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Wer ist schuld an den Baugerüst-Unfällen?

Drei Arbeiter wurden verletzt, als Gerüste in Schmilka und Pirna einstürzten. Kamen die Chefs der Gerüstbaufirma ihren Pflichten nicht nach?

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© Mike Jäger

Von Yvonne Popp

Sächsische Schweiz. Im Mai 2014 beauftragt eine Gerüstbau-Firma einen ihrer Mitarbeiter mit dem Abbau einer Rüstung in Schmilka. Vor Ort stellt der Mann fest, dass er die Arbeit an dem recht großen Haus nicht allein bewältigen kann. Also bittet er einen Angestellten eines anderen Handwerksbetriebes, ihm beim Abrüsten zu helfen. Mitten im Rückbau lösen sich plötzlich die Verankerungen. Das Gerüst wird instabil und beginnt, sich zu verdrehen. Beide Arbeiter stürzen ab und verletzen sich zum Teil schwer.

Nur wenig später kommt es zu einem weiteren Vorfall mit einem Baugerüst, das von derselben Firma – diesmal an einem Haus in Pirna – aufgestellt worden ist. Hier lehnt ein Maler eine Leiter auf einer Gerüst-Etage an die Fassade. Als er die Leiter besteigt, stürzt die nicht verankerte Rüstung ein. Der Maler wird verletzt und muss im Krankenhaus behandelt werden.

Aber wer ist nun Schuld an den Einstürzen? Der Hersteller der Baugerüste, die Gerüstbau-Firma oder kommen etwa Dritte infrage, die ohne Rücksprache Änderungen an der Rüstung vorgenommen haben? Das versuchte das Amtsgericht Pirna in dieser Woche zu klären. Auf der Anklagebank saßen der Chef der Gerüstbau-Firma und sein Sohn, Jürgen und Philipp K. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Körperverletzung vor.

Die Gerüsthersteller würden die Beständigkeit der Konstruktionen nur dann garantieren, wenn die Rüstungen nach ihrem Regelwerk aufgestellt werden, führt ein Gutachter der sächsischen Landesdirektion für Arbeitsschutz aus. Bei Abweichungen müsse die Gerüstbau-Firma die Standsicherheit selbst nachweisen und gegebenenfalls von einem Ingenieurbüro prüfen lassen. Und das sei hier eben nicht passiert.

Philipp K.s Verteidiger erklärt, seinen Mandanten treffe keine Schuld. Er habe das verhältnismäßig kleine Gerüst um das Pirnaer Haus ordnungsgemäß nach den Vorgaben des Herstellers errichtet. Bei einer maximalen Rüstungshöhe von zwei Metern und einem zulässigen Höchstgewicht von 200 Kilogramm pro Quadratmeter seien keine Verankerungen vorgeschrieben.

Nun sei es aber unstrittig, dass das Anstellen der Leiter zum Umstürzen des Gerüsts geführt hat, sagt Richter Jürgen Uhlig. Er fragt, ob die Gerüstbauer nicht hätten erkennen müssen, dass ihre Konstruktion dieser speziellen Belastung nicht standhalten wird. Dazu, so argumentiert der Verteidiger, hätte sein Mandant wissen müssen, was der Maler vorhat. Hätte sein Mandant gewusst, dass der Maler Leitern einsetzen will, hätte er sicherlich Anker gesetzt.

Der Vorfall an dem Haus in Bad Schandau stellt sich anders dar. Hier sei das Gerüst von vornherein im Mauerwerk verankert worden, sagt Jörg L. Er ist derjenige, der zusammen mit einem zweiten Mann das Haus hatte abrüsten wollen. Warum sich die sogenannten Ringösen beim Rückbau lösten, kann sich L. nicht erklären.

Zwei Zimmermeister, die schon viele Jahre mit Jürgen und Philipp K. zusammenarbeiten, bestätigen deren Zuverlässigkeit. Ihnen zufolge ist es vorher nie zu ähnlichen Zwischenfällen gekommen. Die Handwerker berichten, dass auf der Baustelle in Bad Schandau nicht immer alles reibungslos vonstattengegangen sei. Ständig habe es Änderungen gegeben. Da könne es schon passiert sein, dass ein Arbeiter der anderen Gewerke einen Umbau am Gerüst vorgenommen hat, ohne Rücksprache mit den Angeklagten gehalten zu haben. Beide Männer vermuten das nur, selbst gesehen haben sie nichts Derartiges.

Nach den Aussagen der Zeugen zeichnet sich ab, dass es schwer werden wird, die Unschuld von Philipp und Jürgen K. zu beweisen. Dasselbe gilt aber auch für deren eventuelle Schuld. So stellt Richter Jürgen Uhlig das Verfahren gegen die Zahlung einer Geldauflage an die Geschädigten vorläufig ein. Der Maler, der vom Gerüst in Pirna stürzte, erhält 500 Euro, der Mann, der beim Abrüsten in Bad Schandau geholfen hatte, bekommt 8 000 Euro. Er ist seit dem Unfall arbeitsunfähig.