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Ladeninhaber kämpfen für ihre Straße

Unter dem Facebook-Auftritt „Die Bautzener lebt“ haben sich zwei Geschäftsfrauen und ein Verein in Bischofswerda zusammengeschlossen. Mit viel Optimismus – und auch ein wenig Trotz.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Bischofswerda. Gemüsehändler Thomas Teich macht Jahresurlaub. Dafür kann man am Sonnabend dieser Woche im Geschäft „Blumen & mehr“ von Sandra Schölzel an die 100 Tomatensorten kennenlernen. Beides erfahren Bischofswerdaer und andere jetzt auf Facebook. Seit gut vier Wochen betreiben Sandra Schölzel, die Inhaberin von „Madlens Nähkästchen“ Madlen Schwarz und Kenny Jäckel, Vorsitzender des Vereins Kleiderfundus, gemeinsam die Facebookseite „Die Bautzener lebt“. Die drei Anlieger der inneren Bautzener Straße posten dort nicht nur, was es in den eigenen Geschäften Neues gibt. Sie wollen vielmehr die Bautzener Straße als Ganzes bewerben – und sie haben dabei die wichtige Zufahrt zum Markt sowohl als Geschäfts- als auch Straße zum Wohnen im Blick. Man würde zum Beispiel auch posten, wenn einer ihrer Nachbarn umziehen möchte und Helfer sucht, sagt Sandra Schölzel.

Die gleiche Blickrichtung

Nach dem Mittelalterfest vom vergangenen September sind die Drei zusammengerückt. „Wir haben uns gesehen und sofort verstanden“, sagt Madlen Schwarz, die ihr Nähkästchen erst wenige Tage zuvor eröffnet hatte. Alle drei haben ähnliche Ansprüche und die gleiche Blickrichtung; sie unternehmen etwas, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Ihnen ist es wichtig, dass die Nachbarn auf der Straße miteinander und nicht übereinander reden.

Dass die Bautzener Straße wegen der Rossmann-Baustelle über ein Jahr als Sackgasse ausgeschildert war und die Sperrung mehrmals verlängert wurde, gab mit den Anstoß für den Facebookauftritt. Sollte heißen: Hallo, uns gibt es auch, wir halten durch und es lohnt sich, bei uns vorbeizuschauen. Im Namen „Die Bautzener lebt“ steckt viel Power. Aber auch ein wenig Trotz, sagt Sandra Schölzel auf Nachfrage.

Wer über die Bautzener und andere Bischofswerdaer Innenstadtstraßen geht, der kann das Glas schnell halb leer sehen. Acht Geschäfte auf der Bautzener Straße stehen leer, davon gleich mehrere in unmittelbarer Marktnähe. Vier Häuser sind unbewohnt.

Was man zum Leben braucht

Es gibt aber auch 19 Ladenlokale, die genutzt werden – größtenteils für Handel, aber auch von Dienstleistern und als Büro. Für Madlen Schwarz, Sandra Schölzel und Kenny Jäckel ist es keine Frage, dass sie das Glas halb voll sehen – und zu dieser, ihrer Innenstadtstraße stehen. „Man hat viel, was man zum Leben braucht, gleich vor der Tür“, sagt Sandra Schölzel und zählt auf: Gemüse- und Käseladen, Lederwaren, Apotheke, Getränke, Kindersachen, Textilmarkt, Friseur, Kosmetik- und Nagelstudio... Auch einen An- und Verkauf und ein Anglergeschäft gibt es. Freilich wäre es schön, wenn in einige der leer stehenden Läden wieder Leben einziehen würde, wünschen sich die drei Nachbarn. Gründern würden sie zur Seite stehen. Mit ihren Erfahrungen – und praktischer Hilfe.

Alle kamen auf der Suche nach Geschäftsräumen durch Zufall an die Bautzener Straße. Sandra Schölzel eröffnete ihr Geschäft „Blumen & mehr“ im Frühjahr 2015. Der Kleiderfundus zog im Jahr 2016 vom ehemaligen Sporthotel in die frühere Videothek Greth um. Man habe auch mit anderen Geschäftsräumen in der Innenstadt geliebäugelt, zum Beispiel dem Spielwarengeschäft an der Dresdner Straße, das es damals noch gab, berichtet Kenny Jäckel. Dass es im Gewölbe der Videothek „Bischofswerdas kleinstes Kino“ gibt, war ein Nebeneffekt; er war nicht ausschlaggebend, sich für dieses Geschäft zu entscheiden. Doch der Verein Kleiderfundus betreibt das Kino weiter und stockte die Zahl der Sitzplätze auf. Madlen Schwarz kam im vergangenen Herbst nach Bischofswerda, weil sie größere Geschäftsräume brauchte. Viele hatten ihr abgeraten, in die Stadt umzuziehen, berichtet sie. Madlen Schwarz tat’s trotzdem und landete einen Volltreffer: Ihr Angebot von Näh- und Nähmaschinenservice bis zu selbst geschneiderten Kindersachen kommt bei den Kunden, auch von außerhalb, sehr gut an.

Eine Nachbarschaftsinitiative

Die Seite „Die Bautzener lebt“ versteht sich nicht als Konkurrenz beispielsweise zur Werbegemeinschaft. Es ist eine Nachbarschaftsinitiative – und möchte es bleiben. Wenn jemand von einer anderen Innenstadtstraße ein Anliegen hat, wird man sich dem nicht verschließen, sagt Kenny Jäckel. Doch insgesamt soll der Aktionskreis auf die innere Bautzener Straße begrenzt bleiben. Das schließt ja nicht aus, dass ihr Beispiel Schule macht und sich weitere Initiativen gründen, sagen die drei.

„Die Bautzener lebt“ weitet den Blick über das Tagesgeschäft hinaus. Unbestritten ist, dass Bischofswerdas Innenstadt Menschen braucht, die den Mut und die Zuversicht haben, hier ein Haus zu kaufen, in der Innenstadt zu leben und/oder ein Geschäft zu eröffnen. Sandra Schölzel, Madlen Schwarz und Kenny Jäckel wollen da auch anderen Mut machen: Wenn sie sehen, auf der Bautzener gibt es Leute, die sich engagieren, könnte das vielleicht auch andere anspornen, sagen sie. Für sie ist klar: Es lohnt sich, für die Bautzener Straße und die gesamte Innenstadt zu kämpfen.

Tomatenverkostung im Geschäft „Blumen & mehr“, Bautzener Straße 18: 4. August von 10 bis 15 Uhr

www.facebook.com/dieBautzenerlebt