehn Transportfahrzeuge hat der Döbelner Unternehmer Eckhard Weimert (links, mit Sohn Sebastian) für seine Dachdeckerfirma angeschafft, davon sieben mit Doppelkabinen und drei ohne. Für die Fahrzeuge zahlt er unterschiedlich hohe Steuersätze. © Dietmar Thomas

Döbeln. Die Verwirrung ist groß, der Ärger bei vielen Unternehmern in der Region aber noch viel größer. Wie aus heiterem Himmel sollen Firmentransporter neu besteuert werden. Betroffen sind Halter von Fahrzeugen mit sogenannten Doppelkabinen: Das sind Fahrzeuge mit Ladefläche und bis zu sechs Sitzen im Fahrgastraum. Oder aber Transporter mit mehr als zwei Sitzen und einer Ladefläche, sogenannte Pritschen.

Arnim Lorenz, Chef der Döbelner Ausbau und Modernisierungs-Gesellschaft, hat die neuen Steuerbescheide bereits erhalten und ist frustriert. Vier Fahrzeuge mit Doppelkabinen sind für seine Baufirma im Einsatz. Bislang waren dafür pro Auto etwa 180 Euro Steuer fällig. „Jetzt wollen die dafür mehr als 300 Euro. Das kommt mir wie staatliche Willkür vor“, schimpft der Firmenchef. Die deutlich höhere Steuer bedeutet für das mittelständische Unternehmen mit 20 Mitarbeitern eine erhebliche Mehrbelastung.

Auch Eckhard Weimert hat für seine Mitarbeiter der Dachdeckerfirma zehn Transportfahrzeuge, davon sieben mit Doppelkabinen und drei ohne. Im Wesentlichen seien die Fahrzeuge mit den sechs Sitzplätzen fast baugleich, lediglich von zwei verschiedenen Herstellern. „Die unterscheiden sich in Funktion und Ausstattung so gut wie nicht, allerdings ist der Steuersatz für beinahe jedes Fahrzeug anders. Warum, das weiß und verstehe ich nicht“, sagt er. 

Außerdem zahlt seine Firma für alle sieben Transporter tatsächlich bereits den höheren Pkw-Steuersatz. „Der liegt pro Auto zwischen 380 und 454 Euro. Im Gegensatz dazu zahlen wir für die drei Transporter ohne Doppelkabine 160 bis 185 Euro“, macht er den Unterschied deutlich. Er wolle sich nun ganz genau mit diesem Thema beschäftigen, denn auch er vermutet eine falsche Besteuerung.

Fahrzeuge dieser Art sind bei Handwerkern sehr beliebt, weil so die Möglichkeit besteht, Material und Personen zusammen auf die Baustelle zu bringen. Für Firmen, die Einsatzorte mehrere hundert Kilometer vom Firmensitz entfernt haben, lohnt sich also so ein Fahrzeug. Aber genau das ist zurzeit der Knackpunkt. Das Hauptzollamt Dresden begründet seine neue Berechnung auf Nachfrage damit, dass das Fahrzeug ja mit seinen mehr als zwei Sitzen überwiegend der Personenbeförderung diene und nicht zum Transport von Waren oder Baustoffen und somit die Zulassung als Lastkraftwagen verliert.

Hintergrund der neuen Berechnung ist eine bereits 2012 erfolgte Gesetzesänderung. Ziel war es seinerzeit, die steuerliche Begünstigung von sogenannten Pick-ups einzuschränken. Leichte Nutzfahrzeuge sollen wie Pkw besteuert werden, wenn sie überwiegend der Personenbeförderung dienen. Seit Ende 2018 werden durch den zuständigen Zoll aufgrund geänderter EDV-Programme massenhaft korrigierte Steuerbescheide verschickt. Allerdings werden auch leichte Nutzfahrzeuge, insbesondere die mit Doppelkabinen, nun wie normale Autos besteuert. Diese Änderungen werden nur aufgrund automationsgestützter Angaben der Straßenverkehrsbehörde und ohne nähere Prüfung umgesetzt.

Doch bei den neuen Steuerbescheiden häufen sich Fälle, in denen die sogenannten leichte Nutzfahrzeuge, die zulassungsrechtlich als Lkw gelten und bislang auch wie Nutzfahrzeuge behandelt wurden, durch die Zollbehörden nun fälschlicherweise als Pkw eingestuft. Mit diesem Problem gemeldet hätten sich in der Handwerkskammer Chemnitz bislang acht Betroffene mit der Bitte um Hilfe. „Die Zahl der Betroffenen schätzen wir aber als deutlich größer ein“, sagt Robert Schimke, Pressesprecher der Handwerkskammer Chemnitz. 

Er rät den betroffenen Unternehmern: „Die Fahrzeuginhaber sollten die Fahrzeugparameter mit den Angaben im Steuerbescheid vergleichen. Hier liegen nach unseren Kenntnissen die meisten Fehler.“ Auf jeden Fall müssten die betroffenen Fahrzeughalter fristgerecht Widerspruch einlegen und gegebenenfalls beim Zoll die Ausmessung bei einem Vor-Ort-Termin beantragen. Das Einspruchsverfahren vor der Zollbehörde ist kostenfrei.

Wer davon betroffen ist, sollte unbedingt Einspruch einlegen, rät auch Alexandra Künniger, die im Döbelner Renault-Autohaus Ertl Gewerbekunden betreut und solche Nutzfahrzeuge verkauft. Entscheidend ist, ob das Fahrzeug überwiegend der Personenbeförderung dient oder eben als Nutzfahrzeug eingesetzt wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es hier insbesondere auf das Verhältnis von Ladefläche zum restlichen Fahrzeug an. 

„Ist die Ladefläche eines Fahrzeugs mit Doppelkabine mindestens 50 Prozent länger als das gesamte Auto, dann sollte es weiterhin als Lkw, also als Nutzfahrzeug behandelt und auch so besteuert werden“, erläutert Alexandra Künniger.