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Wer führt die Pferde zur Tränke?

Wochenendbetrachtung

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Von Erich Böhme

Die „konzertierte Aktion“ des legendären SPD-Superministers Karl Schiller aus den Jahren 1966 bis 1972 feiert Wiedergeburt. Am Tisch der CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel schworen Regierung, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Sachverständige das Blaue vom Himmel. Zumindest wenn es darum geht, die jäh absackende Konjunktur zu retten und zunehmende Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Ein „zweites Konjunkturprogramm“ in Milliardenhöhe soll kommen und ein „freiwilliger Verzicht“ auf betriebsbedingte Kündigungen.

Dazu viel Begleitmusik: Die Gewerkschaften rufen nach Konsumgutscheinen, die Wirtschaft nach Senkung der Rentenbeiträge und Abwrackprämien für Autos, die CSU und einige CDU-Mitläufer nach Steuersenkungen. Mehr war nicht drin und scheiterte am Veto der Kanzlerin.

Zumindest deren Zögern, zusätzlich in die Staatskasse zu langen, widerspricht dem Schiller-Credo, wer schnell gebe, gebe doppelt. Schon zu Zeiten der ersten Großen Koalition zahlte sich Zaudern trotz der Beihilfe des Finanzministers Franz Josef Strauß nicht aus. Schiller damals: „Wir haben die Pferde zur Tränke geführt, doch sie saufen nicht.“ Erst nach beherztem Eingriff führten Schiller und Strauß die Konjunktur aus dem Tal.

Heute scheint es umgekehrt, die Pferde würden wohl saufen, nur zur Tränke führt sie keiner. Vergebens die Beispiele der Engländer, der Franzosen und auch der „Lahmen Ente“ Bush, der die US-Autoindustrie stützt und den Rest der US-Wirtschaft.

Wie gelähmt starren Angela Merkel und Kassenwart Steinbrück auf den 20. Januar 2009. Wenn dann Barack Obama im Amt ist und mit Milliarden in die Wirtschaft eingreift, wollen auch sie nicht mehr zögern – als ob die deutsche Konjunktur vom guten Willen des US-Wunderpräsidenten abhinge.

Die Wahrheit hat wie immer zwei Seiten. In den Schubladen von Bund, Ländern und Gemeinden liegen noch viel zu wenige Investitionspläne für den Notfall. Der Übereifer, die Haushalte schuldenfrei zu stellen, hat gelähmt, der Zuversichtsappell der Kanzlerin und ihres lahmen Wirtschaftsministers – wie war noch der Name? – hat Ausgabenmutige gebremst. Jetzt wühlen sie in den Schubladen nach neuen Schuldenplänen.

Zu spät vielleicht, die bundesdeutschen Pferde zum Saufen zu bringen. Schiller hatte damals noch rechtzeitig die Kurve gekriegt; dann aber versagt, den Hahn wieder abzudrehen, was umso schwerer fällt, wenn man ihn zu spät aufgedreht hat. Wegen überbordender Staatsausgaben bei inzwischen anlaufender Konjunktur trat Schiller 1972 zurück.

Michel Glos – ja, so heißt der Wirtschaftsminister – möge sich sputen, sonst fällt er schon jetzt vom Schlitten.