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Wer zieht die Strippen?

Im Prozess gegen die „Freie Kameradschaft Dresden“ hat eine Angeklagte nur ein Teilgeständnis abgelegt. Ein bekannter Security-Mann taucht dabei immer wieder auf.

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© dpa

Von Alexander Schneider

Dresden. Eigentlich sollte es an diesem Freitag doch um die 27 Jahre alte Janette P. gehen. Sie ist die einzige Angeklagte im Prozess gegen sie und fünf Männer im Alter von 22 bis 29 Jahren. Sie sollen zu einer rechtsextremen Vereinigung gehören, die als „Freie Kameradschaft Dresden“ (FKD) ein halbes Jahr lang in Dresden und Umgebung Angst und Schrecken verbreitete und immer wieder mit Gewaltaktionen gegen Asylbewerber und Andersdenkende aufgefallen ist. Am Mittwoch hat der Prozess vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden begonnen. Während die meisten Angeklagten „vorerst“ von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch machten, hat die 27-Jährige angekündigt, sich ab Freitag zu den Vorwürfen einzulassen.

Entsprechend groß war nun die Erwartung im Gerichtssaal. Was würde sie sagen? Wieder war ein gutes Dutzend Männer da, das offensichtlich zu den Angeklagten gehört. Ab und an schäkerten sie mit den Männern auf der Anklagebank. Was Jeanette P. jedoch sagte, wird ihnen weniger gefallen haben.

Die Frau, sie ist seit neun Monaten Mutter eines Sohnes und sitzt deswegen als Einzige nicht in Untersuchungshaft, berichtet recht arglos von der Gruppe, die sich im Juli 2015 in der Sportsbar „Pfefferminze“ in Dresden-Gruna gegründet habe. Sie sei dort schon lange Stammgast gewesen, weil sie sich dort Auswärtsspiele von Dynamo Dresden angesehen und Dart gespielt habe. Im Juli jedoch seien unerwartet überraschend viele da gewesen und Benjamin Z. (29), einer der Mitangeklagten, habe das Wort geführt. Es sei darum gegangen, mehr gegen die zunehmende Anzahl an Flüchtlingen zu unternehmen, als nur montags hinter Pegida herzulaufen, sagte die Angeklagte. Dass man sich schon da „Freie Kameradschaft Dresden“ nannte, habe sie nicht mitbekommen.

Interessant ist, dass nicht nur der frühere NPD-Landtagsabgeordnete René Despang der Gründung beigewohnt habe, sondern auch ein Security-Mann, den Janette P. schon lange kannte, weil ihr damaliger Freund für ihn gearbeitet habe: René H. Er sei Inhaber einer Sicherheitsfirma und für eine andere Sicherheitsfirma tätig, auch in Asylbewerberunterkünften. H. stelle gezielt Mitarbeiter mit rechter Gesinnung ein. Bei der FKD-Gründung habe der Mann explizit gefragt, ob man sich auch vorstellen könne, „mehr“ zu unternehmen als nur zu demonstrieren, gemeint waren Gewalttaten. Die Gruppe sei gespalten gewesen, sagte Jeanette P., sie habe sich von jeglicher Gewalt distanziert: „Das war nicht meine Sache.“

Fortan bestimmte René H. den Sitzungstag, wie schon in einem früheren Prozess gegen zwei weitere Mitglieder der FKD. Laut Jeanette P. war H. auch Ordner bei Pegida. Von ihm habe sie von der ersten Pegida-Demo im Oktober 2014 erfahren, an der sie auch teilgenommen habe. Da sei sie politisch aktiv geworden. H. habe auch zu einer rechtsextremen Demo am 1. Mai 2015 im thüringischen Saalfeld mobilisiert, an der sie mit anderen teilgenommen habe. Von René H. habe sie erfahren, dass in der Bremer Straße eine Zeltstadt für Asylbewerber geplant sei, weshalb sie mit ihm schon nachts dort gewesen sei, als die Bauarbeiten gerade begonnen hatten. Die Tage Ende Juli bezeichnete die 27-Jährige als Schlüssel dafür, dass sie mehr unternehmen wollte. „Jetzt haben wir die Asylantenflut auch in Dresden gesehen.“

Da an dem Protest gegen die Zeltstadt in der Bremer Straße schon in der ersten Woche viele Leute aus dem FKD-Umfeld waren, klang es nun nicht nachvollziehbar, dass P. bei der Gründung der Gruppe kaum jemanden gekannt haben will. Jeanette P. gab zu, am 23. August am Angriff auf die Asylunterkunft in der Podemusstraße, Stetzsch, beteiligt gewesen zu sein. Sie war schon zuvor in der Schäferstraße, wo FKDler gemeinsam mit Freitalern eine Unterkunft angreifen wollten. Sie habe gedacht, es sei dort nachts eine „Spontandemo“ geplant. Als von Steinen die Rede war, habe sie gehen wollen. Weil andere zum „Lindenhof“ in Stetzsch wollten, habe sie das Auto gefahren. Sie sei überrascht gewesen, als auch dort Steine und Böller flogen und habe sich entfernt.

Interessant: In der Schäferstraße hatte Janette P. wieder René H. getroffen – ebenso wie in Übigau am 18. Oktober. Die Angeklagte gab zu, ein Fluchtauto nach dem Überfall auf das alternative Wohnprojekt „Mangelwirtschaft“ gefahren zu haben. Allerdings habe sie nicht gewusst, dass ein gewalttätiger Angriff auf Menschen geplant gewesen sei. Während rund 30 teilweise vermummte Leute unter der Flutrinnenbrücke den Angriff planten, habe sie sich oben an der Waschstraße mit einem Mann unterhalten – René H. Es scheint, als ob H. ein „stiller Gesellschafter“ der FKD ist. Der Mann gilt als Drahtzieher des Überfalls auf Ausländer beim Dresdner Stadtfest 2016. Auch er war nach der Razzia gegen die FKD Ende November 2016 kurz in Haft, doch die Beweise reichten nicht – damals.

Janette P. ist gut informiert. Sie kennt Maik Müller, den Veranstalter der jährlichen rechtsextremen Demos am 13. Februar. Sie habe sich bei Despang beklagt, dass der sich mit Müller bekriegt habe. Despang habe ihr gesagt, neue junge Leute solle sie zu ihm schicken, nicht zu Müller. Warum P. das nun sagt, blieb unklar. P.s Einlassung war wohl bestenfalls ein Teilgeständnis. Von der Gewalt will sie oft nichts mitbekommen oder gewusst haben. Ihre Befragung wird am Mittwoch fortgesetzt.