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Wie der Vater, so die Tochter

Grit Freitag hat im Trabant-Werk gelernt. Das hat ihr geholfen, als sie Nachfolgerin an der Spitze des Info-DienstleistersSigma Chemnitz wurde.

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Von Brigitte Pfüller

Die junge Frau strahlt gelassene Sicherheit aus, wenn sie Mitarbeiter ihrer Firma zu Beratungen trifft. Denn Grit Freitag weiß genau, dass das gesamte Team des Unternehmens Sigma Chemnitz GmbH hinter ihr steht. Freitag ist geschäftsführende Gesellschafterin dieser Dienstleistungsfirma für die Informationstechnologie (IT).

Freitag hält in ihrer Branche „Partnerschaft und Kommunikation“ für entscheidend. Schließlich bearbeiten die Sigma-Mitarbeiter keine fassbaren Werkstücke, sondern entwickeln ideelle Lösungen.

Deshalb seien „die klugen Köpfe der Belegschaft unser wichtigstes Kapital“, sagt die 42-Jährige. Sie steht seit Mitte vorigen Jahres an der Spitze des Unternehmens – gemeinsam mit Frank Pyritz (47), einem weiteren langjährigen Mitarbeiter von Sigma.

Zügel in jüngere Hände übergeben

Am 1. Juli hat Hans Freitag die Zügel in jüngere Hände übergeben. Er hatte die Firma 1990 gegründet. Leicht gefallen sei die Übergabe dem Vater nicht, sagt Grit Freitag. Dabei war er es selbst, der die Tochter vor Jahren anregte, sich für die Firma zu interessieren. Sie war zu jener Zeit noch mit anderen beruflichen Plänen unterwegs: Maschinenbau hat sie an der damaligen Technischen Hochschule (TH) Karl-Marx-Stadt studiert und war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität. Zuvor absolvierte sie eine Berufsausbildung mit Abitur als Facharbeiter für Qualitätsprüfung beim volkseigenen Trabant-Hersteller Sachsenring Zwickau. Dieser technische Hintergrund leistete ihr´gute Dienste – sowohl beim Einstieg in das Unternehmen als auch heute noch auf dem Chefsessel: „Wenn ich mit Geschäftsführern großer Unternehmen verhandle, werde ich als Frau schnell ernst genommen, wenn sie merken, dass ich Diplom-Ingenieur bin.“

1997 trat sie in die väterliche Firma ein und schnupperte in verschiedene Abteilungen hinein, bis sie 2005 den Posten der Prokuristin übernahm. Da sich die Tochter bestens „einfuchste“, vollendete der Vater schließlich seine Idee: Sie solle sein Lebenswerk weiterführen. Darauf folgten zwei Jahre, angefüllt mir Überlegungen, Nachdenken und Gesprächen.

Beteiligungsgesellschaft hilft

Ein Patentrezept für eine Firmenübernahme gibt es nicht, meint Grit Freitag. Sie hat „sechs Monate Businesspläne geschrieben, jede Woche einen anderen“. Doch was die meisten schlaflosen Nächte brachte, das war die Finanzierung. Zwar weiß ein Inhaber, was seine Firma, die Kontakte und Netzwerke wert sind, die er über 20 Jahre aufbaute. Die Nachfolger sehen jedoch die künftigen Verpflichtungen, die notwendigen Investitionen, um neue Aufträge zu erhalten und neue Mitarbeiter zu gewinnen.

Grit Freitag wollte die Firma nicht alleine führen. Sie entschied sich für die kaufmännische Seite und den Personalbereich. Frank Pyritz kam als IT-Fachmann hinzu. Ein Steuerberater und ein Justiziar halfen bei der Übergabe. Grundsätzlich schwierig ist es für ostdeutsche Jungunternehmer, Kredite zu erhalten, denn sie haben zu wenig eigenes Vermögen. „Am liebsten wäre es den Banken gewesen, der Alteigner hätte alles besichert.“

Mit vielen Diskussionen, bei denen der eine oder andere die Tür des Verhandlungsraumes schon mal krachen ließ, kam bei Sigma alles unter einen Hut. Unterstützung kam von der Hausbank Sparkasse Chemnitz und von der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG). Deren Regionalleiter Nils-Christian Giese hat laut Freitag „als ruhender Pol bei mancher Auseinandersetzung gewirkt und uns Auswege gezeigt“. Giese erinnert sich noch gut an die Gespräche: Als Wirtschaftsförderer des Freistaates sei die MBG „an möglichst reibungsloser Nachfolge unserer Mittelständler interessiert“, zumal sie damit nachhaltig Arbeitsplätze sichert und erhält.

Was hat sich nun bei Sigma geändert, seitdem Grit Freitag und Frank Pyritz das Unternehmen leiten? Chefsekretärin Bettina Ullmann, seit Gründung im Unternehmen, nennt ein Beispiel: „Die Tochter ist etwas überlegter. Sie denkt vor jeder Entscheidung ganz genau über alles nach.“

Senior gibt weiter Tipps

Geändert wurden beispielsweise die Kompetenzen im Vertrieb. Während der Firmengründer viele Entscheidungen aufgrund seiner Netzwerke erreichte, beruht der Erfolg heute auf Teamarbeit. Schließlich erfordert eine IT-Lösung für ein großes Unternehmen eine gute Kommunikation zwischen den Partnern. Sigma betreut mit 50 Mitarbeitern mehr als 200 Kunden in Anlagenbau, Handel, Banken, Dienstleistung und öffentlichen Einrichtungen. Zu den Kunden gehören Maschinenbauer wie die Chemnitzer Niles-Simmons-Hegenscheidt-Gruppe, die Sachsen Fahnen GmbH in Kamenz und die Stadtwerke Annaberg. 2001 gründete die Chemnitzer Firma eine Niederlassung in Stuttgart und wurde Aktionär der bundesweit tätigen IT-Serviceorganisation Wnet.

Und was tut Hans Freitag heute? Ganz konnte er sich noch nicht von seinem Unternehmen verabschieden. So berät er die Nachfolger weiter in Vertriebsfragen und vermittelt Kontakte. Selbst jetzt im Urlaub mit Frau und Enkeln liegt er nicht auf der faulen Haut. „Sie haben Rennräder gemietet. Er will den 13- und 15-jährigen Jungs beweisen, dass er mithalten kann“, freut sich die Tochter. Sie kann inzwischen mit Gelassenheit weitere Entscheidungen über Sigma treffen.