Berlin. Die Ausspäh-Affäre um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird direkt den neuen Bundestag beschäftigen: Das Parlament kommt am 18. November zu einer Sondersitzung wegen der Spähaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA zusammen. Merkel soll bis vor wenigen Monaten vom NSA abgehört worden sein – allerdings ohne Wissen von Präsident Barack Obama. Das zumindest berichtete das US-Blatt Wall Street Journal. Die Abhöraktion sei nach einer von der Regierung in Washington im Sommer in Auftrag gegebenen internen Untersuchung gestoppt worden. Regierungsvertreter bestätigten, bei der NSA liefen so viele Lauschangriffe parallel, dass es kaum praktikabel wäre, Obama über alle zu informieren.
Unterdessen leitete das Bundesamt für Verfassungsschutz offenbar Prüfungen ein, ob die US-Botschaft in Berlin als Horchposten für die NSA genutzt wird. Zwar hat der Verfassungsschutz einen Bericht dementiert, wonach die Behörde gestern zum Zweck der Spionageabwehr die US-Botschaft überfliegen ließ. Es gebe solche Flüge aber „in unregelmäßigen Abständen“,bestätigte eine Sprecherin. Die Botschaft befindet sich mitten im Regierungsviertel, die Entfernung zum Kanzleramt beträgt nur rund 800 Meter.
In den USA selbst stößt eher die Empörung der Europäer auf Kritik. „Ich habe einen Rat für die amerikanischen Alliierten, die über die angebliche NSA-Spionage gegen ihre Spitzenpolitiker entrüstet sind: Werdet erwachsen“, schreibt zum Beispiel der Außenpolitik-Experte Max Boot. Der Mitarbeiter am renommierten Council on Foreign Relations betont, wie normal die US-Spionage sei. „Um ihre Interessen zu verfolgen, brauchen alle Staaten so viele Informationen wie möglich über die Handlungen und Vorhaben anderer Staaten. Auch oder vor allem von jenen, mit denen sie derzeit verbündet sind.“ (dpa)