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Wie die Sternwarte gerettet wurde

Altbürgermeister Frank Reichel über die schwierige Suche nach einem Investor und das glückliche Ende.

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© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Glashütte. Obwohl der Weg zum Ochsenkopf steil ist, geht ihn Glashüttes Altbürgermeister Frank Reichel gern. Und jedes Mal freut sich der 74-Jährige, wenn er an der Sternwarte vorbeikommt. Sie ist topp saniert, ein Aushängeschild der Uhrenstadt geworden. Und dafür hat das Hamburger Familienunternehmen Wempe gesorgt.

Sternwarte im Wandel der Zeit

Die Glashütter Uhrmachervereinigung Urania ließ zwischen 1904 und 1910 die Sternwarte auf dem Ochsenkopf errichten. Sie wurde 1910 eingeweiht.
Die Glashütter Uhrmachervereinigung Urania ließ zwischen 1904 und 1910 die Sternwarte auf dem Ochsenkopf errichten. Sie wurde 1910 eingeweiht.
Zu DDR-Zeiten wurde die Sternwarte hauptsächlich als Wohnhaus genutzt.
Zu DDR-Zeiten wurde die Sternwarte hauptsächlich als Wohnhaus genutzt.
Nach der Wende stand die Sternwarte über Jahre leer. Die Stadt versuchte mehrmals, einen Investor zu finden.
Nach der Wende stand die Sternwarte über Jahre leer. Die Stadt versuchte mehrmals, einen Investor zu finden.
Im Juli 2005 setzte die Firma Wempe der Sternwarte eine neue Kuppel auf.
Im Juli 2005 setzte die Firma Wempe der Sternwarte eine neue Kuppel auf.

Dieses produziert hier nicht nur Uhren, sondern hat in dem Gebäude auch eine öffentlich zugängliche Sternwarte eingerichtet. „Ich bin glücklich, dass wir am Ende eine so gute Lösung gefunden haben“, sagt Frank Reichel, der auch einen Anteil daran hatte. Reichel schaut auf das Gebäude, das auf Initiative der Urania, einer Glashütter Uhrmacherverbindung, vor 100 Jahren gebaut wurde, um ein eigenes Zeitsignal zu haben. Hier wurde auch eine Schulsternwarte errichtet, die von der damals im Ort tätigen Uhrmacherschule genutzt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Sternwarte zur Stadt. Frank Reichel kann sich noch gut daran erinnern, wie er als kleiner Junge in den 1950er-Jahren durch das leere Gebäude stromerte. Dann baute die Stadt die Sternwarte so um, dass dort wieder jemand wohnen konnte. Dieser jemand war der Ausbilder Heinz Sauerwald, erzählt Frank Reichel. Sauerwald brachte den angehenden Ingenieuren das technische Zeichnen bei und erklärte ihnen in der Sternwarte den Sternenhimmel.

Auch Schulklassen lud er ein. „Ich war mit meiner Tochter Mitte der 1970er-Jahre dort“, sagt Reichel. An das Schulzimmer kann er sich noch gut erinnern. „An der Decke war der Sternenhimmel dargestellt“. 1987 zogen die Sauerwalds in die Stadt, ein neuer Mieter folgte. Er blieb nur bis 1997, weil es ins Gebäude reinregnete. Nun war das Rathaus am Zug. Doch dort hatte man jede Menge anderer Sorgen. „Das war keine leichte Zeit“, erinnert sich Reichel, der damals Bürgermeister war. Die Leute warteten, dass die Straßen und die Abwasserleitungen in Ordnung gebracht werden. Auch für die ehemalige Deutsche Uhrmacherschule musste eine Lösung gefunden werden. Und das mit wenig Geld, denn in der Uhrenindustrie lief es noch nicht so rosig. „Unsere Steuereinnahmen beliefen sich damals auf 250 000 D-Mark“, erinnert sich der Altbürgermeister.

Deshalb versuchte Reichel, einen Investor für die Sternwarte zu finden. 1997 schrieb er sie aus. Der Gründer der Uhrenfirma Nomos, Roland Schwerdtner, fand die Idee nicht so gut und mischte sich in die Debatte ein. „Die Sternwarte darf keine Datsche werden“, sagt er damals.

„Das wollten wir auch nicht“, sagt Reichel. „Wir waren immer sehr vorsichtig.“ Denn er wusste, dass die Glashütter an ihrer Sternwarte hingen. Deshalb wurden die Angebote kritisch überprüft. Keines erfüllte die Ansprüche. Reichel ließ die Sternwarte nochmals ausschreiben. Diesmal gab auch Nomos ein Angebot ab. Und das überzeugte die Stadt. Nomos plante die Errichtung einer Sternwarte und eines Gästehauses. Im März 2002 übernahm die Firma die Sternwarte für 15 000 Euro.

Das war der Grundstückswert. Das Gebäude war inzwischen so verfallen, dass es nichts mehr wert war. „Wir haben im Kaufvertrag ein Rückkaufrecht vereinbart, falls sich die Pläne ändern sollten“, erzählt Reichel. Dann wurde es wieder ruhig um die Sternwarte. Die Firma Nomos konzentrierte sich auf ihre Uhrenproduktion und den Umbau des Bahnhofs zum Firmensitz. 2004 meldet sich Nomos-Geschäftsführer Uwe Ahrendt mit der Nachricht bei Frank Reichel, dass sich die Firma Wempe für die Sternwarte interessiere. Frank Reichel war überrascht. Er wusste zwar, dass die Hamburger Firma Uhren und Schmuck verkauft. Ihm war allerdings unklar, weshalb sie sich für ein Grundstück in Glashütte interessiert. Erst später erfuhr er, dass Wempe in Glashütte nicht nur eine Sternwarte eröffnen wolle, sondern auch eine Chronometerprüfstelle einrichten, die Ausbildung hier etablieren und Uhren produzieren wollte. Doch das sollte nicht die einzige Überraschung bleiben. Nachdem Wempe das Grundstück im Januar 2005 kaufte, konnte die Firma bereits ein halbes Jahr später Richtfest feiern. 2006 begannen die Hamburger mit der Uhrenproduktion in Glashütte. Das wird Wempe am Donnerstag mit vielen Ehrengästen feiern – auf dem Ochsenkopf. Für Frank Reichel ist die Sanierung der Sternwarte eine Erfolgsgeschichte. Denn damit legte Wempe den Grundstein für seine Glashütter Niederlassung, die heute 63 Mitarbeiter beschäftigt.

„Mir hat es gezeigt, das manche Dinge reifen müssen“, sagt Frank Reichel.