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Wenn Mauersegler und Fledermaus umziehen

Fällt ein Wohnblock, müssen Vögel und Tiere ein Ersatzquartier bekommen. Wie das geht, zeigt das Beispiel Zittau-Ost.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Mit jedem abgerissenen Wohnblock verschwindet auch Lebensraum für einheimische Vogel- und Tierarten. Das Wohngebiet Zittau-Ost ist in den vergangenen Jahren immer kleiner geworden , von einst 25 Neubaublöcken stehen nur noch sieben. Vor dem Abriss der Blöcke an der Friedensgrenze 8 bis 14 und Bogatyniaer Straße 1 bis 7 in diesem Jahr wurden die Gebäude deshalb dahingehend untersucht, welche Vogel- und Tierarten sich dort eingenistet haben.

„Im Dachbereich der beiden Wohnblöcke fanden sich mehr Vögel und Tiere als in den Wohnblöcken, die wir in den vergangenen Jahren abgerissen haben“, sagt Bauingenieurin Martina Schöne, Leiterin Baubetreuung/Technik bei der Zittauer Wohnbaugesellschaft. Bauherren, die zurückbauen, sind verpflichtet, sich an die bestehende Umwelt- und Tierschutzgesetze zu halten. Schon in der Planungsphase zog die Wohnbaugesellschaft deshalb einen Gutachter hinzu, der untersuchte, welche Vogel- und Tierarten an oder in den Häusern vorkommen. Aus den Ergebnissen des Gutachtens leitete das Umweltamt beim Landkreis Ausgleichsmaßnahmen ab, die vom Bauherrn auf eigenen Kosten umzusetzen sind. „Die Ausgleichsmaßnahmen richten sich immer nach der vom Gutachter bestimmten Anzahl der Vögel und Tiere“, sagt Martina Schöne und ergänzt: „Beim Rückbau von Altbauten im Bereich Innenstadt fanden sich auch mal gar keine Vögel und Tiere.“

Im konkreten Fall Zittau-Ost entstand folgende Liste von Behausungen, die ersatzweise vor Baubeginn in der unmittelbaren Umgebung anzubringen waren: Fünf Nisthilfen für Mauersegler, zehn Nisthilfen für Mehlschwalben, vier Sommer- und zwei Winterkästen für Fledermäuse, drei Spatzenhäuser à drei Kammern und vier Halbhöhlen für den Hausrotschwanz. Allen Nicht-Vogelkundlern sei gesagt: Halbhöhlen sind nichts anderes als Nistkästen für Höhlen- und Nischenbrüter.

Weil im Neubaugebiet Zittau-Ost nur noch Plattenbauen stehen, wurden die neuen Quartiere für Vögel und Fledermäuse im Dachbereich der bestehenden Wohnblöcke in der Uferstraße und in der Straße Am Dreiländereck angebracht. „Im Giebelbereich der unsanierten Plattenbauten finden sich ausreichend Spalten und Schlitze zur Unterbringung der Nisthilfen und Höhlen“, so die Bauingenieurin. Damit die Bewohner der Wohnblöcke nicht von den neuen Nachbarn belästigt werden, wurde darauf geachtet, die Nistkästen nicht über Fenster, Balkone oder Eingangstüren anzubringen. Die Nisthilfen, Fledermauskästen, Spatzenhäuser und Halbhöhlen ließ die Wohnbaugesellschaft in der Tischlerei der Zittauer Behindertenwerkstatt anfertigen. Das neue Zuhause der Vögel und Fledermäuse wurde mittels Hebebühne an den Häusern montiert. Bei den Hausbewohnern gibt es eine hohe Akzeptanz für diese Ausgleichsmaßnahmen, versichert Wohnbau-Geschäftsführerin Uta-Sylke Standke.

Tier- und Umweltschutz sind jedoch nicht umsonst zu haben. Rund 12 000 Euro zahlte die Zittauer Wohnbaugesellschaft für den Umzug der Vögel und Fledermäuse. Die Kosten entstehen durch Planer, Gutachter, Dachdecker, Tischler und Bearbeitungsgebühren.

Die Wohnbaugesellschaft geht noch einen Schritt weiter und will auch für Insekten, Falter und anderes Kleingetier etwas tun. Auf den durch den Abriss entstandenen Brachflächen soll kein Rasen angelegt werden, sondern eine Wildblumenwiese entstehen, obwohl der benötigte Samen mehr als doppelt so teuer ist, wie das Saatgut für Gebrauchsrasen. Dafür entwickelt sich eine gesäte Blumenwiese meist unerwartet schön, aber etwas Geduld braucht es schon. „Es dauert zwei bis drei Jahre bis es wirkt“, sagt Frau Standke.