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Wer hat’s erfunden?

Glühwein ist nicht nur auf Weihnachtsmärkten ein Renner. Seine Tradition liegt allerdings weitgehend im Dunkeln. Nun führt eine Spur nach Sachsen.

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© dpa

Von Martin Fischer

Weihnachtsmusik, gebrannte Mandeln, Bratwurst und: Glühwein. Er gehört zum Weihnachtsmarkt wie die Rute zu Knecht Ruprecht. Wohl kaum ein anderes Getränk lässt die weihnachtliche Vorfreude so wohlig in den Menschen aufsteigen. Das mag natürlich am Alkohol liegen; für einen richtigen Glühwein braucht es aber mehr: Gewürze, die Süße und die Weihnachtszeit natürlich. Doch woher kommt er, und wer hat ihn erfunden? Die Schweizer waren es nicht, so viel scheint festzustehen.

Mindestens eine Spur führt nach Sachsen, zum Raugrafen Wackerbarth. Und der ist sagenumwoben, wie der Referatsleiter im Sächsischen Staatsarchiv, Nils Brübach, zu berichten weiß. „Es hat immer geheißen, er habe versucht, Gold zu machen, sei ein Alchemist gewesen. Das ist aber falsch. Die einzige Rezeptsammlung, die sich im Nachlass findet, ist eben diese Sammlung von Rezepten zur Verbesserung von Weinen und für Mixgetränke auf Weinbasis.“

Der Dresdner Archivar ist fasziniert von August Josef Ludwig von Wackerbarth. Der lebte, hochgebildet, von 1770 bis 1850. Sein Wissen wollte er der Welt hinterlassen. In seinem Nachlass fand Brübach auch ein Rezept zur Herstellung des gewürzten Weines. Für eine Kanne – heute ein knapper Liter – sieht es 240 Gramm Zimt, 120 Gramm Ingwer, 60 Gramm Anis, 60 Gramm Granatapfel, 60 Gramm Muskatnüsse, 60 Gramm Kardamom sowie ein Gran – heute rund 60 Milligramm – Safran vor. Das Ganze muss nach der Wackerbarthschen Rezeptur noch mit Zucker oder Honig gesüßt und abgeschmeckt werden.

Schloss Wackerbarth ist heute noch immer ein Weingut. Man ist dort froh über das wiedergefundene Rezept vom 11. Dezember 1843. Zwar würden Art und Menge der darin beschriebenen Gewürze kaum mehr den Geschmack der heutigen Zeit treffen, sagt Sprecherin Ulrike Schröter, „aber es ist das wohl älteste überlieferte Glühweinrezept Mitteldeutschlands.“

Doch schon mindestens hundert Jahre zuvor war das Würzen und Süßen von „guten Weinen in kalten Landen“ in Sachsen ein Thema. 1747 beschrieb Johann Heinrich Zedler in seinem Universal-Lexikon, wie es geht. Von Glühwein ist in den alten Schriften allerdings nirgends die Rede, auch wenn die Vermutung naheliegt, dass der Würzwein schon damals erhitzt wurde.

Man trank ihn im Übrigen auch schon zu Zeiten König Gustav Wasas im 16. Jahrhundert am schwedischen Hof. Glögg heißt er heute und wird auch heiß serviert. Ob das schon damals der Fall war, ist sicher. Unstrittig dagegen Wasas Verbindung nach Sachsen: „Am 24. September 1531 heiratete er nämlich Katharina von Sachsen-Lauenburg, und ich vermute, dass er darüber auch den Würzwein kennenlernte“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz.

Das Weinland Sachsen hatte von alters her mit seinen Weinspezialitäten einen besonderen Stand, insbesondere beim Claret. „Der Claret ist ein weißer Gewürzwein, dem man im Mittelalter medizinische Eigenschaften zuschrieb“, sagt Büscher.

Und auch Raugraf Wackerbarth hält in seinen Aufzeichnungen ein Rezept für weißen Glühwein parat – auch wenn er ihn nicht so nannte. Insgesamt 65 Rezepte für weinhaltige Mixgetränke sind in den Schriften zu finden – darunter auch Erfrischendes für den Sommer. Doch während der Graf wohl die Vermarktung des Rebensaftes im Sinn hatte, ging es bei den Würzweinen aus grauer Vorzeit wohl eher um die Haltbarkeit oder schlicht darum, Ungenießbares trinkbar zu machen.

Übrigens wusste man schon im antiken Rom den Würzwein zu schätzen. Ein noch heute bekanntes Rezept, das dem des Glühweins nicht allzu fern ist, stammt vom Feinschmecker Apicius aus dem 1. Jahrhundert vor Christus – mit Weihnachtsmärkten hatte da nun wirklich noch niemand etwas am Hut. (dpa)