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Wie die Himmel aus Stein entstanden

Die Albrechtsburg hat ihre Dauerausstellung erweitert – erstmals wird gezeigt, wie eine geniale Erfindung in die Tat umgesetzt worden ist.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen. In den letzten 150 Jahren ist versucht worden, diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Jetzt ist es gelüftet worden: David Wendland, Architekturhistoriker an der TU Dresden, hat herausgefunden, wie vor 500 Jahren die steinernen Himmel in der Albrechtsburg errichtet worden sind – wie die Gewölbe in den Zimmern und Sälen gebaut worden sind. Und darum dreht sich der jetzt eröffnete abschließende Teil der Dauerausstellung auf der Burg im dritten Obergeschoss.

Was zu sehen ist, wirkt auf den ersten Blick ernüchternd, ein Holzgerüst aus Pfosten und Brettern. Aber es ist die Voraussetzung dafür, dass die Decken in der Burg nicht mehr einfach nur gerade sind, sondern gefaltet und damit ein „raffiniertes Spiel aus Licht und Schatten erzeugen“. Die Zellengewölbe, die hier seit 1475 erstmalig in großem Stil gebaut wurden, ja, die wahrscheinlich extra für die Albrechtsburg erfunden worden sind, „wurden zum Exportschlager und verbreiteten sich bis Mitte des 16. Jahrhunderts über das ganze östliche Mitteleuropa“. Über Böhmen bis ins Baltikum, erzählt Historiker André Thieme. Er ist beim Schlösserland Sachsen für die Museen zuständig, also auch für das in der Albrechtsburg.

Das Holzgerüst, es dürfte das größte Ausstellungsexponat im Schlösserland sein, ist ein sogenanntes Lehrgerüst. Auf dieses wurden die Handstrichziegel gelegt, mit Mörtel verbunden, und nach einiger Zeit wurde das Gerüst weggeschlagen, die Ziegel sackten ein Stück nach unten – das Gewölbe bekam Spannung. Und hält bis heute, wäre hinzuzufügen. Weil vor 500 Jahren niemand aufgeschrieben hat, wie so ein Gewölbe gemauert worden ist, blieb nur der Weg, eines nachzubauen. Bauforschung und experimentelle Archäologie gingen Hand in Hand, um das Geheimnis zu lüften. Das wurde auf Schloss Trebsen gemacht. Weil das Schloss an der Mulde liegt und diese Hochwasser führte, waren alle Unterlagen einschließlich der Computerberechnungen vernichtet – es musste noch einmal von vorn angefangen werden. Deshalb sei der letzte Raum der 2011 eröffneten Dauerausstellung so lange verschlossen gewesen, erklärt Margrit Weinhold, die Sprecherin der Burg.

Das Lehrgerüst ist so gebaut, wie es unsere Altvorderen vor 500 Jahren getan haben. Die Pfosten und Bretter sind mit Stricken verbunden bzw. mit handgeschmiedeten Nägeln. Im Ausstellungssaal, es ist einer der ehemaligen Frauenzimmer, sind außerdem zwei kleinere Modelle zu sehen, die den kompletten Gerüstaufbau in einem langgestreckten Saal zeigen und anhand eines anderen Modells die gemauerten Gewölbekappen. „Die Albrechtsburg war europaweit eine Art Musterbau“, sagt André Thieme. Denn nicht nur die Zellengewölbe, sondern auch die Vorhangbogenfenster, die den Bau besonders großer und hoher Fenster erlaubten und die Gestaltung der Außenwände, die Stützmauern überflüssig machten, wurden andernorts nachgemacht. „Das war damals hochmodernes Bauen“, so André Thieme. Der Meister, der dahinter stand, war Arnold von Westfalen. Auch über ihn ist nicht viel mehr als über seine Gewölbetechnik überliefert. Klar ist, dass er ein Fuchs gewesen sein muss. Denn für seine Zellengewölbe musste nicht mehr der komplette Raum eingerüstet werden – wie ein solches Gewölbe gemauert wurde, ist in einem Film in der Ausstellung zu sehen.

Wer sich eingehender mit dem „Genie-Streich Albrechtsburg“, so lautet der Titel des Ausstellungsteils zu ihrer „außergewöhnlichen Architektur“, beschäftigen will, der kann das in den vorgelagerten Räumen. Da wird nicht nur veranschaulicht, wie das erste deutsche Schloss gebaut worden ist, sondern auch, woher die Steine und Hölzer kamen und was die verschiedenen Handwerker so zu tun hatten.