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Wertvoller als Geld

Ein französischer Gendarm überlässt dem Militärmuseum sein Familienerbstück.

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Von David Nissen

Über 700 Kilometer ist der Franzose Jean-Marc Douet mit seinen Kollegen angereist. Die Militär-Gendarmen sind im badischen Müllheim stationiert. Jetzt stehen sie vor den Toren des Militärhistorischen Museums. Im Gepäck befindet sich ein Tuch von Douets deutschstämmiger Mutter. Das Besondere: Es ist genau 100 Jahre alt und ist seitdem in Familienbesitz. Er will das Zeitzeugnis dem Museum schenken.

„Sammler haben mir über 1.000 Euro für das Tuch geboten. Aber für mich ist es viel wertvoller als Geld“, erzählt der 55-Jährige. Das Tuch hat die gesamte Geschichte der Familie begleitet. Sein deutscher Großvater Hugo Senftleben ließ es 1913 als Andenken an seine Dienstzeit in der ehemaligen deutschen Kolonie Tsingtau in China anfertigen. 37 Jahre später begegneten sich dann Douets Eltern das erste Mal. Sein französischer Vater René musste als Kriegsgefangener auf Hugo Senftlebens Bauernhof arbeiten. Dort verliebte er sich in Senftlebens Tochter Margarete und heiratete sie. Als das Paar nach dem Krieg zusammen nach Paris zog, überließ Jean-Marcs Großvater ihnen das alte Tuch. Seit Kurzem ist es in Jean-Marcs Besitz. Er reist regelmäßig nach Dresden, um seine Freundin zu besuchen. Letztes Jahr schauten sie sich das Museum an. Beim Anblick der Ausstellung bekam er die Idee, das historische Tuch zu verschenken. „Es ist mir eine große Ehre, es dem Museum zu überlassen. Nach meiner Dienstzeit würde ich mich freuen, wenn es auch meine Uniform annehmen würde“, erklärt er ernst.

Das Museum bekommt regelmäßig Geschenke. Bereits letzte Woche reiste der britische Militärattaché nach Dresden, um eine 100 Jahre alte deutsche Bibel zu überreichen. Eine 80-jährige Britin fand die vermutete Kriegstrophäe auf dem Dachboden und wollte sie zurück nach Deutschland senden. Im letzten Jahr erhielt das Museum rund 260 Schenkungen, von denen nur etwa zehn abgelehnt wurden. Allerdings kann eine solche aus mehr als einem Objekt bestehen. Der Museumsdirektor muss die Geschenke mit Bedacht auswählen. Gibt es versteckte Kosten? Einige Bilder müssen erst noch aufwendig restauriert werden oder benötigen noch Lizenzrechte. Oder ist es schon vorhanden? Bei Orden sei das oft der Fall, berichtet der Museumsangestellte Martin Nagel. Nicht alles wird ausgestellt, sondern vieles landet in den Depots. Die Stücke werden gut ausgewählt. Erst kürzlich wurde das Museum mit einem europäischen Preis für innovative und kreative Präsentation ausgezeichnet. „In der Dauerausstellung zeigen wir rund 10.000 Gegenstände. Das ist nicht mal ein Prozent unseres gesamten Bestandes“, erklärt Nagel. Mehr als eine Million Exponate lagern in den Hallen des Museums.

Manchmal befindet sich auch Ungewöhnliches unter den Geschenken. „In unseren Depots steht noch ein mobiler Damenhygiene-Verbrennungsofen“, erzählt Nagel. Sein Kollege Magnus Pahl fügt hinzu: „Manche Dinge würden Laien bestimmt kurios vorkommen, aber als Fachmann kennt man die Hintergründe. Zum Beispiel schwarze Gaslampions: Sie spenden natürlich kaum Licht, aber wegen ihrer Unauffälligkeit wurden sie im Ersten Weltkrieg eingesetzt.“ Ob das Seidentuch ausgestellt wird, weiß noch niemand. Aber Douet ist es erst mal am Wichtigsten, dass das Erbstück nun in guten Händen ist.